Was den OB 2018 am meisten geärgert hat
Er sagt: "Nicht jeder, der in der Stadt arbeitet, kann auch hier leben" - Endet bald der Streit um den Kohlhof?

Oberbürgermeister Eckart Würzner kündigt im Interview mit der RNZ an, den Rechtsstreit um das ehemalige Ausflugslokal Alter Kohlhof beenden zu wollen - wenn dort ein Restaurant nachgewiesen wird. Foto: Rothe
Von Sebastian Riemer und Micha Hörnle
Heidelberg. Das Jahresende war kommunalpolitisch turbulent: Zunächst keine Entscheidung in Sachen Betriebshofstandort - und auch das Ankunftszentrum wurde erst einmal vom Gemeinderat vertagt. Im RNZ-Jahresendinterview gibt sich Oberbürgermeister Eckart Würzner so entschlossen wie entspannt, aber beim Dauerstreit um den Alten Kohlhof deutet sich nun erstmals eine Lösung an: Würzner kann sich vorstellen, mit dem Sterne-Lokal zu leben - was ein Ende des seit über einem Jahr laufenden Gerichtsprozesses bedeuten könnte.
>>>Hier gibt es den zweiten Teil des Interviews<<<
Herr Würzner, was hat Sie 2018 am meisten geärgert?
Das war die Causa Betriebshof. Es gab zwei klare Alternativen. Ich hatte keinerlei Verständnis dafür, dass der Gemeinderat sich nicht für den einen oder den anderen Standort aussprach - sondern einfach gar keine Entscheidung traf. Aber das hat sich zum Glück dann ja doch noch geklärt, und wir haben jetzt einen klaren Beschluss zur Verlagerung raus aus dem Quartier, das dadurch viel attraktiver wird.
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Aber das ist ja noch nicht in trockenen Tüchern. Es kann ja immer noch zu einem Bürgerbegehren kommen. Und bisher hat die Stadt bei Bürgerentscheiden immer verloren.
Ich hoffe sehr, dass es jetzt so weitergeht, wie es der Gemeinderat kurz vor Weihnachten beschlossen hat. Gängige Praxis in Heidelberg ist, dass solche Entscheidungen mit einer intensiven Bürgerbeteiligung begleitet werden - gerade, wenn es um den ökologischen Ausgleich für den Neubau auf der Ochsenkopfwiese geht. Aber klar sollte auch sein, dass der Gemeinderat entscheidet, damit die unhaltbaren Zustände im Betriebshof endlich beendet werden können.
Und was hat Sie richtig gefreut?
Vieles. Zum Beispiel die tolle Resonanz beim Bürgerfest im Januar in der Bahnstadt. Da kamen so viele Heidelberger, die interessiert waren und mitdiskutiert haben. In Heidelberg können wir die Menschen noch begeistern, sich mit Kommunalpolitik zu beschäftigen. Das ist sehr wertvoll.
Über 160.000 Menschen leben in Heidelberg, 12.000 mehr als 2011. Der Zuzug reißt nicht ab. 2017 wurden nur 300 Wohnungen fertiggestellt. Fliegt uns dieses Wachstum bald um die Ohren?
Es stimmt, wir sind die deutsche Stadt, die - relativ gesehen - am stärksten wächst. Natürlich auch aufgrund der fantastischen Entwicklung der Konversionsflächen. Dabei bieten wir auch viel bezahlbaren Wohnraum an. In der Bahnstadt entstand schon Wohnraum für 4000 Menschen. Wir schaffen 1400 Wohnungen in der Südstadt, fast 600 in Rohrbach. Wir erweitern den Bestand kommunaler Wohnungen jeden Tag. Wenn jemand in Deutschland das Thema Wohnraum ernst nimmt, dann wir in Heidelberg.
Dennoch: Das Wachstum kann nicht ewig so weitergehen. Wenn Patrick Henry Village (PHV) entwickelt ist, bauen wir dann auf die grüne Wiese?
Nein, ich will den grünen Ring um Heidelberg auf keinen Fall bebauen. Wir haben noch ein paar Flächen in der Stadt, wo ein bisschen was geht - etwa der Neue Messplatz, auf dem man ein Wohnquartier schaffen kann. Aber die Dimension der Konversionsflächen hat das nicht. Bei etwa 175.000 Einwohnern stößt Heidelberg definitiv an seine Wachstumsgrenzen.
Und was dann?
Es ist nun einmal so: Nicht jeder, der hier arbeitet, kann hier leben. Zur Wahrheit gehört ja auch: Von Eppelheim oder Leimen ist man mit dem Fahrrad schneller im Neuenheimer Feld als von Schlierbach aus. Und mit dem Elektro-Rad geht das, ohne verschwitzt anzukommen. Wir sind mit den umliegenden Gemeinden im Gespräch. Wir können etwa helfen, Park-and-Ride-Stationen mitzufinanzieren.
Vorher muss PHV aber erst einmal entwickelt werden. Für 10.000 Menschen soll dort ein neuer Stadtteil geschaffen werden: Wann werden die dort leben?
Wir könnten in zwei Jahren mit der Bebauung beginnen. Voraussetzung dafür sind zügige, erfolgreiche Ankaufsverhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.
Ihr Finanzbürgermeister Heiß sagte, es könne gut sein, dass die Stadt die Fläche gar nicht komplett kaufen wird.
Die Stadt wird alles kaufen.
Herr Heiß sah das anders. Er meinte, der Eigentümer, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, könne einen Teil der Fläche vielleicht auch selbst entwickeln.
Wir werden alles kaufen. So haben wir das bisher immer gemacht. Damit sind wir sehr gut gefahren. Wir brauchen die Planungshoheit für ganz PHV.
Aber noch ist ja alles in der Schwebe. Die Entscheidung, das Ankunftszentrum in die Wolfsgärten zu verlegen, hat der Gemeinderat gerade wieder vertagt. Vor den Kommunalwahlen passiert doch da sowieso nichts mehr.
Doch, denn ich halte es für wichtig, vor der Kommunalwahl eine Entscheidung zu treffen. Wir werden noch im Januar im Stadtentwicklungs- und Verkehrsausschuss das weitere Vorgehen diskutieren. Bis dahin müssen wir aber noch einige Details klären. Das Land muss uns weitere Informationen über die Größenordnung des Neubaus liefern, also das Projekt konkretisieren. Positiv finde ich, dass der Gemeinderat grundsätzlich bereit ist, solche Einrichtungen in Heidelberg zu akzeptieren - aber das darf nicht zu Lasten unserer einzigen Entwicklungsfläche, des Patrick Henry Village, gehen.
2018 lief die Sicherheitspartnerschaft an, für die Neckarwiese gibt es ein neues Beleuchtungskonzept. Sind Sie jetzt zufrieden mit der Sicherheitslage?
Ich bin zufrieden mit der Entwicklung, aber noch nicht mit der Situation. Die Neckarwiese konnte viel sicherer gemacht werden. Wir haben den Kommunalen Ordnungsdienst (KOD) aufgestockt. Das sorgt - in Kombination mit den Kräften aus der Sicherheitspartnerschaft mit dem Land - für mehr Präsenz. Das wirkt präventiv. Aber wir hatten auch massive Übergriffe, bei denen zum Teil mehrere Personen auf einen schon am Boden liegenden Menschen eintreten. Das ist für mich kaum vorstellbar und muss mit aller Konsequenz verfolgt werden.
Was muss noch geschehen?
Wir werden den KOD weiter ausbauen. Und ich hoffe, die Videoüberwachung am Bismarckplatz und am Hauptbahnhof kann bald kommen. Das wird effektiv für mehr Sicherheit sorgen. Hier steigen jeden Tag Zehntausende Menschen in Busse und Bahnen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie sich dabei jederzeit sicher fühlen.
Glauben Sie immer noch daran, dass der Masterplan fürs Neuenheimer Feld zustande kommt?
Ja, davon bin ich überzeugt. Viele Menschen - mich eingeschlossen - haben es positiv zur Kenntnis genommen, dass die bisherigen Planentwürfe das Handschuhsheimer Feld ja gar nicht antasten. Zwar gehen mir einige Entwürfe in puncto Dichte auf dem Campus zu weit. Dennoch zeigt das schon: Ein deutliches Wachstum der Kliniken, Forschungseinrichtungen und der Universität ist machbar, ohne die Felder anzutasten.
Die Beschäftigten im Neuenheimer Feld haben viele kleine Änderungen angeregt, um die Verkehrssituation rasch zu verbessern. Warum passierte da so lange nichts?
Der Gemeinderat will demnächst ein Sofortprogramm auf den Weg bringen. Darüber bin ich sehr froh. Langfristig brauchen wir weitere Verbesserungen. Wir brauchen eine neue Nahverkehrsachse. Die Institutionen im Neuenheimer Feld haben sich hervorragend entwickelt. Wir haben dort mit über einer Million Patienten im Jahr das größte medizinische Zentrum Deutschlands - mittlerweile größer als die Charité in Berlin. Die jetzige Anbindung nur von einer Seite leistet einfach viel zu wenig. Aber genau das gehen wir im Zuge des Masterplanprozesses ja an.
Busse auf Feldwegen und ein geschotterter Park-and-Ride-Parkplatz an der Autobahn sind ja nicht das Gelbe vom Ei - und dafür gibt es jetzt schon viel Kritik.
Es ist ja völlig richtig, dass für fast alle der Erhalt des Handschuhsheimer Feldes eine sehr hohe Priorität hat. Aber es muss auch klar sein, dass man das Neuenheimer Feld mit dem Öffentlichen Nahverkehr besser erreichen muss und man auch dazu einen Park-and-Ride-Parkplatz einrichten sollte. Der Bus soll ja auf bestehenden Straßen, auf denen jetzt schon Abwasserfahrzeuge unterwegs sind, dann zum Neuenheimer Feld pendeln. Das sind alles provisorische Sofortmaßnahmen, die nur für drei bis vier Jahre Bestand haben sollen.
Aus der Diskussion um den Providenzgarten in der Altstadt haben Sie sich bisher herausgehalten. Können Sie mit dem jüngst erfolgten Beschluss des Gemeinderates leben, wonach die Stadt von der Evangelischen Kirche das Grundstück pachtet?
Das ist in erster Linie die Entscheidung des Eigentümers, also der Kirche. Aber die grundsätzliche Idee eines öffentlich zugänglichen Gartens halte ich für unterstützenswert. Man muss sich aber schon fragen, ob die Stadt langfristig die Kosten dafür tragen muss - ich sehe unseren Anteil eher darin, die Pflege und Unterhaltung der Grünfläche zu übernehmen. Auf jeden Fall helfen die zwei Millionen Euro an Spenden, das Vorhaben Providenzgarten zu realisieren.
Würde die Stadt 90.000 Euro Pacht im Jahr bezahlen, damit die Kirche auf ihre Neubaupläne verzichtet?
Dieser Betrag von 90.000 Euro ist ja kein Pachtbetrag für den Park. Diese Größenordnung entsteht, wenn man das Grundstück durch den Umzug der Musikhochschule in Wert setzt. Ich glaube aber, dass beides geht: ein Neubau und der Erhalt eines Teiles der Grünfläche.
Im ehemaligen "Alten Kohlhof" gibt es jetzt ein richtiges Restaurant, das sogar im "Gault Millau" ausgezeichnet wurde. Ist es nicht an der Zeit, Frieden mit den Eigentümern zu schließen?
Wenn die rechtliche Vorgabe, dort ein Restaurant zu eröffnen, erfüllt ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Gemeinderat weiter auf einem gerichtlichen Vorgehen besteht.
Sie sind also bereit, die Rückkaufsklage fallenzulassen?
Man muss schon sehr genau prüfen, ob das ein reales Restaurant ist, in das auch jeder Bürger gehen kann. Wenn das jetzt endlich so ist, fände ich das toll. Und dann würde ich dem Gemeinderat auch empfehlen, den Rechtsstreit zu beenden.
Wer prüft, ob es dort oben ein "reales Restaurant" gibt?
Das Liegenschaftsamt.
Und wenn das Ergebnis negativ ist, das Gericht der Stadt Recht gibt und das Anwesen wieder in den Besitz der Stadt kommt. Was machen Sie dann damit?
Wir würden es dann nicht mehr verkaufen, sondern verpachten mit der Auflage, eine Gastronomie zu betreiben, die gerade für Wanderer, Naturfreunde und Rodler ein lohnendes Ziel ist.