"Kabarett zu Wahlkampfveranstaltung degradiert"
Simon Pflästerer schenkt Kabarettisten Zwirns-Wurst und wirft ihnen Einseitigkeit vor - Franz Kain weist das zurück

Kabarettist Franz Kain hat die zwei Paar Zwirns-Wurst noch nicht gegessen, die ihm am Sonntagabend von Simon Pflästerer überreicht worden sind. Foto: Kreutzer
Von Philipp Weber
Weinheim. Das Publikum in der "Alten Druckerei" staunte nicht schlecht: Die Spitzklicker hatten am Sonntagabend gerade ihr Programm "Licht aus, Spott an" beendet. Da trat ein junger Mann vor die Bühne: Simon Pflästerer (34). Der OB-Kandidat überreichte den drei Mitgliedern des Kabarett-Ensembles je zwei Paar Zwirns-Wurst. Dem Pianisten warf er diese elegant zu.
"Einige Leute schienen zu denken, dass dies noch zum Programm gehört", erinnert er sich an die Situation. Es sei heftiger Applaus aufgebrandet: "Die Spitzklicker waren sprachlos." Erst später sei Franz Kain, der Kopf des Ensembles, auf die Bühne zurückgekehrt, um einige Takte dazu zu sagen.
Was ihn in die "Alte Druckerei" getrieben hat, stellte der unabhängige Kandidat und Stadtrat der Weinheimer Liste am Montag dar: "Ich bin wieder und wieder auf das Programm angesprochen worden. Die Leute wollten wissen, wie ich dazu stehe, dass ich darin sehr hart angegangen werde." So hätten er und sein Fraktionschef Michael Lehner Karten besorgt.
Pflästerer geht nun dialektisch vor: Einerseits müsse politisches Kabarett eine Spur Härte aufweisen, setzt er an. Überhaupt brauche man als Person, die im öffentlichen Leben steht, ein dickes Fell - zumal als OB-Kandidat. Doch dann kommt das große Aber: "Wenn eine Kabarett- zu einer Wahlkampfveranstaltung degradiert und für alle merklich und nachvollziehbar Parteilichkeit zur Schau gestellt wird, weil einzelne Bewerber - und noch inakzeptabler deren gesamte Familie - nur schlecht geredet werden und nur ein Bewerber in den Himmel gelobt wird, dann muss man sich fragen, ob das noch Kabarett ist."
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Er könne nicht nachvollziehen, warum seine frühere privatwirtschaftliche Tätigkeit im Drei-Glocken-Center zum Gegenstand des Programms wurde, legte er im RNZ-Gespräch nach. Dasselbe gelte für seine Arbeit im Familienbetrieb: "Das ist auch für meinen früheren Arbeitgeber bedenklich." Aber auch Teile der politischen Inhalte stören ihn: "Die Kandidaten Carsten Labudda und Stella Kirgiane-Efremidou haben höchstens zwei Sprüche abbekommen. Ich wurde bestimmt 15 Mal genannt, wobei mir die Eignung für das Amt des OBs abgesprochen wurde", spielt er auf einen "Gag" der Spitzklicker an: Die hätten sich gewundert, ob ein "Strih, strah, stroh"-singender Dreizackträger das Zeug zum Stadtoberhaupt hat.

Simon Pflästerer
Manuel Just sei dagegen mit einem Erfolgstrainer verglichen worden, für den Weinheim eigentlich eine Ablöse nach Hirschberg überweisen müsse. Pflästerer dazu: "Vielleicht ist es hilfreich, zu verstehen, dass Kain mit seiner Werbeagentur in Kooperation den Wahlkampf von Just managt. Da fällt einem der Spruch ein: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing’".
Franz Kain weist diesen Vorwurf zurück: "Ich habe längst keine Werbeagentur mehr." Der Auftrag für die Just-Kampagne sei komplett vergeben: an das Unternehmen des Weinheimers Bernhard Kück. Kain kennt die Materie: "So eine Kampagne ist ein Riesen-Aufwand", erinnert er sich an das Jahr 2002. Seine damalige Werbeagentur hatte die Betreuung von Heiner Bernhard übernommen. Sie verhalf dem als spröde geltenden Sozialdemokraten zum Sieg gegen den scheinbar eloquenteren Stefan Dallinger (CDU). Doch warum sind Kain und Just dann zusammen gesehen worden - noch dazu mit Kamera-Ausrüstung?
Ein Geschäftspartner und er seien gefragt worden, ob sie Kurzfilme für Justs Webseite produzieren wollen, so Kain: "Es geht aber nur um die Produktion, nicht um die Inhalte. Unterschrieben ist noch nichts. Und wie gesagt: Mit den Kampagnen-Konzept haben wir nichts zu tun." Das Kabarett-Pogramm "Licht aus, Spott an" sei auch nicht sein eigenes Projekt, sondern das der gesamten Spitzklicker-Runde, in der keineswegs alle hauptberuflich mit Kultur und Öffentlichkeit zu tun haben.
"Wir haben das Programm größtenteils zu einem Zeitpunkt geschrieben, als in Sachen OB-Wahl noch gar keine Namen feststanden", so Kain. Als sich das änderte, hätte man das Ganze angepasst: "Der Vorwurf, dass wir einen Kandidaten aufs Schild heben, ist hanebüchen." Vielmehr hätten die Spitzklicker aufgegriffen, was viele über den Wahlkampf denken. "Wir haben uns alle Kandidaten vorgeknöpft." Auch an die Zwirns-Wurst-Szene am Sonntag erinnert er sich anders als Pflästerer. "Ich fand das zuerst gelungen." Doch als der Applaus abebbte, habe jemand gekreischt: "Jetzt seid ihr sprachlos, was?".
Das wollte Kain nicht auf sich sitzen lassen: Er habe zum Schluss klargestellt, "dass die Spitzklicker nie sprachlos sind und sich auch nicht mundtot machen lassen". Dabei habe er an eine frühere Pflästerer-Episode der Spitzklicker erinnert: Vor Jahren war der (verhinderte) OB-Kandidat Heinrich Pflästerer mit Bouletten vor die Bühne gestürmt, nachdem er dort schlecht weggekommen war. Das damalige Ensemble-Mitglied Markus Weber konterte damals: "Was man aus Zwirns-Wurst nicht alles machen kann!".
Simon Pflästerer gibt sich da versöhnlicher: Ganz für "umme" könne er die "Original Pflästerer Zwirns-Wurst" nicht anbieten, wehrt er sich gegen einen Gag. "Aber sollten die Bürger mich im Juni mehrheitlich in dieses verantwortungsvolle Amt berufen, wird mein erster Arbeitstag der 13. August sein - unser Kerwemontag." Zur Feier des Tages werde die Wurst von 12 bis 18 Uhr umsonst sein.