Erinnerung an die Verbrechen des Nazi-Regimes
Mit einer Gedenkfeier im Psychiatrischen Zentrum in Wiesloch wurde an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert.

Wiesloch. (hds) Es war nicht nur eine Erinnerung an die Verbrechen des Nazi-Regimes: Zentral war bei der Gedenkfeier im Festsaal des Psychiatrischen Zentrums (PZN) der Appell, nicht zu vergessen und zudem künftig solche schrecklichen Ereignisse zu verhindern. Jutta Kammerer-Ciernioch, Ärztliche Direktorin im PZN, begrüßte Oberbürgermeister Dirk Elkemann, Bürgermeister Ludwig Sauer sowie den Beigeordneten aus Wiesloch französischer Partnerstadt Fontenay-aux-Roses, Dominique Lafon. "Es hat lange gedauert, ehe man den Überlebenden der Sinti und Roma und deren Nachfahren Aufmerksamkeit schenkte", so Kammerer-Ciernioch. So habe die Bundesregierung sich erst 1982 dazu bekannt, die Gräueltaten als Völkermord anzuerkennen. Viel später, 2012, sei erst ein Denkmal in Berlin für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma eingeweiht worden.
"Wir müssen alle wachsam sein gegenüber Diskriminierung und gewaltbereitem Rassismus", betonte sie. Selbst 78 Jahre nach der Befreiung der noch lebenden Sinti und Roma aus dem Vernichtungslager Auschwitz breite sich verstärkt ein neues, rassistisches Denken in Europa aus. "Wir müssen uns für die Schwächeren, die Minderheiten und Ausgegrenzten einsetzen", forderte sie.
Walter Reiß, Pflegedirektor des PZN, unterstrich dies. Es sei nicht genug, "nur zu erschrecken". Er berichtete von einem Besuch mit Auszubildenden der Pflegefachschule des PZN in Auschwitz vor einigen Jahren. Tränen seien geflossen und Entsetzen, Wut und Scham hätten die Oberhand gewonnen. "Es genügt aber nicht, in Gedenkstunden über kollektive Scham und Verantwortung zu reden. Allen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung müssen wir geschlossen entgegentreten".
Spätestens mit dem sogenannten "Euthanasie-Erlass" habe auch die Psychiatrie "ihre Unschuld" verloren, so Reiß. Auch vom PZN seien Patienten in grauen Bussen nach Grafeneck oder Hamar transportiert worden, um sie dort zu töten. "Die heutige Gedenkveranstaltung ist kein Ritual, sondern ein Bekennen dafür, dass wir weder Hass noch Ausgrenzung akzeptieren werden", sagte Reiß.
Oberbürgermeister Elkemann erinnerte an die Worte des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog 1996: Erinnerung dürfe nie enden und müsse künftige Generationen zu Wachsamkeit mahnen. Damals wurde der Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialsozialismus auf den 27. Januar gelegt. "Auch hier bei uns, hier in Wiesloch im PZN, wurde ein Teil dieser furchtbaren Geschichte geschrieben", so Elkemann. In den Jahren 1933 bis 1945 seien in den Gemeinden und in Psychiatrischen Krankenhäusern systematisch Menschen ausgegrenzt und ihr Leben als wertlos bezeichnet worden. "Im PZN selbst wurden mehr als 2000 Erwachsene von Ärzten als nicht heilbar eingestuft. Die Anstalt in Wiesloch hatte sich zu einem Vernichtungslager entwickelt."
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Er verwies auf zwei "Stolpersteine" für ehemalige Patienten des PZN in der Wieslocher Innenstadt, ins Pflaster eingelassene Gedenktafeln. Zur Bedeutung des Gedenktags betonte er: "Nicht selten begleitet uns die trügerische Annahme, dieses menschenverachtende Unrecht könne sich unmöglich wiederholen."
Dominique Lafon sprach von einem "großen Moment der Emotionen". Bereits 1939 sei ein Programm gestartet worden, um erwachsene Insassen von psychiatrischen Kliniken, die damals als "Irrenanstalten" bezeichnet worden seien, zu töten. "Möge unser Herz für all diese Opfer weinen. Aber wir müssen zugleich wach und achtsam sein, damit sich dies nicht wiederholt."

Marius Lüdicke vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg gab eine Einführung in die anschließend eröffnete Ausstellung. Er hob die Zielsetzung hervor und verwies auf die Anliegen der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma. Die Dokumentation zeigt den langen Weg der Sinti und Roma im Kampf für eine gleichberechtigte Teilhabe.
Nach der Feier wurde zunächst am Mahnmal eine Gedenkminute für alle Opfer abgehalten. Im Festsaal bot das Torino-Reinhardt-Ensemble "Gipsy Jazz" für die Gäste – es waren leider nur etwa 60 Personen gekommen.