RNZ-Jahresinterview

So blickt Hirschbergs Bürgermeister Ralf Gänshirt zurück und voraus

Rathauschef liebt auch das Überraschende an seinem Beruf - Er findet ein Kulturhaus "erstrebenswert"

16.12.2019 UPDATE: 18.12.2019 06:00 Uhr 7 Minuten, 50 Sekunden
„Die Zeit, in der wir viele Neubauten in kurzer Abfolge hintereinander haben werden, ist erst mal vorbei, weil uns die Mittel fehlen“, sagte Bürgermeister Ralf Gänshirt (52) im Jahresinterview. Foto: Dorn

Von Annette Steininger

Hirschberg. Für Ralf Gänshirt (52) war 2019 definitiv ein besonderes Jahr, schließlich wählten ihn die Hirschberger zu ihrem neuen Bürgermeister. Warum es dennoch nicht das außergewöhnlichste war, verrät er in seinem ersten Jahresinterview mit der RNZ. Außerdem äußert er sich zur Zukunft einiger Gebäude in Leutershausen, zur Haushaltssperre, einem Neubaugebiet und positioniert sich zu einer möglichen Erweiterung des Gewerbeparks.

Herr Gänshirt, wie fühlt es sich an, auf dem Stuhl Ihres früheren Chefs zu sitzen?

Sehr gut. Es ist eine spannende Aufgabe, die jeden Tag aufs Neue Spaß macht. Mein Tagesplan, den ich mir immer mache, klappt nie (schmunzelt).

Sicherlich war aber der Wahlkampf auch vor dem Hintergrund keine einfache Zeit, da Sie mit Christian Würz einen Freund zum schärfsten Konkurrenten hatten, oder?

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Ja, das ist tatsächlich so. Ich denke, wir hatten uns das nicht gewünscht, es war für uns beide eine schwierige Situation. Wir haben sie aber professionell gelöst – mit einer Distanz in dieser Zeit. Aber wir sind auf dem Weg, unsere Freundschaft wieder zu intensivieren – für ein gutes Miteinander sowohl privat als auch im Gemeinderat zum Wohle Hirschbergs.

Würden Sie sagen, das Jahr 2019 ist für Sie das außergewöhnlichste Ihres bisherigen Lebens gewesen?

Nein. Beruflich ja, aber darüber hinaus, das wäre zu hoch gehängt. Der Beruf ist nicht alles im Leben. Es gibt viele andere Dinge, die weitaus außergewöhnlicher waren, wie die Hochzeit mit meiner Frau und die Geburt unserer Kinder.

Für Hirschberg war es definitiv ein außergewöhnliches Jahr. Die Gemeinde hat mit Ihnen nicht nur einen neuen Bürgermeister bekommen, sondern auch eine Haushaltssperre erlebt. Wer trägt daran aus Ihrer Sicht Schuld?

Die Systematik der Einnahmen ein Stück weit, die gerade im Bereich der Gewerbesteuer sehr schwer planbar sind. Wir haben 2017 ein extrem gutes Jahr gehabt, und zwei Jahre später wird einem das bei den Einnahmen angerechnet. Man könnte vielleicht sagen, wir haben zu optimistisch gedacht. Aber jemandem einen Vorwurf zu machen, ist völlig außerhalb meiner Denkweise. Man hätte auch einen anderen Weg gehen können, als eine Haushaltssperre zu erlassen. Der Gemeinderat hat aber darauf gedrängt. Und ich denke, vor dem Hintergrund der besonderen Situation – mit zwei ehrenamtlichen Bürgermeister-Stellvertretern an der Spitze – war es der richtige Weg.

Andere Kommunen an der Bergstraße mussten aber keine Haushaltssperre vornehmen und hatten keine derartige Schwankung bei der Gewerbesteuer zu verzeichnen. War Hirschberg also tatsächlich schlichtweg zu optimistisch?

Ich kenne in der Tat Kommunen, die 2019 ein sensationell gutes Jahr hingelegt haben, aber das wird sich spätestens 2021 negativ auswirken. Das heißt, man ist gut beraten, wenn man etwas defensiver plant. Das geht natürlich aufgrund von Projekten nicht immer. Es ist ein Spannungsfeld: Plane ich defensiver, nehme ich dem Gemeinderat Handlungsspielraum. Und den lässt er sich nicht ohne Weiteres nehmen. Da muss man einen Mittelweg finden. Wenn es nach mir geht, wird die Verwaltung immer relativ defensiv unterwegs sein. Viele Gemeinderäte sind da etwas offensiver. Also müssen wir besagten Mittelweg beschreiten.

Fürs kommende Jahr sehen die Zahlen ebenfalls nicht rosig aus, die Gemeinde plant eine Kreditaufnahme von drei Millionen Euro. Müssen die Vereine ihre Wünsche – wie ein Bürgerhaus und eine dritte Halle – für längere Zeit ad acta legen?

Wir haben die Diskussion zum Thema "Hallen" schon aufgenommen und werden sie verstetigen. Klar ist, unsere Gebäude, nicht nur die Hallen, müssen saniert oder neu gebaut werden. Es geht aber nicht nur darum: Die Vereine haben ein Anrecht darauf, dass die Mittel der Gemeinde nicht nur in den Sport fließen. Das habe ich schon im Wahlkampf gesagt und dafür werde ich mich auch einsetzen. Dass es dabei um ein langes Zeitfenster geht, versteht sich von selbst. Ich finde generell ein Gemeinschafts- oder auch Kulturhaus erstrebenswert. Dass der Bedarf da ist, sehe ich. Ob ein solches Haus in fünf oder zehn Jahren möglich sein wird, kann ich wirklich nicht sagen. Das liegt auch an einer Vielzahl von Projekten, die noch auf uns zukommen oder zukommen können.

Welche sind das?

Wir werden den Bau des evangelischen Kindergartens in Leutershausen, eine sehr große Investition, jetzt vorantreiben, aber wir wissen auch, dass der katholische Kindergarten mit einer Sanierung schon in den Startlöchern steht. Dann werden wir auch über Erweiterungen im Schulbereich nachdenken müssen, je nachdem wie sich die Schülerzahlen weiter entwickeln. Wenn in Großsachsen wie in Leutershausen auch der Wunsch nach einer Ganztagsschule aufkommt, der Betreuungsbedarf der Eltern für ihre Kinder in der Grundschule Großsachsen anhält oder sogar weiter ansteigt, dann könnte es sein, dass wir räumlich an Grenzen stoßen. Außerdem haben wir einen Sanierungsstau. Die Zeit, in der wir viele Neubauten in kurzer Abfolge hintereinander haben werden, ist erst mal vorbei, weil uns die Mittel fehlen.

Das heißt, ein Bürgerentscheid zur Halle, wie Sie ihn im Wahlkampf angesprochen hatten, ist auch erst mal kein Thema mehr?

Der Gemeinderat hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die auch gestartet ist und einen Vorschlag erarbeitet. Am Ende entscheidet das politische Gremium, also der Gemeinderat. Wenn ich aber den Eindruck gewinne, wir spalten die Bevölkerung, oder der Gemeinderat ist so uneins, dann werde ich dem Gremium einen Bürgerentscheid vorschlagen. Ich halte ihn für ein probates Mittel, weil die Investitionen für die Zukunft einfach so groß sind, dass sie alle Bürger angehen. Egal in welche Richtung es geht – ob Sanierung oder Neubau.

Sie haben die Hallenkommission angesprochen. Wie ist das erste Treffen im Dezember gelaufen?

Ich will da gar nicht so aus dem Nähkästchen plaudern. Wir haben uns zusammengesetzt und werden nach und nach einen Vorschlag erarbeiten. Es wird ein harter Weg, weil die Interessenlage doch sehr heterogen ist. Die Gesprächsatmosphäre war aber konstruktiv. Ich habe den Eindruck, dass jeder den Blick für die Finanzen hat, aber natürlich auch für seine eigenen Interessen. Da am langen Ende eine Schnittmenge zu finden, bleibt spannend. Ich habe jedenfalls mitgenommen, dass der Hauptwunsch aller ein weiteres Spielfeld ist.

Außer den Hallen war in der Amtszeit von Bürgermeister Manuel Just immer wieder die künftige Nutzung des Schulpavillons, der Schillerschule und des alten Feuerwehrhauses Themen. Was für eine Zukunft sehen Sie für diese Gebäude?

Eine Wohn- und Geschäftsnutzung könnte ich mir für das Feuerwehrhaus gut vorstellen. Hier kommt hinzu, dass die Gemeinde Eigentümer der zwei benachbarten Wohngebäude ist. Ein Idealfall für mich wäre, wenn wir dort kleine Firmen rein bekämen, vielleicht Start-ups. Voraussetzung wäre natürlich, dass wir für die Gemeindebücherei ein neues Domizil finden. Ich könnte mir hierfür den Schulpavillon gut vorstellen, auch vor dem Hintergrund der Schulnähe. Der Pavillon wird aber jetzt erst mal noch für die Kindergartenkinder gebraucht, bis der Neubau fertig ist. Bei der Schillerschule darf man nicht vergessen, dass es eine starke Vereinsnutzung gibt. Hier hätten wir auch Potenzial durch das Bauland, das sich dahinter befindet. Auf Dauer sehe ich in der Schillerschule eher eine Vereinsnutzung, bin da aber nicht festgelegt.

Wird das schon vielfach angesprochene kleine Neubaugebiet im nächsten Jahr konkreter werden, und was schwebt Ihnen hierfür vor?

Räumlich gesehen äußere ich mich dazu nicht, weil ich das vollkommen offen diskutieren möchte. Im März wird voraussichtlich der Flächennutzungsplan des Nachbarschaftsverbandes verabschiedet, in dem die Gemeinde einige Erweiterungsflächen angemeldet hat. Wir werden uns im Zusammenhang mit preisreduziertem Wohnungsbau damit befassen müssen, wo und ob wir ein neues Baugebiet ausweisen wollen. Der Wunsch aus dem Gemeinderat ist da. Die Notwendigkeit, preisreduzierten Wohnraum zu schaffen, sehe ich ebenso in Hirschberg wie auch in der Region. Und wir müssen unseren Beitrag dazu leisten. Bei dem Neubaugebiet wird es auch um stärkere Verdichtung gehen. Da muss es ein Umdenken geben. Großzügige, weite Bebauung wird man enger fassen müssen. Zumindest in Teilen sollte es Mehrfamilienhäuser geben, sonst würde es sich finanziell gar nicht realisieren lassen. Dies alles setzt aber auch die Mitwirkung der Grundstückeigentümer voraus.

Man muss sich aber keine Sorgen machen, dass jetzt Wolkenkratzer in Hirschberg gebaut werden?

Nein, ich bin kein Freund von extremem Geschossbau. Das würde auch städtebaulich bei uns gar nicht reinpassen.

Welche Projekte wollen Sie im kommenden Jahr noch angehen?

Wir haben einige Dinge, die uns beschäftigen werden: Kindergarten-Neubau, kommunale Gebäude, Parkraumkonzept, Straßenbeleuchtung, Vereinsförderung und Gestaltung der Friedhöfe. Mit anderen Sachen werden wir uns eher konzeptionell für die Zukunft befassen: Neubaugebiet und Klimaschutz sowie Auswirkungen des Sozialberichts. Letztere werden Daueraufgaben sein. Das Arbeitsprogramm reicht jedenfalls für uns. Wir sind noch immer nicht auf dem Level, auf dem wir wären, wenn das Jahr 2019 normal gelaufen wäre. Das arbeiten wir auch nach und nach ab. Mit einer möglichen Erweiterung des Gewerbeparks werden wir uns ebenfalls befassen.

Sind Sie denn ein Befürworter einer Gewerbepark-Erweiterung?

Ich befürworte das, weil ich da eine Notwendigkeit sehe. Die Gemeinde Hirschberg hat sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren sehr defensiv verhalten. Um uns herum wird das anders gehandhabt. Die Zurückhaltung der Gemeinde Hirschberg ist jetzt nicht mehr angebracht, wobei wir keine exorbitant großen Flächen ausweisen werden. Ich bin überzeugt davon, dass wir die Region vor Flächenversiegelung nicht alleine retten. Beim Gewerbepark hatte es schon damals viele Kritiker gegeben. Wo wären wir aber heute ohne ihn? Die Lichter wären ausgegangen.

Sie hatten auch die Umgestaltung der Friedhöfe angesprochen. Was kommt diesbezüglich auf die Bürger zu?

Der Trend geht weg von den Erdbestattungen. Daher wird es eine Neueinteilung der Friedhöfe geben müssen, auch mit gärtnergepflegten Grabfeldern. Ich würde mir wünschen, dass wir einen Friedwald hinbekämen, allerdings hat uns bislang die Topographie einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber wer weiß: Vielleicht gibt es doch noch eine zündende Idee. Es geht auch um die Friedhofssatzung und die Neugestaltung der Gebühren. Das ist alles schon länger ein Thema, das ich aber im kommenden Jahr endlich abschließen möchte.

Bei der Kandidatenvorstellung im Wahlkampf haben Sie die Gemeinde beschrieben, wie sie in 16 Jahren aussehen wird. Da sagten Sie unter dem Raunen des Publikums: "Die Verkehrsprobleme sind gelöst." Wird es eine Lösung des Verkehrsproblems mit Ihnen als Bürgermeister geben?

Das weiß ich nicht, aber ich hoffe es. Das war ein Szenario, eine Vision. Wir sind es den nachfolgenden Generationen jedenfalls schuldig, dass wir daran arbeiten. Ich vergleiche es immer gerne mit dem Branichtunnel in Schriesheim: Da haben auch mehrere Generationen dran gearbeitet, bis es soweit war. Es gibt für Hirschberg viele Ideen; da gilt es weiter dran zu arbeiten. Ich hatte zuletzt viele Gespräche mit den Abgeordneten und werde nicht müde, das Verkehrsproblem immer wieder vorzutragen.

Das heißt, Hirschberg wird wieder versuchen, in den Bundesverkehrswegeplan zu kommen, um Bundesmittel für eine Umgehung zu erhalten?

Wir dürfen auf jeden Fall nie mehr den Fehler machen zu sagen, wir wollen nicht mehr. Ich finde es auch nicht fair, dass man jemanden für einen Fehler über Jahrzehnte hinweg bestraft. Das ist ja wie eine Sippenhaft der Generationen.

Planen Sie für nächstes Jahr Aktionen, um das Verkehrsproblem anzugehen?

Es gibt Gespräche hinter den Kulissen und über die Parteigrenzen hinweg. Wir müssen da alle an einem Strang ziehen, bestenfalls auch mit den Nachbargemeinden. Für eine erste kleine Lösung plädiere ich immer noch für eine Pförtner-Ampel im Osten von Großsachsen (zur Blockabfertigung), um die Ortsdurchfahrt zu entlasten. Ich halte es für sinnvoll, ein Gutachten dafür in Auftrag zu geben, um auch mit Fakten in die Gespräche mit den zuständigen Behörden gehen zu können.

Zurück zu Ihrer Vision von Hirschberg in 16 Jahren. Das wären zwei Amtsperioden als Bürgermeister. Planen Sie denn, nach acht Jahren ein weiteres Mal zu kandidieren?

Stand heute, ja. Dann wäre ich 60 – und damit noch viel zu jung, um in den Ruhestand zu gehen (schmunzelt).

Jetzt dürfen Sie sich zwischen den Jahren aber erst mal von der Kommunalpolitik erholen. Wie feiert Familie Gänshirt denn Weihnachten?

Wirklich ausspannen kann ich nicht. Ich werde auch außerhalb der Dienstzeiten arbeiten. Am 24. Dezember bin ich noch mal beim Glockenspiel, dann ziehe ich mich mit meiner Familie zurück. Weihnachten ist ein Fest der Familie, und so feiern wir es auch, bei uns daheim in Lützelsachsen. Außerdem hat meine Mutter an Heiligabend Geburtstag. Wir werden dieses Jahr erstmals nicht mehr ein Krippenspiel besuchen, sondern in die Christmette gehen. Aus den Krippenspielen sind wir jetzt rausgewachsen (lacht).

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