"Ihr mögliches Versterben war ihm gleichgültig"
Leinpfad-Prozess beginnt - 19-Jähriger wegen versuchten Mordes angeklagt - Öffentlichkeit ausgeschlossen

Einen Monat nach der Tat rekonstruierte die Polizei am 6. April auf dem Neckar-Leinpfad das Verbrechen. Foto: Alex
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Es war das erste Mal, dass sich der Angeklagte und das Opfer im Leinpfad-Prozess seit der beunruhigenden Tat vom 7. März dieses Jahres wieder begegneten. Vorsichtig tippelte der 19-jährige Eppelheimer kurz vor dem Prozessbeginn an der Jugendkammer des Heidelberger Landgerichts in Fußfesseln zu der Anklagebank. Vor sein Gesicht hielt er einen Aktenordner.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Schwurgerichtssaals saß die zum Tatzeitpunkt 47-jährige Geschädigte. Mit gefasstem Blick beobachtete sie das Geschehen, eingerahmt von ihrem Rechtsanwalt Karlheinz Schnell, vier Sachverständigen und der Ersten Staatsanwältin Anna Römhild. Der Angeklagte hingegen, ein schlanker, braunhaariger Mann mit moderner Undercut-Frisur und schwarz-grüner Jacke mit Stehkragen, vermied jeden Blickkontakt. Zumindest in den ersten zehn Minuten des Prozesses schien es fast so, als würde er sich schämen.
Was danach geschah, ist unbekannt, denn dann wurde das Publikum - einige Pressevertreter und rund 20 interessierte Zuschauer - von der Vorsitzenden Richterin Gisela Kuhn des Saales verwiesen. Die Öffentlichkeit wurde für die gesamte Dauer des Prozesses, inklusive Urteilsverkündung ausgeschlossen. Die Jugendkammer gab damit dem Antrag von Verteidiger Patrick Welke statt.
Immerhin bekamen die Prozessbeobachter noch mit, wie die Erste Staatsanwältin Anna Römhild die Anklage verlas. Demnach habe sich der damals 18-jährige Beschuldigte, getrieben von Vergewaltigungs- und Gewaltfantasien am Neuenheimer Neckarufer aufgehalten. Es war ein Mittwoch, kurz nach 12.30 Uhr. Zunächst habe der Angeklagte auf dem bei Joggern sehr beliebten Leinpfad entlang des Neckarkanals Dehnungsübungen vorgetäuscht und die 47-Jährige passieren lassen.
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Dann habe er einen etwas mehr als faustgroßen Stein genommen und sei ihr gefolgt. Nachdem er die Frau eingeholt hatte, habe er ihr unvermittelt mit großer Wucht auf den Kopf geschlagen. Auch als sie schon am Boden lag, hämmerte er laut Römhild noch mindestens zwei weitere Male auf sein Opfer ein: "Er wollte ihre Gegenwehr ausschalten."
Dabei habe er den Tod der Joggerin zumindest billigend in Kauf genommen. Als die Frau sich lautstark zur Wehr setzte, sei er geflohen, ohne Hilfe für sein stark blutendes Opfer zu organisieren. "Ihr mögliches Versterben war ihm gleichgültig", so die Erste Staatsanwältin. Heimtückisch, und um sich an der Frau sexuell zu vergehen, habe er die Tat begannen, glaubt Römhild. Daher habe er sich des versuchten Mordes und der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht.
Die Vorsitzende Richterin Kuhn begründete anschließend, warum die Öffentlichkeit von dem Prozess ausgeschlossen werde. "Die Presse hat ein unverpixeltes Bild des Angeklagten veröffentlicht", so Kuhn - unter der Überschrift "So jung und fast schon ein Mörder". Um die Persönlichkeitsrechte des jungen Mannes zu schützen, der von der Boulevardzeitung eindeutig kenntlich gemacht worden sei, werde kein Publikum zugelassen. Nur der Ehemann der Geschädigten durfte neben den Prozessbeteiligten im Saal bleiben.
Seine Frau - sie erlitt unter anderem zwei starke Kopfplatzwunden - hat glücklicherweise keine bleibenden körperlichen Schäden davongetragen. Der mutmaßliche Täter sitzt seit seiner Verhaftung am 18. April in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim in Untersuchungshaft. Er hat gegenüber der Polizei die Tat gestanden. Für den Prozess sind acht Verhandlungstage angesetzt. Der psychiatrische Sachverständige Hartmut Pleines soll klären, ob der junge Mann schuldfähig ist. Die Urteilsverkündung ist für den 31. Oktober geplant.