PZN Wiesloch

Land baut neues Gebäude für Maßregelvollzug

Das Sozialministerium investiert im Psychiatrischen Zentrum Wiesloch über 20 Millionen Euro. Die Fertigstellung ist für 2024 geplant.

29.04.2022 UPDATE: 30.04.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 42 Sekunden
Im Sicherheitsbereich des Maßregelvollzugs des PZN in Wiesloch entsteht derzeit ein Krankenhausneubau für 54 Plätze. Foto: Pfeifer

Von Timo Teufert

Wiesloch. Die Einrichtungen für den Maßregelvollzug in den Psychiatrischen Zentren im Land sind überbelegt. Deshalb soll für Suchtkranke das ehemalige Untersuchungsgefängnis "Fauler Pelz" in Heidelberg ertüchtigt werden und deshalb wird seit Anfang des Jahres im Sicherheitsbereich des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden (PZN) in Wiesloch mit Hochdruck gebaut: Dort entsteht ein Krankenhausneubau mit drei Etagen und einer Halle für die Bewegungstherapie, die 2024 fertig sein soll und dann mit 54 neuen Plätzen die zwei bisherigen Stationen im Sicherheitsbereich entlasten wird. Insgesamt investiert das zuständige baden-württembergische Sozialministerium in Wiesloch deutlich über 20 Millionen Euro.

"Seit geraumer Zeit, aber insbesondere seit 2019, verzeichnen wir einen Anstieg der Patientenzahlen", berichtet Doktor Christian Oberbauer, Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie und Mitglied der Geschäftsleitung des PZN. Deshalb wurden in Patientenzimmern Zusatzbetten aufgestellt, Besucher- und Therapiezimmer in Patientenzimmer umgewandelt und Ärzte-Büros in Container ausgelagert. "Wir haben jetzt etliche Vier-Bett-Zimmer. Und waren vor dem Anstieg eigentlich froh, dass wir sie fast abgeschafft hatten", berichtet Oberbauer.

Warum die Patientenzahlen seit 2019 bundesweit steigen, hat unterschiedliche Ursachen: "Zum einen gibt es einen allgemeinen Bevölkerungsanstieg und die Migrationsbewegungen der letzten Jahre, zum anderen wurden auch die Selbstbestimmungsrechte der Patienten durch oberste Gerichte gestärkt", erklärt Oberbauer. Dabei seien die Anforderungen für Möglichkeiten der Zwangsbehandlung hochgesetzt. Diese veränderten gesetzlichen Rahmenbedingungen seien richtig und wichtig, führten aber auch dazu, dass Menschen in eine Versorgungslücke fallen. "Patienten, die chronisch oder schwer erkrankt sind und eine stationäre Therapie und Medikamente ablehnen, sind nun schwerer zu erreichen und deshalb länger schwerer krank, was dann zu Straftaten führt", erklärt Oberbauer.

Insgesamt hat die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am PZN 280 Betten und umfasst neun Stationen, zwei davon befinden sich im Sicherheitsbereich. Außerdem gibt es im PZN vier geschlossene Stationen und zwei offene sowie eine durchgehend betreute Wohngruppe. In Wiesloch leiden dreiviertel aller Patienten unter schizophrenen Psychosen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Es gibt aber auch Patienten mit Störungen der Sexualorientierung oder mit Intelligenz- und Persönlichkeitsstörungen, während in Heidelberg suchtkranke Straftäter behandelt werden sollen.

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Um dem Anstieg und der dadurch verursachten Überbelegung Herr zu werden, entsteht nun der Neubau mit drei Stationen mit jeweils 18 Betten sowie eine Halle für die Bewegungstherapie. "Außerdem wird die Halle für die Arbeitstherapie renoviert und ein Gemeinschaftszentrum neu gebaut", so Oberbauer. Im Gemeinschaftszentrum sollen ein kleines Bistro entstehen, das die Patienten betreiben, ein offenes Atelier und eine Bibliothek. Die Einrichtung dient dazu, Patienten zu aktivieren, die Gemeinschaft zu fördern und den Tagesablauf im geschlossenen Bereich zu normalisieren.

Im sogenannten Krisenzentrum, in dem die Patienten am Anfang isoliert werden müssen, werden Medienwände in die Zimmer eingebaut. "Beim Aufenthalt dort kann der Tag schon ziemlich lang werden", sagt Oberbauer. Deshalb können die Patienten auf den Medienwänden zukünftig – ähnlich wie auf einem Smartphone – Spiele machen, ein Malprogramm nutzen oder Hintergrundbilder für das Zimmer einstellen.

Bereits im letzten Jahr starteten die umfangreichen Vorarbeiten für das Neubauvorhaben: So musste innerhalb des Sicherheitsbereiches ein Hochsicherheitszaun gebaut werden, um das Baufeld vom bisherigen Maßregelvollzug abzutrennen. Anschließend wurde die Mauer des Sicherheitsbereiches geöffnet und mit einem schweren Metalltor versehen. Im Januar haben dann die eigentlichen Arbeiten begonnen. "Wir sind im Zeitplan", freut sich Oberbauer. Er hofft, dass trotz Materialknappheit auf dem Bau und Personalmangel bei den Handwerkern das neue Gebäude 2024 eröffnet werden kann.

Derzeit wird auch die ehemalige Station 17, die in einem Altgebäude untergebracht war, das unter Denkmalschutz steht, hergerichtet. Dort soll eine offene Station entstehen, die Fertigstellung ist für Mitte des Jahres angepeilt. "Auch das wird zu einer Entlastung der anderen Stationen führen", sagt Oberbauer. Er ist froh, dass das PZN durch das zuständige Sozialministerium gut unterstützt wird und das Land viel Geld für die Sanierung der Bestandsgebäude und für Neubauten bereitgestellt hat. "Es ist wichtig für die Patienten, dass die Unterbringungssituation annehmbar ist", erklärt Oberbauer. Die Patienten müssten sich einlassen können. "Das fördert die Akzeptanz und Motivation für die Therapie und die Behandlung."

Sowohl die Corona-Pandemie als auch die Überbelegung hätten die Patienten beeinträchtigt. So waren die therapeutischen Gruppen und die stationsübergreifende Arbeitstherapie ausgesetzt. "Die Patienten mussten im Haus bleiben. Das waren schon verschärfte Bedingungen", sagt Oberbauer. Aber alle seien mit der Situation gut und adäquat umgegangen.

Update: Freitag, 6. Mai 2022, 20.30 Uhr

Hintergrund

> Im Maßregelvollzug werden psychisch kranke Patienten untergebracht, die wegen ihrer Erkrankung meist nicht oder nur teilweise schuldfähig für die Delikte sind, die zu einer Verurteilung geführt haben. Dreiviertel aller Patienten leidet unter schizophrenen Psychosen mit

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> Im Maßregelvollzug werden psychisch kranke Patienten untergebracht, die wegen ihrer Erkrankung meist nicht oder nur teilweise schuldfähig für die Delikte sind, die zu einer Verurteilung geführt haben. Dreiviertel aller Patienten leidet unter schizophrenen Psychosen mit Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Es gibt auch Patienten mit Störungen der Sexualorientierung oder mit Intelligenz- und Persönlichkeitsstörungen.

Die Unterbringung in der Klinik für Forensische Psychiatrie ist zeitlich unbefristet und unterscheidet sich dadurch zur Strafe. "Die Hürden, die für den Maßregelvollzug angelegt werden, sind deshalb sehr hoch", sagt Professor Christian Oberbauer. Nach den gesetzlichen Vorgaben soll die untergebrachte Person durch die Behandlung im Maßregelvollzug soweit geheilt oder ihr Zustand soweit verbessert werden, dass sie nicht mehr gefährlich ist und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft möglich ist.

Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liegt im PZN Wiesloch bei mehr als vier Jahren, im Bundesdurchschnitt bei über acht Jahren. Neun Prozent der Patienten lebt länger als zehn Jahre im Maßregelvollzug. Wiesloch ist zudem der Standort, bei dem besonders sicherungsbedürftige Männer aus Forensisch-Psychiatrischen Kliniken aus ganz Baden-Württemberg untergebracht werden. Entweder wegen besonders schwerer Taten, oder nach Übergriffen oder Fluchtversuchen. Neben dem PZN gibt es acht weitere forensische Kliniken in Baden-Württemberg, wobei der Standort in Wiesloch der größte ist. tt

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