Leinpfad-Prozess Heidelberg

Der 19-jährige Täter wurde zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt

Warum der junge Mann die Joggerin attackierte bleibt unklar - Für die Nebenklage war es versuchter Mord

29.10.2018 UPDATE: 30.10.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden
Polizeibeamte stellten am 6. April auf dem Leinpfad den brutalen Angriff auf eine Joggerin nach. Foto: Alex

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Das Urteil im Leinpfad-Prozess ist gefallen. Doch auch nachdem der 19-jährige Täter am Montag von der Jugendkammer des Heidelberger Landgerichts zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt worden ist, bleibt unklar, warum er am 7. März dieses Jahres auf dem Leinpfad am Neuenheimer Neckarufer eine Joggerin brutal attackierte. Die Gerichtsverhandlung und auch die Urteilsverkündung fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Angeklagten.

Drei Mal schlug der damals noch 18-Jährige am helllichten Tag mit einem faustgroßen Stein auf das 47-jährige Opfer ein. Das hat der Angeklagte über seinen Verteidiger Patrick Welke zugegeben. Weitere Angaben zur Tat oder zu seinen Motiven machte er nach den Angaben eines Gerichtssprechers nicht. Während die Erste Staatsanwältin Anna Römhild in ihrer Anklage noch von einem versuchten Mord aus sexuellen Beweggründen ausging, sah sie dies bei ihrem Plädoyer anders: Letzten Endes wurde der Angeklagte aus Eppelheim nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Auch die Vorsitzende Richterin Gisela Kuhn und Verteidiger Welke gehen davon aus, dass er sein Opfer nicht töten wollte. Sonst hätte er wohl nicht von der am Boden liegenden Frau abgelassen und wäre davongelaufen. "Er hat irgendwann aufgehört", so Welke: "Dabei hätte er problemlos weitermachen können."

Ganz anders sieht das Karlheinz Schnell, der als Nebenklage-Vertreter die Joggerin vor Gericht vertrat: "Wir glauben nach wie vor, dass es ein Mordversuch war." Nach seiner Verhaftung habe der Beschuldigte sich bei seiner polizeilichen Vernehmung besorgt nach dem Gesundheitszustand des Opfers erkundigt. Demnach müsse er davon ausgegangen sein, dass seine Attacke schwere Folgen gehabt habe. "Ich glaube, direkt nach der Tat dachte er, dass er meine Mandantin umgebracht hat", so Schnell.

Trotz der brutalen Attacke erlitt die 47-Jährige "nur" Kopfplatzwunden, die inzwischen wieder verheilt sind. Viel schlimmer als die Tat seien für seine Mandantin die Begleitumstände, betont Schnell: Die Tochter der Joggerin lag im März in der Uniklinik. Einige Zeit nach der Tat ist sie gestorben, kurz vor ihrem 18. Geburtstag. Die letzte Zeit ihres Lebens habe sie sich häufig Sorgen um den Gesundheitszustand ihrer Mutter machen müssen, so der Rechtsanwalt. Obwohl die Familie überhaupt nicht mit dem in ihrem Augen sehr milden Urteil einverstanden sei, werde sie voraussichtlich nicht in Revision gehen. "Meine Mandantin tendiert dazu, einen Schlussstrich zu ziehen", sagt Schnell. Heidelberg, wo die Tochter gestorben und die Mutter beinahe umgebracht worden ist, ist für die Familie aus Buchen viel zu problembehaftet. Die Trauerarbeit steht nun im Vordergrund.

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Rechtsanwalt Schnell glaubt nach wie vor, dass der Täter aus sexuellen Motiven handelte. Er habe vor der Tat Internetseiten besucht, auf denen es um Vergewaltigungen oder um Überfälle auf Joggerinnen ging. Auch der psychiatrische Sachverständige ging demnach von sexuellen Aggressionen des Angeklagten aus.

Der 19-Jährige bereue seine Tat, berichtet Verteidiger Patrick Welke. Auch Freunde hätten vor Gericht ausgesagt, dass der Überfall gar nicht zu ihm passe, dass sie ihm so etwas gar nicht zutrauten. Der Rechtsanwalt ist mit dem Urteil der Jugendkammer einverstanden. Er selbst hatte eine Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert. Nun werde sein Mandant die Zeit in der Jugendvollzugsanstalt dazu nutzen, eine Ausbildung in Angriff zu nehmen. Welchen Berufsweg er einschlagen werde, sei aber noch unklar. Welke verteidigte auch noch einmal, dass der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden habe. "Es ging in diesem Prozess um sehr persönliche Dinge wie intime Chatverläufe."

Hintergrund

Chronologie

> 7. März: Gegen 12.50 Uhr joggte eine 47-Jährige auf dem Leinpfad am Neckar. Dort traf sie auf einen Mann, der sich gerade dehnte. Sie rannte weiter, er folgte ihr; etwa 300 Meter weiter schlug er ihr auf den Hinterkopf, sie fiel zu

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Chronologie

> 7. März: Gegen 12.50 Uhr joggte eine 47-Jährige auf dem Leinpfad am Neckar. Dort traf sie auf einen Mann, der sich gerade dehnte. Sie rannte weiter, er folgte ihr; etwa 300 Meter weiter schlug er ihr auf den Hinterkopf, sie fiel zu Boden. Beim Versuch aufzustehen, erkannte die Joggerin, dass es sich um den Mann handelte, den sie kurz vorher passiert hatte. Dann schlug er mit einem faustgroßen Stein auf ihren Kopf ein. Die Frau wehrte sich massiv, der Täter flüchtete. Die am Kopf verletzte Joggerin vertraute sich zwei Passantinnen an, die sie in eine Klinik brachten.

> 6. April: Gut einen Monat nach der Tat sind 107 Hinweise eingegangen - ohne eine heiße Spur. Die Polizei druckt Plakate sowie Handzettel und rekonstruiert aufwendig vor Ort mit Videokameras die Tat.

> 18. April: Genau sieben Wochen nach der Attacke wird ein 18-jähriger Eppelheimer verhaftet. Er war an den Tatort zurückgekehrt und wurde dort kontrolliert, weil die Täterbeschreibung halbwegs auf ihn passte.

> 5. Oktober: Vor der Jugendkammer des Landgerichts beginnt der Prozess gegen den nun 19-Jährigen. Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen. hö

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