Musical-Hommage in Schwetzingen

Wie aus Klein-Erna die große Joy wurde (plus Fotogalerie)

Mit dem Musical "Iwwa die Brick" gelang eine angemessene Würdigung der Blues-Sängerin

23.09.2018 UPDATE: 24.09.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden

Zum Verwechseln ähnlich: Joy Flemings Tochter, Heidi Kattermann, schlüpfte in die Rolle der Friseurin Druni. Foto: Lenhardt

Von Marco Partner

Schwetzingen. Am Ende gibt es stehende Ovationen - und die Schauspieler schlüpfen aus ihren Rollen. Sie danken dem vor Freude tobenden Publikum im Schwetzinger "Theater am Puls". Aber vor allem verneigen sie sich vor der Grande Dame, um die sich an diesem Abend alles dreht.

"Danke Joy, Sängerin, Freundin und Mama", richten die Darsteller ihre letzten Worte ganz persönlich an die Mannheimer Bluesröhre: Joy Fleming, die am 27. September 2017 im Alter von 72 Jahren verstarb. Ein Jahr später haben ihr Wegbegleiter mit der Musical-Komödie "Iwwa die Brick" ein ehrendes Andenken geschaffen, eine angemessene Hommage. Voller Humor, Liebe - und natürlich mit umwerfender Musik.

Die Hommage aus der Feder von Nici Neiss beginnt mit einem Blues. Passend dazu ist die Bühne in blaues Licht getaucht. "So oft kann der gar net fort, wie er widder zurück kummt, iwwer die Brick", singt Hörnchen (gespielt von Susan Horn) den Neckarbrückenblues. Stimmgewaltig und im schönsten "Monnemer" Dialekt.

Plötzlich kommt die blonde Dame aber ziemlich hochdeutsch daher. "Die Mannheimer singen schon beim Reden", hat sie festgestellt. Und der zunächst schwer beeindruckte Produzent Schmidt, gespielt von Henry Dahlke, gerät ins Grübeln. Ist sie die Idealbesetzung, oder nicht? Der Plot des Musicals ist im Grunde schnell erzählt: Hörnchen, größter Fan der Rockröhre aus Rockenhausen, bewirbt sich für ein Fleming-Casting. Claude Schmidt möchte ein Benefizkonzert zu Ehren des Mannheimer Soul- und Schlagerstars organisieren. Hausfriseurin Druni (Heidi Kattermann) mischt auch noch mit und hat verblüffende Ähnlichkeit mit der Jazz-Diva.

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Aber eigentlich ist die äußere Handlung nur der Türöffner, um einen tiefen Einblick in das bewegende und bewegte Leben der Fleming zu gewähren. Erzählt wird hinter der Casting-Oberfläche die Geschichte, wie aus Klein-Erna die große Joy wurde.

Eine aufwändige Bühnenkulisse benötigen die Schauspieler dafür nicht. Es sind die persönlichen Erlebnisse und Gegenstände, die das Herz erwärmen. Claude Schmidt nämlich ist der Mitbegründer von Flemings Plattenlabel und begleitet das Musical am Piano. Und Heidi Kattermann ist die Tochter von Joy Fleming. Durch ihre Erzählungen wird das zerbombte Mannheim der Nachkriegszeit vor dem geistigen Auge sichtbar. Dort, zwischen den Trümmern und dem Rot-Licht-Milieu in der Neckarstadt, wuchs die kleine Erna auf.

Mit einem saufenden und schlagenden Vater und der Puppe "Debbie", gefertigt aus einem Besenstil, welche die Tochter bis heute in Ehren hält. Doch als es "iwwa die Brick" in den Jungbusch geht, die Neckarbrücke zum Spiel- und Kinderzimmer wird und der Schwiegervater den leiblichen Vater ersetzt, wird es nicht gerade besser. Halt findet Erna als Jugendliche in den Clubs der US-Soldaten - und in ihrer Stimme.

Warum aber konnte sie eigentlich auf Englisch singen, wo sie doch kein Wort der Amis verstand. "Ihr wurde alles in Lautschrift ausgeschrieben", verrät Schmidt, der in der Revue ohnehin einige Geheimnisse und Gerüchte ausplaudert. Hörnchen brilliert derweil weiter mit Klassikern wie "Halbblut", "Ein Lied kann eine Brücke sein", "Oh Kall, oh Kall" oder einer mit schweren Aktenkoffern choreografierten "Ich sing fer‘s Finanzamt"-Version. Auch "Fever" und "Respect" werden in schönster Fleming-Manier adaptiert.

Getragen von der Musik, schlängelt sich die Story wie ein roter Faden um Flemings Lebensstationen. Mit Abstechern zum Eurovision Song Contest in Stockholm oder zu einer herrlich inszenierten DDR-Grenzkontrolle, bei welcher Fleming einfach nicht ihre Mannheimer Schlappgosch halten kann.

Emotional wird es, wenn sich die Charaktere immer stärker aus ihren gespielten Rolle schälen, aus der Frisöse Druni die wahre Tochter Heidi wird, die alte Familienfotos durchblättert, von ihrem auch unterkühlten Verhältnis zur berühmten Sänger-Mutter berichtet - und aus dem Tagebuch vorliest. "Durch die habe ich meine nassen Hände und jede Angst verloren. Weil dich einfach nichts aus der Ruhe bringt", hat sie von ihrer "Mama" gelernt.

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