Die geheime Mobilmachung begann schon vorher
In der Region häuften sich schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs die Anzeichen für Hitlers Pläne.

Im Gleichschritt unterm Hakenkreuz: Das lernten Bammentals Kinder schon 1935. Foto: Gemeinde
Von Anja Hammer
Region Heidelberg. "Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen", sagte Adolf Hitler am Sonntag vor 80 Jahren. Es war der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Insbesondere in älteren Heimatbüchern wird dieses Kapitel eher dürftig behandelt. Dennoch hat sich die RNZ in den Ortschroniken auf Spurensuche begeben, um herauszufinden, was sich in den ersten Kriegsmonaten in der Region rund um Heidelberg ereignete.
In Neckargemünd wurden schon vor dem Einfall auf Polen die ersten Kriegsvorbereitungen getroffen. So hatte die Stadt bereits im Mai 1939 der Heeresstandortverwaltung Heidelberg ein etwa zwei Hektar großes Grundstück in der "Haide" angeboten, um dort ein Landwehrübungslager zu bauen. Einen Monat später wurde der Obere Stadtwald dafür auserkoren; der Bezirk sollte abgeholzt und an die Heeresverwaltung verpachtet werden, wie Günther Wüst im 1988 erschienenen Buch "1000 Jahre Neckargemünd" schreibt. Gleichzeitig wurden die Pläne vorangetrieben zum Umbau des ehemaligen Taubstummenheims und für den Bau eines Militärbarackenlagers.
Im Herbst 1939, als der Krieg angefangen hatte, erhielt die Flak, eine Luftzeuggruppe aus Mannheim-Käfertal, in den ehemaligen Menzer’schen Ställen eine Unterkunft. Dort wurden auch mehrere Flakzüge ausgebildet. In Schloss Brugghalden in der Güterbahnhofstraße wurde ein Reservelazarett eingerichtet.
Die ersten Kriegsschäden in der Stadt am Neckar waren bereits 1940 zu verzeichnen: Bei einem Fliegerangriff wurden die Gewächshäuser einer Gärtnerei in der Neckarsteinacher Straße getroffen; Bomben, die im Sommer 1940 im Wald beim Kümmelbacher Hof niedergingen, richteten dagegen keinen "nennenswerten Schaden" an, so Historiker Wüst.
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In Wiesenbach wurde noch im Jahr vor Kriegsbeginn damit begonnen, ein Heim für die Hitlerjugend zu bauen. Im Herbst 1939 stand zwar der Rohbau - aber dann zog sich alles in die Länge. "Nach Kriegsbeginn hatte man in Wiesenbach offenbar andere Sorgen", heißt es im 2009 erschienen Heimatbuch von Günther Wüst. "Anfragen des Landratsamtes wurden mitunter erst nach einem Viertel Jahr und auf entsprechende Mahnung beantwortet."
Der Krieg hatte auch noch weitere Auswirkungen - neben der Mobilmachung der jungen Männer: Schon im Herbst 1939 kamen die ersten Kriegsgefangenen nach Wiesenbach. Es waren Männer und Frauen aus Polen. Polnische Kriegsgefangene waren übrigens auch der Grund, weshalb Pfarrer Friedrich Hemmer 1940 die Pfarrei in Wiesenbach übernahm. Denn bei seiner vorherigen Stelle in Röhrenbach im Kreis Überlingen hatte er im Dezember 1939 im Gottesdienst polnische Kriegsgefangene für ihr "ehrfürchtiges Benehmen und Verhalten" gelobt. Er wurde dafür verhaftet und zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Zudem musste das Ordinariat in Freiburg den Geistlichen versetzen - nach Wiesenbach. Dort wurde er übrigens einige Monate später erneut festgenommen und ins KZ Dachau deportiert - weil er das verbotene "Katholikenlied von Frey" hatte vortragen lassen.

Einen Tag, bevor in Neckargemünd 1938 der Heldengedenktag begangen wurde, waren deutsche Truppen in Österreich einmarschiert. Foto: Stadt
In Wilhelmsfeld gab es schon im Vorfeld zahlreiche Anzeichen des nahenden Krieges. Hunde, Brieftauben und Pferde wurden auf ihre Kriegstüchtigkeit untersucht. Bereits im August 1939 wurde eine Großalarmanlage montiert und es wurden Verdunkelungsübungen angeordnet. Am 27. August 1939 gingen Befehle zur geheimen Mobilmachung bei der Gemeindeverwaltung ein und einen Tag später erhielten die ersten Reservisten durch Motorradfahrer ihre Gestellungsbefehle. Die Männer mussten sofort einrücken und die jungen Frauen hatten ihren Reichsarbeitsdienst anzutreten. Dies herausgefunden hat Harald Gomille bei seinen Recherchen für das 2004 erschienene "Wilhelmsfeld"-Buch. Er schreibt: "Als am 1. September 1939 die Nachricht von Hitlers Überfall auf Polen in Wilhelmsfeld bekannt wurde, überwogen eindeutig Angst und Schrecken." Denn dann wurden schon die noch verbliebenen wehrpflichtigen Männer eingezogen. Einige mussten in den Polenfeldzug, die meisten gingen jedoch am Westwall an der französischen Grenze in Wartestellung. Die ersten Todesopfer ließen nicht lange auf sich warten: Drei Wilhelmsfelder starben im Juni 1940 in Frankreich.
Im Oktober 1939 las noch der evangelische Pfarrer Gottlob Weber die vom Landesbischof angeordnete "Kanzelverkündung" zum militärischen Erfolg in Polen vor: "Wir danken Gott, dass er unseren Waffen ei-nen schnellen Sieg gegeben hat. Wir danken ihm, dass uralter deutscher Boden zum Vaterland heimkehren durfte." Womit der Pfarrer damals wohl nicht rechnete: Nur wenige Monate später sollten sämtliche verfügbaren Rohstoffe der Wehrmacht zugute kommen - und das betraf nicht nur die Pokale der Wilhelmsfelder Vereine, sondern am 2. Mai 1940 auch die Kirchenglocken.