Schriesheim

1206 Bürger fordern Abstimmung über Windpark

Nach Dossenheim wurden auch hier die Bürgerbegehren-Unterschriften im Rathaus übergeben.

14.06.2025 UPDATE: 15.06.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 53 Sekunden
Die Schriesheimer Vertrauensleute des Bürgerbegehrens, Dieter Haas (3.v.r.) und Christoph Randt (2.v.r.) übergaben mit der „Gegenwind“-Vorsitzenden Karin Reinhard die Unterschriften an Bürgermeisterstellvertreter Bernd Hegmann (2.v.l.) und Hauptamtsleiter Dominik Morast. Foto: Kreutzer

Von Micha Hörnle

Schriesheim/Dossenheim. Acht Tage nach der Übergabe der Bürgerbegehren-Unterschriften im Dossenheimer Rathaus war es am Freitag auch in Schriesheim so weit:

Hier übergaben die beiden Vertrauensleute Dieter Haas und Christoph Randt einen Ordner mit 1206 Signaturen an Bürgermeisterstellvertreter Bernd Hegmann. Natürlich müssen die, wie in Dossenheim auch, auf ihre Gültigkeit überprüft werden, doch Hegmann ist sich sicher, dass damit die notwendige Zahl von 830 Unterschriften erreicht, wahrscheinlich sogar weit übertroffen wurde – eine Einschätzung, die für Dossenheim mit 1100 Unterschriften (nötig sind 687) genauso gilt. Und dann haben die Gemeinderäte beider Kommunen keine andere Wahl mehr, als in ihren Sitzungen am 23. Juli (Schriesheim) und 29. Juli (Dossenheim) einen Bürgerentscheid zu beschließen.

Wie bereits in der letzten Woche im Falle Dossenheims mit den dortigen Vertrauensleuten Karin Reinhard und Armin Schmich berichteten Haas und Randt von einem großen Interesse der Bevölkerung an diesem Thema: "Etliche haben uns gesagt: ,Gut, dass Sie es angestoßen haben’", berichtete Randt. Denn mit dem Bürgerentscheid wird eine Grundsatzentscheidung in Sachen Windpark auf dem Weißen Stein "erzwungen", die die Gemeinderäte so nie getroffen hätten. Denn deren Fahrplan sah ganz anders aus: In den Juli-Sitzungen hätte man eigentlich über den Investor entschieden. Die Dialoggruppe – das gemeinsame Gremium aus den Gemeinderäten und den Rathäusern der beiden Kommunen – hatte bereits einen ausgewählt, die Firma "Pionext" aus Alzey.

Tatsächlich gab es am Vorgehen der Dialoggruppe Kritik: "Es wurde immer nur das Wie eines Windparks bearbeitet, und nicht das Ob", sagte FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger, der am Freitagmorgen auch im Rathaus war. Er habe zwar immer, als überzeugter Gegner von Windkraft im Wald, gegen die Einrichtung einer Dialoggruppe gestimmt, aber heute findet er es "keinen Nachteil, dass wir diesen Weg gegangen sind". Und Hegmann erklärt auch warum: "Wir haben dadurch viele Erkenntnisse gewonnen, gerade was die finanzielle Seite des Windparks betrifft." Für ihn war das "der richtige Weg".

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Und doch sahen beide Stadträte den nahenden Bürgerentscheid – für ihn gibt es noch keinen Termin, er ist wahrscheinlich für Schriesheim und Dossenheim am gleichen Tag im Herbst – nicht negativ: "In der Bevölkerung machen sich viele Gedanken über das Thema", meinte Hegmann, der Fraktionssprecher der Freien Wähler ist. "Das ist für mich okay."

Renkenberger, dessen FDP sich im Kommunalwahlkampf für einen solchen Bürgerentscheid ausgesprochen hatte, erhofft sich von der Abstimmung "eine befriedende Wirkung, wie bei ,Stuttgart 21’". Angesichts der in dieser Frage gespaltenen Bevölkerung findet er sogar "einen Bürgerentscheid besser als einen Gemeinderatsbeschluss". Randt meinte auch, dass "Bürgerentscheide bei der Windkraft üblich sind. Insofern haben wir in Schriesheim keine besondere Situation". Das bestätigte Renkenberger: "Die Hälfte der Entscheidungen zu Windparks kommt durch Bürgerentscheide zustande."

Wie dem auch sei: Nun geht erst mal alles seinen regulären Gang: Die Unterschriften – im Gegensatz zu den Dossenheimern wurden noch keine doppelten oder die von Nicht-Schriesheimern aussortiert – werden nun vom Ordnungsamt geprüft, und zwar jede einzelne. Hauptamtsleiter Dominik Morast rechnet, dass das vielleicht zwei Wochen dauern wird: "Von der Zeitschiene her passt das ja ganz gut. Wir gehen davon aus, dass wir bis Ende Juni fertig sind und dann am 23. Juli der Gemeinderat entscheidet."

Haupt- und Ordnungsamt müssen ab dann den Bürgerentscheid – vom Umfang und den Kosten her einer Bürgermeisterwahl vergleichbar – vorbereiten. Wahrscheinlich gibt es eine offizielle Broschüre und auch eine Infoveranstaltung. Was aber noch nicht geklärt ist: Dürfen die Windkraftkritiker ("Gegenwind") und die -befürworter ("Energiewende") in dieser Zeit noch im Mitteilungsblatt Beiträge veröffentlichen? Dürfen andere, zum Beispiel Parteien oder der berüchtigte "Demokratie- und Kulturverein", sich in Sachen Windpark äußern?

Dürfen Info-Veranstaltungen von "Gegenwind" oder "Energiewende" in städtischen Räumen stattfinden? Das alles muss Hauptamtsleiter Morast noch prüfen. Denn es ist nicht klar, ob die vor Wahlen geltende "Karenzzeit", also das Verbot, im Mitteilungsblatt zu veröffentlichen, auch bei einem Bürgerentscheid gilt. Denn der ist eine Abstimmung, keine Wahl. Und vor jeder Wahl musste der Gemeinderat aufs Neue die Karenzzeit beschließen. "Dieser Beschluss ist noch nicht da. Diese Frage müssen wir verwaltungsintern und im Gemeinderat klären", so Morast.

Eine ganz andere Frage ist, ob die politischen Gruppierungen in den "Wahlkampf" eingreifen. Renkenberger glaubt eher, dass sich Einzelpersonen engagieren. Das sieht auch Hegmann so, denn bei seinen Freien Wählern gibt es – etwa im Gegensatz zur Grünen Liste und der SPD als überzeugte Befürworter des Windparks – "keine einheitliche Linie". Anders die AfD, die immer für einen Bürgerentscheid (und gegen einen Windpark) war. Von der distanzierten sich die drei "Gegenwind"-Vorstände: "Uns ist es nicht recht, dass die AfD in unsere Fußstapfen steigt", so Haas. Reinhard fand es "schade, dass uns keine andere Partei beim Bürgerbegehren unterstützt hat". Und Randt meinte: "Wir haben keinen Einfluss darauf, wenn der Beifall von der falschen Seite kommt."

Und was sagt Hegmann – sonst als eiserner Sparer bekannt – zu den Bürgerentscheid-Kosten von rund 40.000 Euro, und das in Zeiten der Haushaltskrise? "Das ist halt so, wir müssen das an andere Stelle einsparen." Und Renkenberger meinte: "Das muss uns Demokratie wert sein."


> Ein Bürgerbegehren ist für fast jede kommunale Angelegenheit möglich, für die der Gemeinderat zuständig ist. Es muss von mindestens sieben Prozent der EU-Bürger ab 16 Jahren einer Gemeinde – in Schriesheim 830 Personen, in Dossenheim 687 – unterzeichnet werden. Das Begehren muss drei Dinge enthalten: die Frage, über die abgestimmt werden soll (hier: "Sind Sie gegen die Errichtung von Windkraftanlagen auf den gemeindeeigenen Flächen im Schriesheimer/Dossenheimer Wald?"), eine Begründung und einen Kostendeckungsvorschlag (der entfällt hier, da es nicht um höhere Kosten geht). Richtet sich das Bürgerbegehren gegen einen Gemeinderatsbeschluss, muss es innerhalb von drei Monaten nach dessen Bekanntgabe eingereicht werden. Über die Zulässigkeit des Begehrens entscheidet in beiden Fällen der Gemeinderat. Stimmt er für einen Bürgerentscheid, haben ab dann die Rathäuser vier Monate Zeit, diesen vorzubereiten.

> Bei einem Bürgerentscheid stimmen die Wahlberechtigten (EU-Bürger ab 16 Jahre) über die gestellte Frage ab. Die Mehrheit der gültigen Stimmen entscheidet. Diese Mehrheit muss jedoch mindestens 20 Prozent aller Stimmberechtigten betragen (sogenanntes Quorum). Sollte das nicht der Fall sein, muss der Gemeinderat die Angelegenheit entscheiden. Ist das doch der Fall, hat ein Bürgerentscheid dieselbe Wirkung wie ein Gemeinderatsbeschluss. hö

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