Stella Kirgiane-Efremidou steht für eine "andere Beteiligungskultur"
Interview mit der OB-Kandidatin zu Weinheims Themen - Sie sprach auch über Führung und Verantwortung

Stella Kirgiane-Efremidou in ihrem Restaurant. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. Ein neuer Politikstil und mehr Berücksichtigung sozialer Themen: Dafür hat sich Stella Kirgiane-Efremidou (52, SPD) schon als Stadträtin eingesetzt - und dieses Engagement würde sie von August an als OB fortsetzen. Wie sie dabei mit der Auswahl von Gewerbeflächen, fehlenden Wohnungen oder problematischen Gesprächspartnern umgeht, hat sie der RNZ gesagt.
"Für die Menschen. Für Weinheim" lautet ihr Wahlkampfmotto. Warum haben sie es menscheln lassen?
Wir haben im Team lange überlegt, und es war schnell klar: Es muss ein Motto sein, das zu mir passt. In meinem ehrenamtlichen Engagement, in meinem Betrieb, in der Politik habe ich immer mit Menschen gearbeitet. Und hierin sehe ich das zentrale Aufgabengebiet einer Oberbürgermeisterin.
Andere Bewerber haben sich ebenfalls zu mehr Bürgerbeteiligung bekannt. Wo liegen die Unterschiede?
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Ich setze mich auch als Stadträtin für eine andere Beteiligungskultur und -struktur ein. Diese muss zum Beispiel schon bei der Aufstellung der Haushalte ansetzen. Das Thema zieht sich wie ein roter Faden durch mein Programm.
Ein kontroverser Bereich ist die Ausweisung von Gewerbeflächen. Sie haben klar gesagt, dass man über die Breitwiesen reden muss. War das klug?
Ich möchte nichts ausschließen, was noch wichtig für Weinheim werden könnte. Wenn es mit dem Tiefgewann nicht klappt, brauchen wir noch eine gewisse Masse an freien Flächen, die wir anbieten können, um als Stadt zukunftssicher zu sein. Von einem strikten Tabu höre ich bei den meisten anderen Bewerbern auch nichts mehr. Natürlich ist der Bürgerentscheid von 2013 zu respektieren (der seit 2016 aber keine Bindungskraft mehr hat, Anm. d. Red.). Im Vorfeld des Entscheids ist aber vieles schiefgelaufen. Es gab keinen Plan, keinen Ansatz, keine echten Kriterien. Jetzt haben wir einen Kriterienkatalog, mit dem wir arbeiten. Nun können wir es schaffen, im Einklang mit Bürgern und Landwirten voranzukommen. Wichtig wird sein, bei jeder anstehenden Entscheidung rechtzeitig mit den Betroffenen in Kontakt zu treten.
War es nicht gerade deshalb zu früh, sich schon jetzt auf Gewerbe in der "Hinteren Mult" festzulegen?
Wir stecken in der Zwickmühle. Wir haben in dem angrenzenden Gewerbegebiet eine Firma, die sich erweitern will - und an der Arbeitsplätze und andere Firmen hängen. Es ging also nicht darum, Firmen von außerhalb Angebote zu machen. Für mich war diese Entscheidung nicht einfach. Deshalb habe ich mir den Betrieb angesehen. Jetzt wird es darum gehen, auf welche Weise der Bereich erschlossen wird und wie man einen Ausgleich mit den Landwirten herstellen kann.
Dass das geplante Hearing mit den Anliegern konstruktiv abläuft, ist fraglich.
Sehen Sie, auch darum geht es im Amt eines OBs: sich auch mal emotional zurückzunehmen - und dann Lösungen zu suchen. Das ist mein Stil, den man bei Frauen übrigens öfter beobachten kann.
Fehlt der heutigen Stadtspitze so etwas?
Das würde ich so nicht sagen. Jeder hat seinen Stil. Und es fällt nicht immer leicht, die Ruhe zu bewahren. Ich persönlich habe mir einen Führungsstil angeeignet, der sich durch Gelassenheit auszeichnet. Man muss seinem Gegenüber auch am nächsten Tag in die Augen schauen können. Ich komme aus dem Dienstleistungssektor. Dort darf man die eigenen Bedürfnisse nicht zu sehr in den Vordergrund stellen.
Sie haben sich bei der Kinder-Betreuung für eine Gebührenordnung eingesetzt, die sich am Verdienst der Eltern orientiert, nicht an der Geschwister-Zahl. Vergeblich. Warum glauben Sie, dass Sie es als OB schaffen?
Wir sind mit diesem Konzept gescheitert, weil die Stadtspitze den Verwaltungsaufwand als zu hoch bewertet hat. Ich weiß aber aus anderen Kommunen, dass sich dieser Aufwand rechnet - gerade dort, wo viele Gutverdiener leben, etwa in Heidelberg. Außerdem entspricht diese Herangehensweise dem Solidarprinzip. Wenn eine OB vorne sitzt, die das ernsthaft durchrechnen lässt, geht das Gremium mit.
Ein weiterer Ansatz, den der Amtsinhaber abgelehnt hat, war die Einführung einer Wohnungsbaugesellschaft, um dringend benötigte Wohnungen zu schaffen. Warum sehen Sie das anders?
Das städtische Immobilien-Management arbeitet jetzt schon an der Belastungsgrenze. Die Stadt kann das auch packen, klar. Aber mit sehr viel Aufwand. Ich sehe eher einen Zusammenschluss von städtischer Verwaltungskompetenz mit Fachfirmen und Genossenschaften, mit dem Ziel, Wohnraum in allen Nuancen zur Verfügung zu stellen. Auch in weniger preiswerten, damit sich das rechnet. Dies wäre ein Impuls, um aus dem Kokon herauszukommen, in dem wir uns befinden. Und es gibt viele Kommunen, die gut mit Wohnungsbaugesellschaften arbeiten. Auch hier gilt: Es muss geprüft werden, und wir müssen die richtigen Partner finden.
Sie sind viel unterwegs. Wie reagieren die Leute auf das Thema Flüchtlinge und die Unterbringungen, über die Sie als Stadträtin mitentschieden haben?
Es gibt immer noch einige, die damit hadern und uns Stadträte verantwortlich machen. Entscheidend aber ist, dass die Integration gelingt - das ist auch das Ziel unseres dezentralen Konzepts. Die Stadt muss ihre Zusammenarbeit mit dem Ehrenamt neu ausrichten. Als OB würde ich mir die Aufgabengebiete anschauen und in Absprache mit den städtischen Fachbereichen ein Konzept erarbeiten.
Ist es nicht ein Nachteil, als Co-Fraktionschefin auch unpopuläre Entscheidungen mitgetragen zu haben?
Verantwortung übernehmen, heißt nun mal, Entscheidungen zu treffen - auch wenn sie nicht jedem gefallen. Ich habe mich aber schon oft für Bürger eingesetzt und keine Mehrheit erhalten. Nehmen Sie den abgelegenen Unterbringungsstandort Ortsstraße Süd in Steinklingen. Auf meine Einwände bezüglich der schlechten Erreichbarkeit erwiderte man nichts - außer dass die Betroffenen schon nach Deutschland laufen konnten. Auch für die Baustraße für das Neubaugebiet Allmendäcker habe ich mich eingesetzt. Verwaltung und Ratsmehrheit hatten dafür kein Verständnis. Ich finde, dass die Entscheidung, die wir jetzt haben, eine falsche ist.
Auch die GAL muss für Sie eine Enttäuschung gewesen sein. Eine progressive Kraft, die nun mit dem bürgerlichen Manuel Just kooperiert. Oder war das absehbar?
Sie sagen es. Das war angesichts der Lage im Land nicht überraschend. Ich sehe die Grünen aber nicht so weit in der bürgerlichen Mitte wie deren eigene Spitze. Das habe ich von Mitgliedern gesagt bekommen. Überhaupt ist dies eine Persönlichkeitswahl. Die Wähler lassen sich nichts vorschreiben, das zeigten schon die Beispiele Bernhard und Kleefoot (OB-Amtsinhaber und Vorgänger, Anm. d. Red.).
Sie betonen, dass Sie Ihr Programm mit den Bürger erarbeitet haben. Wo genau?
Es ging immer wieder um den Verkehr: um Raserei, wildes Parken, Überlastung durch ruhenden Verkehr. Dem habe ich einen Schwerpunkt gewidmet. Zudem treiben die Themen Wohnraum und Barrierefreiheit - die ich zum Teil in einem Kontext sehe - auch viele um, die schon Eigentum haben. Die Leute wollen in ihrem Umfeld lange wohnen bleiben. Hierfür will ich verstärkt Beratungsangebote schaffen. Ein erster Schritt wäre, Anlässe wie den Neujahrsempfang nicht mehr im schwer zugänglichen Ratsaal ohne Stühle abzuhalten. Der Anlass an sich ist ja positiv. Es ist kein alter Zopf, den ich abschneide - aber neu flechte. Außerdem gibt es viele kleine Punkte, wie Sauberkeit, Sicherheit und mehr Blumen.
Können Sie in einem Satz sagen, warum sie die nächste Oberbürgermeisterin sein sollten?
Ich wäre eine Oberbürgermeisterin, die versuchen würde, die Stadt kunden- und bürgerorientiert zu gestalten - dies ist der Gedanke, den ich aufgreife, als jemand, der aus der Dienstleistungsbranche und dem Ehrenamt kommt, nicht aus der Verwaltung.



