Windräder ja, aber nicht im Wald
Umweltexperte Dieter Teufel übt an Teilen der Energiewende Kritik. Er plädiert dafür, ökologisch unbedenkliche Standorte in der Ebene zu suchen.

Von Micha Hörnle
Schriesheim. Das muss man Dieter Teufel, dem Leiter des Heidelberger Umwelt- und Prognose-Instituts, lassen: Er ist garantiert kein Klimaleugner und Gegner der Energiewende, wie der Verein "Energiewende Bergstraße" die Referenten seines Kontrahenten "Gegenwind Bergstraße" öfters tituliert hat.
Im Gegenteil: In seinem Vortrag am Donnerstagabend im katholischen Pfarrsaal machte Teufel, der auf Einladung von "Gegenwind" sprach, deutlich, dass der menschengemachte Klimawandel "ein dramatisches Problem" ist.
Zwar sei der Ausstoß des Klimakillers CO₂ in Deutschland seit 1990 um 43 Prozent zurückgegangen ("ein recht schöner Erfolg"), "aber wir müssen noch weiter runter". Die momentan rund 30.000 Windräder hätten an dieser Reduktion durchaus ihren Anteil: rund zehn Prozent. Nur acht Prozent, rund 2800, von ihnen stehen im Wald, sie senken die CO₂-Emissionen nur um 0,7 Prozent.
Und damit war Teufel auch schon mitten im Thema: "Windräder im Wald? – Nutzen, Schaden, Alternativen". Während die Ablehnung dieser Anlagen bei "Gegenwind" der kleinste gemeinsame Nenner ist – schließlich gibt es hier zum Teil grundsätzliche Gegner der Energiewende –, nähert sich Teufel dem Thema etwas anders, eben aus der ökologischen Richtung: Er ist sehr für Erneuerbare Energien, auch für Windräder – nur eben nicht im Wald, weil der Eingriff in die Natur zu stark ist.
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Er zeigte Bilder aus dem Sauerland oder dem nordhessischen Reinhardswald, wo im großen Stil gerodet und planiert wurde. Denn die Windräder brauchen ebene Flächen. Ganz anders sei die Situation im "Offenland", also in der Ebene. Dort muss man nichts nivellieren, meistens können die Feldwege genutzt werden, auch die Eingriffe in die Landwirtschaft seien gering.
Doch die Politik, vor allem in Baden-Württemberg und in der Metropolregion, setzt nicht auf die Ebene, sondern auf die Wälder: Zwei Drittel aller für Windparks vorgeschlagenen Gebiete liegen dort. So wie eben der Weiße Stein, eine laut Teufel ökologisch hochwertige Fläche mit "gesundem Mischwald" und großer Artenvielfalt, zudem auch ein Landschaftsschutz- und für viele auch ein Erholungsgebiet. Und im Übrigen eine der wenigen "unzerschnittenen Landschaftsräume", von denen es in Nordbaden nur noch zwei gibt.
In Rheinland-Pfalz hingegen setzt man auf die Ebene – und kommt dort mit dem Ausbau der Windkraft viel schneller voran, zumal es dort in der Bevölkerung kaum Widerstände gibt: "Dort hat man es schlauer gemacht als bei uns." In Baden-Württemberg gibt es vielerorts Bürgerentscheide gegen solche Anlagen – wie am 9. November in Schriesheim und Dossenheim; die meisten fallen dagegen aus.
Zugleich erklärte der Referent, dass die Windräder in der Rheinebene keineswegs einen schwächeren Ertrag haben als die im Wald – wobei er hier eigene Daten und nicht die des Windatlas präsentierte. Er erinnerte daran, dass das Bundesamt für Naturschutz ausdrücklich Windpark-Standorte vorgeschlagen habe, die ökologisch unproblematisch sind – und die liegen alle in der Ebene.
Vor allem kritisierte Teufel an diesem Abend die seiner Meinung nach falschen Angaben, die zum Flächenverbrauch im Wald gemacht werden: "Energiedialog", das gemeinsame Windpark-Gremium von Schriesheim und Dossenheim, spricht davon, dass pro Windrad 0,3 bis 0,6 Hektar dauerhaft freigehalten werden müssen. Genehmigungsbescheide für Windräder sprechen eine andere Sprache, da ist von 0,8 bis 1,5, manchmal bis zu 1,9 Hektar die Rede; im Schnitt sind es 1,2. Zum Vergleich: In der Ebene braucht man nur 0,3 Hektar.
Aber das sind nicht die einzigen Probleme bei Windrädern: Immer wieder läuft Getriebeöl aus, manchmal brennen sie auch ab – wenn auch recht selten: "Die Feuerwehr ist dann völlig machtlos", denn keine Drehleiter reicht in die Höhe der Rotoren. Doch noch gravierender sind die Folgen für die Tiere, insbesondere Vögel und Fledermäuse.
Die werden von den Rotoren erschlagen, bei den Fledermäusen platzen beim Durchflug die Lungen. Teufel geht von 200.000 getöteten Fledermäusen im Jahr aus. Hier würden, wie am Greiner Eck, durchaus Abschaltzeiten helfen, allein: Der Gesetzgeber sieht sie nicht mehr vor.
Überhaupt habe sich laut Teufel die Gesetzeslage dramatisch geändert: Der Windenergie, gerade im Wald, wird der absolute Vorrang eingeräumt, Umweltverträglichkeitsprüfungen würden "drastisch zurückgeschraubt". Vor zwölf Tagen beschloss – weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt – der Bundestag ein "Beschleunigungsgesetz", das alle Hürden gegen Windräder, vom Arten- und Naturschutz bis hin zum Grundwasser, wegräumt.
Und selbst, wenn es, wie unlängst erst beim anderen Windparkprojekt am Lammerskopf bei Ziegelhausen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung gibt, könne man sich nicht auf ihre Ergebnisse verlassen, denn: "Der Gutachter wird vom Investor ausgewiesen und bezahlt."
Etwas sehr detailreich zerlegte diese Ende Januar vorgestellte "Natura 2000-Verträglichkeitsuntersuchung", die ganz im Sinne der Windparkplaner ausfällt. Was Teufel nicht sagte, man aber erwarten kann: Nicht anders würde ein ähnliches Gutachten beim Weißen Stein aussehen.
Was also tun, damit Klima- und Umweltschutz zusammengehen? Erstens Windkraftstandorte in der Ebene bevorzugen; denn die gäbe es durchaus. Zweitens auch die Solarenergie ausbauen – und zwar auf möglichst allen Dächern. Und drittens "eine Verhaltensänderung", also weniger Auto fahren – und mehr das Rad nutzen.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass manche im Publikum mit der Energiewende fremdeln. Was bringe es denn im weltweiten Maßstab, wenn nur Deutschland den CO₂-Ausstoß senke? Tatsächlich sei der mit einem Anteil von zwei Prozent recht gering, aber wir als Industrieland seien da ein Vorreiter, andere Länder würden uns dann folgen.
Oder: Die Erneuerbaren Energien seien so unwirtschaftlich, dass sie enorm subventioniert werden müssten, deswegen sei der Strompreis auch so hoch. Das liege an den hohen Anfangsinvestitionen, so Teufel. Die rentierten sich aber schnell: "Je mehr Photovoltaik- und Windkraftanlagen es gibt, desto geringer der Strompreis." Und schließlich: Belasten nicht die PFAS-Chemikalien aus den Windrädern den Waldboden und die Tierwelt? Nein, dafür seien die Mengen viel zu gering.
Es wurde auch gefragt, ob man nicht neue Techniken der Kernkraft nutzen könne (wie es auch Fritz Vahrenholt in seinem Vortrag im Zehntkeller vorgeschlagen hatte). Davon hält Teufel nichts: zu teuer – gerade im Vergleich zu den Erneuerbaren Energien – und zu risikoreich, abgesehen davon, dass niemand weiß, wohin mit dem Atommüll.
Das animierte Thomas Rinneberg von der "Energiewende" zu der Aussage: "Ich stehe voll hinter ihnen – in Teilen" – und bezog sich dabei auf Teufels klares Ja zur Energiewende und auf sein Nein zur Atomkraft. Dann ging es allerdings in seinem Beitrag um die Berechnungsmethode des Windkraftertrags in der Ebene, und die Diskussion zerfledderte etwas. Immerhin durfte Rinneberg recht lange reden, bis ihn Karl-Heinz Weinert von "Gegenwind" unterbrach: "Was ist Ihre Frage?"