40 Jahre Technik-Museum Sinsheim

Concorde war ein Traum, jetzt soll ein U-Boot her

Präsident Hermann Layher im RNZ-Interview über die Anfangszeit, Meilensteine und "Neuzugänge".

22.11.2021 UPDATE: 23.11.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Faszinierend: Die Königin der Lüfte, die Concorde, kann man im Technikmuseum hautnah erleben. Fotos: Technikmuseum

Von Simon Michaelis

Sinsheim. Aus dem Fenster seines Büros blickt Hermann Layher, Präsident des Technikmuseums Sinsheim, direkt auf eine spektakuläre Flugzeug-Flotte. An der Wand hängen Dutzende Erinnerungsstücke an 40 Jahre Technikmuseum und ein Leben für historische Fahrzeuge. Die RNZ hat mit ihm gesprochen.

Ein ziemlich einzigartiger Ausblick, Herr Layher. Was stand denn hier auf dem Gelände, bevor das Museum vor 40 Jahren gebaut wurde?

Hier war vorher eine wunderschöne, sumpfige, grüne Wiese, die der örtliche Bauer gemäht und damit seine Kühe gefüttert hat, sehr romantisch. Bevor das Museum gebaut wurde, haben wir 1980 einen gemeinnützigen Verein gegründet. Die Idee entstand am Stammtisch in der Villa Waldeck in Eppingen. Alles fing als Schraubergemeinschaft an, ein paar Freunde, Oldtimer-Enthusiasten, Hobby-Restauratoren und Sammler. Jeder hatte Material, aber keinen Platz dafür. Ich steckte damals noch in meinem Ingenieur-Studium und übernahm nach kurzer Zeit den Posten des Direktors. Eigentlich nur übergangsweise, dachte ich. Das dauerte dann aber gut 30 Jahre. Und dann wurde ich Präsident.

Museums-Präsident Hermann Layher. Foto: Arturo Rivas

Haben Sie damals mit einer solchen Entwicklung gerechnet?

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Das war so nicht absehbar. Zu unserem 40. Geburtstag hielt ich selbst mal inne und blickte zurück. Wenn ich mir anschaue, wie groß wir geworden sind, ist das fast schon ein bisschen erschreckend.

Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Vor allem durch unsere Mitglieder. Ihnen gehören fast 90 Prozent unserer Exponate, fast alle fahrbereit. Autos, die nicht gefahren werden, sind für mich Wohlstandsmüll. Wir haben Motorradsammler, Autosammler, Rennwagensammler, andere haben sich auf Traktoren, Lkw oder Militärfahrzeuge spezialisiert. Diese Vielfalt macht uns aus. Schon ein Jahr nach der Eröffnung hatten wir zwei völlig unterschiedliche Ausstellungsstücke: das einst schnellste Landfahrzeug der Welt, "The Blue Flame", und die riesige Mortier-Tanzorgel. Anfangs wurden uns Dampfloks zu Schrottpreisen angeboten.

Also habe ich unsere Mitglieder abgeklappert und sagte: Kauf Dir doch eine Lokomotive, ist doch schöner als ein Goldbarren im Tresor. Einer fing damit an und andere zogen nach. Irgendwann ging es dann mit den Flugzeugen los. Uns wurde eine Junkers Ju 52 und eine Douglas DC-3 angeboten, so haben wir uns immer weiter entwickelt. Mittlerweile haben wir 3500 Mitglieder und insgesamt mehr als eine Million Besucher pro Jahr.

Seit 2019 ist die 3000 Quadratmeter große „Halle 3“ zugänglich. Foto: Technikmuseum

Wie sehen Sie die Bedeutung des Museums für die Region?

Wir haben ein weltweit einmaliges Konzept, zeigen die größte private Techniksammlung Europas. Es wird international sehr darauf geachtet, was wir hier so treiben. In der Metropolregion Rhein-Neckar sind wir natürlich sehr bedeutend, aber: Die Welt ist unser Anspruch. Und darüber hinaus die Raumfahrt.

Was waren für Sie die Meilensteine der Museumsgeschichte?

Die Eröffnung unseres zweiten Standorts in Speyer vor 30 Jahren gehört sicher dazu. Und die Boeing 747 dort. Allein durch den spektakulären Transport bekamen wir damals unheimlich viel Aufmerksamkeit. Die Concorde in Sinsheim war für uns die Erfüllung eines Traums. Wir trugen unser Anliegen jahrelang bei der Air France vor, zeigten unsere Flugzeuge und Großtransporte, die wir gestemmt hatten und die Franzosen sahen, dass wir das können. Im Mai 2003 bekamen wir dann den Zuschlag für einen symbolischen Euro. Und das, obwohl Richard Branson und Bernie Ecclestone sie auch haben wollten.

Und jetzt schwebt sie über Ihrem Dach. Wie kamen Sie eigentlich darauf, die Flugzeuge auf Stützen zu installieren?

So ein Flugzeug nimmt auf dem Boden einfach sehr viel Platz weg. Und stellen Sie sich mal vor, ein Lkw fährt gegen einen Flügel... Also fingen wir an, die Flieger hochzustellen. Da konnte ich mich als Diplom-Ingenieur richtig ausleben. Es erforderte natürlich eine lange Planung und die Einbeziehung eines Statikers, der übrigens auch Mitglied ist. Wir stehen heute noch vor der Concorde und sagen uns: Das ist ein Wunder.

Woher kommt Ihre Faszination für Technik?

Ein Verbrennungsmotor war für mich schon als Kind ein technisches Wunder. Mein Vater packte Holzklötzchen auf die Pedale, damit ich früh Auto fahren konnte. Er hat mich für Technik begeistert, mit 16 schenkte er mir einen Lanz-Bulldog, den habe ich heute noch. Genauso wie mein erstes Auto, einen Mercedes Ponton Diesel, Baujahr 1959. In den Schulferien durfte ich in der elterlichen Firma in den unterschiedlichen Abteilungen arbeiten, und durch meine Technikaffinität lag auch das Ingenieur-Studium nahe.

Und dann wurden Sie Museumsdirektor. Hatten Sie keine anderen Pläne?

Die Pläne für meinen Lebensweg wurden ohne mich gemacht. Für meinen Vater war klar: Der Bub steht auf Technik, also wird er Ingenieur. Und dann Produktionsleiter in der Firma. Also wusste ich schon als 13-Jähriger wie mein Leben aussieht – eher fad. Gott sei Dank kam es anders. Das Museum war für mich die einzige Chance, aus einem vorbestimmten Leben auszubrechen. Was folgte, waren viele sehr glückliche Jahre mit meinem Vater, der seine ganze Erfahrung hier einbrachte. Aber das Museum ist keine Familiensaga. Ich habe eine leibliche und eine ziemlich große Museumsfamilie, unsere Mitglieder und Fans.

Auch Sportwagen, wie dieser Ferrari, ziehen im Technikmuseum die Blicke auf sich. Foto: Technikmuseum

Die Museen finanzieren sich nur durch Eintrittsgelder, Mitgliedsbeiträge und Spenden. Wie haben Sie die Pandemie verkraftet?

Wir hatten lange geschlossen. Pro Standort kommen ja jährlich 650.000 Besucher zu uns. Und plötzlich waren es null. Wir müssen einiges nachfinanzieren, das ist schon beschwerlich. Es war eine sehr schwierige Zeit. Gott sei Dank hatten wir im Museum einen sehr starken Sommer und erholen uns, aber wir brauchen auch noch einige Besucher im Winter. Wir müssen einen U-Boot-Transport finanzieren.

Ein U-Boot?

Unser nächstes Großprojekt. Es gibt noch ein paar Probleme, die wir lösen müssen, aber die Route von Kiel aus steht schon. Sie führt unter anderem mitten durch den Sinsheimer Ortsteil Hilsbach. Das U-Boot ist höher als die Häuser dort, das wird schön.

Gibt es sonst noch ein Objekt, das Sie unbedingt nach Sinsheim holen wollen?

Man ist immer an verschiedenen Dingen dran. Der Airbus A 380 beispielsweise soll ja stillgelegt werden. Unser Transporteur hat schon mal ein paar Rhein-Brücken vermessen.

Was denken Sie, wird in 50 Jahren aus unserer heutigen Zeit hier im Museum ausgestellt sein?

Oldtimer wachsen nach, es gibt ja schon Youngtimer, die in deren Fußstapfen treten. Die ersten Elektro-Autos werden Hingucker sein und die Uraltautos irgendwann ersetzen. Unsere Mitglieder werden sicher auch in ferner Zukunft noch Fahrzeuge in unsere Museen bringen. Hoffentlich können wir im Betrieb mit Biosprit bleiben. Ich bin in 50 Jahren im Himmel. Aber wenn hier unten irgendwo ein bisschen Benzin verdunstet, werde ich schnüffeln.

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