Die Technik-Museen feiern Geburtstag
Allerdings finden die Feierlichkeiten unter erschwerten Bedingungen statt.

Von Tim Kegel
Sinsheim/Speyer. Technik "von Unterwasser bis ins Weltall" – das kann auch Google. Was Google nie können wird, daran arbeiten sie jetzt seit 40 Jahren. Und inzwischen sind sie darin führend. Die Dichte, die Nähe, die ungestüme Fröhlichkeit, mit der die Technikmuseen Sinsheim und Speyer alle Sparten abdecken – sie sind das nackte Gegenteil des Virtuellen.
Das liegt nicht nur an den Überschallflugzeugen auf den Hallendächern, dem sowjetischen Buran-Spaceshuttle oder dem "Blue Flame"-Raketenfahrzeug. Nicht nur ist hier viel Brachiales ausgestellt – der Lancia Stratos Werkswagen, der beflügelte Vector W8 aus den Achtzigern, der Tyrrell Six Wheeler von Jody Scheckter aus der Formel 1 – vieles wird auch brachial ausgestellt: Ein blaues Meer aus Vorkriegs-Bugatti Typ 35, Supercars im Dutzend, 60 Flugzeuge und Hubschrauber, viele sind Ikonen ihrer Art; Kuratoren können hier aus dem Vollen schöpfen.
Und auch die Art, wie Museums-Präsident Hermann Layher erzählt, Ideen und Legenden um seine Ausstellungsstücke – und jene hunderter privater Sammler – zur Welt bringt, trägt durch Layhers Hang für Brachiales zum Erfolg bei. Mit dem frisch erworbenen Stratos sei er einst nachts "zur Disco gefahren, bei Schnee", sagt er und imitiert das nasale "Hoaaoo-hoaaoo-hoaoo" des Sechszylinders und dass man mit so einem "ganz rallig aufs Fahren werden" könne.
Appetit auf was ganz anderes machte man jetzt: An die Schnauze des "Brutus" gelehnt, wurde eine Edition mit wirklich nicht brachialem Geburtstags-Bier und -Wein vorgestellt. Das Helle mit einem Hopfen vom Bodensee stammt aus Michael Macks "Heidelberger Braukunst" und steht für 40 Jahre Museum Sinsheim; die tintige Rotweincuvée hat das Weingut Leonhard gekeltert, der knackige Weißburgunder stammt von Klaus und Mathias Wolf, ebenfalls aus der Südpfalz und für 30 Jahre Speyerer Museum stehend. Mack hatte zuvor das Festbier der Sinsheimer Landesheimattage gebraut, der Sinsheimer ist Mitglied im Museumsverein; die drei Winzer waren immer wieder Gäste in Speyer und mit dem Museum befreundet. Alle vier sind Technikbegeisterte, hieß es. Und in der Corona-Krise sitze man ohnehin im selben Gefährt.
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"Einfach – das kann doch jeder", kommentiert Matthias Templin die Lage; als Geschäftsführer der Museen und deren Messen-Ableger mit Sitz in Speyer hatte er kurz vor Beginn der Krise den Dienst angetreten. Und sich mit Layher und dessen Familie vor allem noch mehr Storytelling, professionelle Präsentationen und neue Zukunftsperspektiven – auch via digitaler Zusatzangebote – vorgenommen. Eine Sonderschau zum "Mythos Alfa Romeo" in der neuen Sinsheimer Halle 3 konnte noch stattfinden, inklusive krönendem Sterne-Dinner mit Harald Wohlfahrt im März 2020, kurz vor dem Untergang der Heimattage. Gerade wartet auf neuen 3000 Quadratmetern mit der "Red Bull World of Racing" eine Roadshow auf Gäste, die es in sich hat, mit Geräten von Vettels Formel 1-Auto über MotoGP-Maschinen, bis hin zum Truck der Dakar-Rallye und zum Rennflugzeug Zivco Edge. Alles in einer Nähe und mit einem Rundumblick, die kein Internet je zustande bringt. Boliden auf weißen Kieselsteinen sind in Sinsheim endgültig passé – in der Halle 3 stehen sie auf Podesten im Aluminium-Ton namensgebender Energydrink-Dosen. Etliche neue Displays wurden in der Lockdown-Zeit gebaut: Der "Brutus" mit seinem 47-Liter-Flugmotor darf vor flammenden Wandtattoos im Licht der Spots neu wirken. Eine jüngere Klientel, begeistert von Technik und Abenteuer, will man erreichen, die "Coolness", die man hier vom Keller bis zum Speicher findet, noch stärker hervorheben. Ein junges Team spricht hierzu noch stärker als früher mit.
Doch auch ohne Schmiermittel- und Benzingeruch geht’s zu Not mal ein paar Wochen. Dann hilft brachiales Storytelling: Im Video ist Motorradtrial-Fahrer Adrian Guggemos zu sehen, wie er seine Maschine flink durch die Hallen zirkelt, mit ihr Treppen, einen Fahrstuhl und schließlich das Podest erklimmt, auf dem er das Bike abstellt und zu einer Bar geht. Dort sitzt Layher: "Liebe Fans, Ihr werdet Euer Futter kriegen", sagt der mit Verweis auf eine Wiedereröffnung.
Wann die sein wird? Gerade mal 18 Tage hatte das Museum in Sinsheim in diesem Jahr offen, zwei Drittel der Belegschaft sind in Kurzarbeit; im vergangenen Jahr hatte der Lockdown ausgerechnet am Museums-Geburtstag, dem 39. am 6. Mai geendet, das Museum hatte wieder öffnen dürfen. Layher und Templin hoffen, "dass sich Geschichte wiederholt". Das Hygienekonzept in den Hallen habe tadellos funktioniert, die Besucher seien "sehr eigenverantwortlich" damit umgegangen, so die Erfahrung. Eine Eröffnung der Ausstellung im Juni halten sie für realistisch.
Info: Mehr gibt es unter https://sinsheim.technik-museum.de