Simon Pflästerer will den Neuanfang "jenseits festgefahrener Interessen"
Kandidat Simon Pflästerer im Interview - Er fordert ein urbanes Zentrum am Hammelsbrunnen und eine sparsamere Haushaltsführung

Simon Pflästerer auf der
Windeck. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. "Wir brauchen keinen weiteren Verwaltungsfachmann in Weinheim", sagt OB-Kandidat Simon Pflästerer (34). Der Anwalt scheut im RNZ-Interview nicht vor deutlichen Ansagen zurück: So erklärt er, warum die Weinheimer mit ihren Ressourcen auskommen müssen und weshalb Gewerbegebiete keine Allheilmittel seien. Er sagt aber auch, warum die Stadt sich oft unter Wert verkauft.
"Ich denke Weinheim", rufen Sie den Wählern zu. Wie kamen Sie darauf?
Ich komme aus Weinheim und ich will für diese Stadt und ihre Bürger Politik machen. Auch sonst spielt in allem, was ich tue, Weinheim eine Rolle. Es ist einfach so, ich bin ein kleiner Teil von Weinheim, aber Weinheim ist ein sehr großer Teil von mir. Daher ist dieser Slogan treffend und passt gut zu mir.
In der Gewerbe-Frage bekennen Sie sich zum Standort Hammelsbrunnen ...
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...nein, ich ziehe den Hammelsbrunnen den Breitwiesen vor, da ich mich moralisch an den Bürgerentscheid von 2013 gebunden fühle. Wenn Sie nach meinem Lieblingsstandort fragen, wäre es das Tiefgewann.
Das gilt als schwierig, wegen des Hochwasserschutzes. Am Hammelsbrunnen gibt es das Gesundheitszentrum.
Es kommt ja darauf an, welche Art von Gewerbe man möchte. Weinheim ist zu einer Wohnstadt geworden, andererseits fehlt digitales Gewerbe, von dem in Heidelberg und Darmstadt viel mehr vorhanden ist. Gerade Heidelberg setzt exzessiv auf Urbanität und Digitalisierung. Wir müssen ausnutzen, dass wir auf der Schiene zwischen den beiden Unistädten liegen. Mein städtebaulicher Masterplan sieht daher ein urbanes Gebiet am westlichen Stadtrand vor - mit dem Gesundheitszentrum als Mittelpunkt. Dabei will ich die alte B38 - also die Mannheimer Straße - vom Verkehr entlasten. Dafür soll die neue B38 verstärkt den Verkehr in Richtung Innen- und Südstadt aufnehmen.
Hier rollt der Verkehr gen Odenwald.
Aber die neue B38 und die Westtangente waren auch mal als Zufahrten in die Stadt vorgesehen, werden aber zu wenig genutzt. Meine Vision ist, die Tangente als eine Art mittleren Weinheimer Verkehrsring auszubauen - und die heute beampelten Kreuzungen an der Automeile und am Multzentrum durch Kreisverkehre zu ersetzen. Natürlich muss das alles geprüft werden. Aber zunächst muss man Visionen haben - und einen realistischen Zeitrahmen. Ich habe eine Zeitspanne von 16 Jahren gewählt.
Eine andere Idee ist der Autobahnanschluss Weinheim-Süd.
Ein solcher Anschluss würde vor allem den Hirschbergern helfen. Weinheim hätte den Zubringer-Verkehr dann wohl im Bereich Waid oder rund um die Sportanlagen in der Weststadt. Außerdem kann ich mir kaum vorstellen, dass der Bund auf einem wenige Kilometer langen Autobahnabschnitt drei Anschlussstellen genehmigt.
Aber auch Ihre Pläne kosten Geld.
Wir brauchen eine intelligente Finanzpolitik. Sie müssen sehen, dass zu den rund 34 Millionen Euro Schulden der Stadt noch die Verschuldung der städtischen Eigenbetriebe kommt - und die kreditähnlichen Rechtsgeschäfte. Damit sind wir bei 90 Millionen Euro. Gewerbeflächen sind kein Allheilmittel. Schon in einen kleinen Standort wie das Gebiet Langmaasweg müssen wir vorab rund zehn Millionen Euro stecken. Wenn pro Hektar 130.000 Euro Gewerbesteuer im Jahr fließen, wäre das Gebiet erst nach acht Jahren refinanziert. Wenn wir aber bei 530 Vollzeitstellen zwei Prozent im Jahr sparen - über Eintritte ins Rentenalter und Digitalisierung - haben wir eine echte Strukturverbesserung.
OB Bernhard sagt, es wäre eine Chance gewesen, die Pestalozzischule zur gebundenen Ganztagsschule zu machen. Dann hätte das Land die Kinderbetreuung gezahlt. Sie aber waren dagegen.
Da schlägt mein konservatives Herz durch. Ich kann Eltern verstehen, die sich keinem Zwang beugen wollen. Als es 2016 um den gebundenen Ganztag ging, war der Haushalt auch nicht das Hauptargument.
Ein anderes Argument ist, dass die Verwaltungsarbeit - etwa in der Stadtplanung - von wenigen Mitarbeitern erledigt wird. Die vielen Stellen seien ein Resultat von mehr und mehr kommunalen Erziehungs- und Betreuungsaufgaben.
Es gibt aber nicht nur die Bereiche, die Sie jetzt nennen. Andere Abteilungen gehen nicht so sehr ans Limit wie Stadtplanung und Bauhof. Ziel muss sein, dass auch die Mitarbeiter selbst Ideen haben, wie man die Effizienz steigern könnte. Aber das wird zur Zeit wenig gewürdigt. Im Gegenteil, oft wird das abgebügelt. Die Stadt braucht Arbeitskonzepte, die das große Ganze im Blick haben - und die die Mitarbeiter befähigen, mehr zu leisten.
Was haben Sie gegen die Unechte Teilortswahl?
Die Ortsteile sollten über die Mittel frei verfügen können, die man mit der Abschaffung dieses anachronistischen Sonderwahlrechts gewinnt. Dies würde dazu führen, dass wir ein Weinheimer Gemeinschaftsgefühl bekommen. Ich finde es falsch, zu behaupten, dass es umgekehrt klappt. Wir sind Weinheim und in der Vielfalt sind wir stark! Weinheim hat in den Ortsteilen Schätze, die wir heben müssten. Deshalb sehe ich das Tourismusmarketing bei der Stadt falsch angesiedelt.
Wollen Sie eine Marketing-GmbH?
Sehen Sie: Heute haben wir unter anderem den Gewerbeverein, das Lebendige Weinheim, die IG Marktplatz, den Heimat- und Kerweverein Alt-Weinheim oder den Heimat- und Verkehrsverein Lützelsachsen. Jeder kümmert sich um etwas. Wir sollten es schaffen, Aktivitäten zu bündeln und zu bewerben. Das würde Mehrwert schaffen, den Hotels weiterhelfen.
Die Hoteliers stünden schon Buchungsportalen wenig aufgeschlossen gegenüber, hieß es zuletzt.
Das stimmt so nicht, beziehungsweise es hat seine Gründe. Und genau das bemängele ich: Dass man sich nicht hinsetzt und mit den Leuten redet, ehe man Tatsachen schafft. Ich bin zwar erst 34, hatte aber schon etliche Ehrenämter inne. Dabei muss man ehrlich miteinander umgehen. Das ist eine Frage der Wertschätzung und des Willens, konzeptionell zu arbeiten.
Sie haben als Erster kandidiert. Dann wurden Sie vom Just-Zug überrollt.
Ich fühle mich weder überrollt noch frustriert. Auch ich habe mit einigen der "Just-Fraktionen" Gespräche geführt, etwa mit der FDP. Am Ende hieß es, man habe sich für Just entschieden - wegen der Verwaltungs-Kompetenz. Man muss als OB aber nicht nur verwalten, sondern man muss gerade auch Ideen haben. Deshalb gehe ich davon aus, dass es einen zweiten Wahlgang gibt und meine Chancen gut stehen.
Just will die Bürgerbeteiligung neu aufstellen, was setzen Sie dagegen?
Wir brauchen ein Bürgerforum, das sich jedes Jahr im September über fünf Tage verteilt trifft. Hier können Bürger Ideen und Kritik einbringen - ehe es direkt in die Haushaltsberatungen gehen würde. Dann müssen die Leute nicht im Nachhinein BIs oder IGs gründen. Der Streit um die "Hintere Mult" ist ein Beispiel dafür, wie es nicht laufen sollte. Anstatt einen Kompromiss zwischen Gewerbe und Landwirten anzustreben, hat der OB alles auf eine Seite verschoben.
Sie gelten als Befürworter einer Wohnungsbaugesellschaft. Warum?
Ich sehe doch, dass dieses Modell in Mannheim, Schwäbisch Hall und Wiesloch funktioniert. Eine GmbH kann Gewinne machen und reinvestieren - und der Vernachlässigung bestimmter Gebiete entgegenwirken. Darüber hinaus könnte man die Kirchen oder den Kreis aufnehmen, als Gesellschafter. Und mit einer Wohnungsbaugesellschaft müsste man nicht das Tafelsilber - etwa die Allmendäcker - an fremde Bauträger verkaufen.
Warum sollen die Bürger genau Sie wählen?
Ich will für uns, als Weinheimerinnen und Weinheimer, einen echten Neuanfang, jenseits von festgefahrenen Parteiinteressen und jenseits von sonstig gearteten Vorstellungen, ich will ein OB aller Weinheimer sein und bitte daher um das Vertrauen und die Stimmen der Bürger.



