Baurechtsamt pocht auf Vorschriften der Werbeanlagensatzung
Schön, aber illegal - 1100 Unterschriften für Erhalt der Dekoration gesammelt

Guiseppina Ehmann steht vor ihrer Chocolaterie in der St.-Anna-Gasse in der Altstadt. Die Fahne links ist Stein des Anstoßes. Foto: Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Chocolaterie St. Anna wird ihr Fähnchen, mit dem sie für Eis wirbt, abbauen müssen, daran lässt Baurechtsamtsleiter Jörg Hornung keinen Zweifel. Seit Jahren liegt die Ladeninhaberin Giuseppina Ehmann mit der Stadt wegen ihrer Straßenwerbung im Clinch. Aktuell verlor sie einen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht.
Nachdem die RNZ über den Fall berichtet hatte, in dem es neben der Fahne auch um einen Schriftzug an der Hausfassade, einen roten Teppich und ein beklebtes Schaufenster geht, stärkten viele Leserbriefschreiber Ehmann den Rücken. Sie selbst hat mehr als 1100 Unterschriften für den Erhalt ihrer Dekoration gesammelt.
Hintergrund
Die Werbeanlagensatzung gilt für die gesamte historische Altstadt. Für andere Stadtteile gelten teilweise liberalere Regeln.
> Werbeanlagen, Automaten, Vordächer und Markisen sind so anzuordnen, dass sie "nach Form, Maßstab, Werkstoff, Farbe und Gliederung das
Die Werbeanlagensatzung gilt für die gesamte historische Altstadt. Für andere Stadtteile gelten teilweise liberalere Regeln.
> Werbeanlagen, Automaten, Vordächer und Markisen sind so anzuordnen, dass sie "nach Form, Maßstab, Werkstoff, Farbe und Gliederung das Erscheinungsbild des Gebäudes und das Straßenbild nicht beeinträchtigen sowie den historischen, künstlerischen und städtebaulichen Charakter nicht stören".
> Je Gewerbebetrieb ist nur eine Werbeanlage zulässig, wobei diese auch aus mehreren Teilen bestehen kann, wenn sie insgesamt einheitlich gestaltet ist. Unter anderem dürfen Schaufenster und Glastüren weder zugeklebt noch gestrichen oder zugedeckt werden.
> Beschriftungen, Zeichen oder Symbole sollen in der Länge höchstens drei Viertel der Fassade einnehmen.
> "Das Ganze macht Sinn", sagt Baurechtsamtsleiter Jörg Hornung und zeigt einen ganzen Stapel mit Bildern von grell zugeklebten Schaufenstern, mit unzähligen Luftballons verdeckte Fassaden und ähnliche Geschmacksverirrungen, die seine Behörde dank der Satzung habe verhindern können. Er müsse die Regeln anwenden. hob
Doch Hornung und seine Kollegin Monika Fuchs vom Baurechtsamt haben eine ganz andere Sichtweise: "Alles, was mit einem Schriftzug oder einem Logo auf ein Ladengeschäft hinweist, ist eine Werbeanlage", klärt Hornung auf. Um zu verhindern, dass es in der denkmalgeschützten Altstadt überall blinkt und leuchtet, dass schrille und riesige Schriftzeichen die Fassaden von historischen Häusern verunstalten, hat der Gemeinderat im Jahr 1979 die Werbeanlagensatzung Altstadt verabschiedet. "Unsere Aufgabe ist es, die Vorschriften anzuwenden", sagt Hornung.
Im Fall der Chocolaterie St. Anna habe man stets pragmatisch nach Kompromissen gesucht, so der Amtsleiter. Als Ehmann im Jahr 2006 einen Schriftzug über ihrem Eingang anbringen ließ, bemängelte das Baurechtsamt, dieser sei zu lang. Er dürfe sich in der Breite maximal über zwei Drittel der Schaufensterfläche erstrecken.
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"Meine Vorgänger haben in diesem Fall mit einer Duldung gearbeitet", sagt Hornung: Das Baurechtsamt erklärte, nichts gegen den Schriftzug zu unternehmen. Im Gegenzug erteilte man Ehmann aber die Auflage, dass sie keine Werbefahnen anbringen und ihr Schaufenster nicht bekleben dürfe.
"Es kam anders", bedauert der Baurechtsamtsleiter. Es war ja nicht nur so, dass Ehmann die Werbefahne anbrachte, ohne das Baurechtsamt vorher zu fragen. Sie hängte auch über ihrem Eingang ein Plüschherz auf und legte vor ihrem Geschäft einen Teppich aus - mit dem Schriftzug der Chocolaterie. "Es handelt sich hier um Ortsrecht, das der Gemeinderat verabschiedet hat", sagt Hornung. Pro Ladengeschäft sei streng genommen nur eine Werbeanlage erlaubt. Trotzdem sei man in der Vergangenheit dazu übergegangen, dass mehrere solcher Anlagen gemeinsam als ein einziges Ensemble gewertet werden können. So war das auch in Ehmanns Fall: "Wir haben ihr Angebote gemacht und nicht nur streng nach Vorschrift gehandelt." Und in einem Punkt gab die Chocolaterie-Inhaberin auch nach. Statt eines roten Teppichs mit Schriftzug liegt jetzt nur noch ein nackter roter Teppich vor ihrem Geschäft. Damit handelt es sich nun nicht mehr um eine Werbeanlage, sondern um einen Dekorationsgegenstand, für den wieder andere Regeln gelten.
"Wir gehen nicht jedem Verstoß nach", sagt auch Monika Fuchs. Irgendwann im Jahr 2013 wurde es der Mitarbeiterin des Baurechtsamts aber zu bunt und sie verlangte von Ehmann den Abbau des Werbefähnchens. Die Ladeninhaberin legte Widerspruch ein, weshalb sich nun auch das Verwaltungsgericht mit dem Thema beschäftigen musste - und der Stadt Recht gab. Zwar könnte Ehmann nun gegen das Urteil Berufung einlegen. Die Frist läuft am 18. Juli ab.
Möglicherweise wird der Streit aber doch noch im Guten beigelegt. So zeigt sich Ehmann "konziliant", wie sie selbst sagt. Anfang dieser Woche hat sie beim Baurechtsamt einen "Ausleger" beantragt, also ein Werbeschild, das von der Fassade in den Straßenraum hineinragt. Wann darüber entschieden wird, ist noch unklar.
Mit solch einem Schild hätte das Baurechtsamt aber weniger Probleme als mit einer Fahne. Schließlich bestehe immer die Gefahr, dass auch andere Ladeninhaber solche Wimpel vor ihrem Geschäft anbringen wollten. Dass die Farben woanders so dezent bleiben wie in der St.-Anna-Gasse, könne niemand versprechen.
Aber man weiß auch im Baurechtsamt, dass die bisherige Werbeanlagensatzung nicht mehr ganz zeitgemäß ist und angepasst werden muss. Die SPD hat einen Antrag im Gemeinderat eingebracht, dass auch das Thema "digitales Schaufenster" in der Neufassung berücksichtigt werden müsse. Die bisherige Satzung verhindere in der Altstadt Touchscreen-Bildschirme oder ähnliches im Schaufenster. "Das geht nicht im digitalen Zeitalter", schreibt die SPD-Fraktion in ihrer Antragsbegründung.
"Bevor Ladeninhaber Geld für einen Deko- oder Werbegegenstand ausgeben, sollten sie unbedingt unser Beratungsangebot annehmen", weist Matthias Friedrich, Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung, auf die Gefahren eigenmächtigen Handelns hin. Sonst könne das Baurechtsamt die Beseitigung von Schildern anordnen und Zwangsgelder androhen. "So weit, dass wir vollstrecken mussten, ist es aber noch nie gekommen", sagt Hornung.
Giuseppina Ehmann von der Chocolaterie ist unterdessen niedergeschlagen. Sie ärgert sich über die Auflagen des Baurechtsamts. "Die wollen, dass alles grau, alles clean, alles gerade ist. Aber ich war mein ganzes Leben lang noch nie gerade." Alle ihre Kunden bestätigten ihr, dass sie mit ihrem kleinen Laden in der St. Anna-Gasse ein wahres Kleinod geschaffen habe. Wenn ihr das neue Werbeschild genehmigt wird, könnte sie sich aber vorstellen, ihre Berufung zurückzuziehen.