So müssen die Kneipen in der Altstadt demnächst schließen (Update)
Gemeinderat folgt CDU-Antrag - Werktags 1 Uhr, Donnerstag auf Freitag 3 Uhr, Wochenenden 4 Uhr

Heidelberger Partymeile "Untere Straße" bei Nacht. Foto: Philipp Rothe
Heidelberg. (hob) Das Abstimmungsergebnis war denkbar knapp. Am Dienstagabend votierte der Heidelberger Gemeinderat für strengere Sperrzeiten. Dabei setzte sich die CDU mit ihrem Kompromissvorschlag durch. Künftig müssen die Gaststätten in der östlichen Heidelberger Altstadt in den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bereits um 1 Uhr, in der Nacht auf Freitag um 3 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag um 4 Uhr schließen. Die neuen Sperrzeiten gelten ab 2. August.
Die alte Sperrzeitsatzung, wonach die Lokale in den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bis 2 Uhr und an den restlichen Tagen bis 4 Uhr ihre Gäste bewirten dürfen, war zuvor vom Verwaltungsgerichtshof in Mannheim für rechtswidrig erklärt worden.
Sowohl die CDU als auch die "Heidelberger" und die Fraktionsgemeinschaft von Die Linke/Piraten waren mit eigenen Anträgen in die Abstimmung gegangen. Am Ende sprach sich die Mehrheit der Stadträte für den Vorschlag der Union aus.
Mit flankierenden Maßnahmen wie einer personellen Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes und der Einsetzung eines Lärmbeauftragten will man nachts in der Altstadt für mehr Ruhe sorgen.
Damit hoffen die Stadträte, die Normerlassklage, die gerade von rund 30 Altstädtern vorbereitet wird, abzuwenden. Die Anwohner wollen mit dieser Klage noch strengere Kneipenöffnungszeiten durchsetzen.
Nach Angaben der Stadt sind rund 1100 Menschen von unzumutbarem Lärm betroffen. Es wird damit gerechnet, dass aus deren Reihen wieder juristische Schritte gegen die neue Verordnung kommen.
Die Altstadtbewohner hatten bereits im März dieses Jahres einen Erfolg verbucht, als der Verwaltungsgerichtshof die bis dahin geltende Regelung zu den Öffnungszeiten für unwirksam erklärt hatte. Sie berücksichtige die schützenswerten Interessen der Anwohner nicht hinreichend, argumentierten die Richter. Nach dem Beschluss war die Stadt gezwungen, sich Gedanken darüber zu machen, wie lange die Bars und Kneipen in Heidelberg nachts geöffnet bleiben dürfen.
Wenn der Gemeinderat das Bedürfnis der Anwohner nach Nachtruhe nun ein weiteres Mal ignoriert hätte, wären selbst Sperrzeiten von 24 Uhr werktags und 1 Uhr am Wochenende denkbar gewesen, so die Befürchtung.
Update: 24. Juli 2018, 20.30 Uhr
Hintergrund
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Müssen die Kneipen in der östlichen Altstadt künftig werktags um 1 Uhr schließen? Und werden die Wirte ihre Gäste in den Nächten auf Samstag und Sonntag bald schon morgens um 3 Uhr nach Hause schicken?
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Müssen die Kneipen in der östlichen Altstadt künftig werktags um 1 Uhr schließen? Und werden die Wirte ihre Gäste in den Nächten auf Samstag und Sonntag bald schon morgens um 3 Uhr nach Hause schicken? Mit denkbar knapper Mehrheit von acht zu sieben Stimmen und einer Enthaltung votierte der Haupt- und Finanzausschuss am Mittwoch für diesen Vorschlag der Verwaltung.
Die Stadträte von Grünen, SPD, GAL und "Bunte Linke" waren für diese strengeren Kneipenöffnungszeiten, CDU, Heidelberger, FDP, Linke und AfD dagegen. Felix Grädler (Grüne) enthielt sich. Für die entscheidende Gemeinderatssitzung am 24. Juli ist damit wieder alles offen.
Schon einmal hatte der Haupt- und Finanzausschuss am 2. Mai für dieselbe Verwaltungsvorlage gestimmt. Doch in der anschließenden Gemeinderatssitzung wurde das Thema vertagt - nachdem Oberbürgermeister Eckart Würzner mehrere Änderungsanträge nicht zur Abstimmung zugelassen hatte.
Würzner hatte die Anträge einkassiert, weil sie in seinen Augen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nicht ausreichend berücksichtigten. Die Mannheimer Richter waren nämlich davon ausgegangen, dass die bislang geltenden Sperrzeiten von 2 Uhr in den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag und vier Uhr in den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag die Nachtruhe der Anwohner so stark störten, dass von einer Gesundheitsgefährdung ausgegangen werden könne. Und die Anträge von CDU, FDP und Linke/Piraten stellten in den Augen des Oberbürgermeisters keine grundsätzliche Verbesserung dar.
"Die Lärmwerte werden immer überschritten, wenn sich Menschen in der Stadt aufhalten", begründete CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Gradel seinen neuen Antrag, die Sperrzeiten werktags außer donnerstags auf 1 Uhr, in der Nacht zum Freitag auf 3 Uhr und am Wochenende auf 4 Uhr festzulegen. Man müsse deshalb auf die Nachtschwärmer einwirken, damit sie sich ruhiger verhalten.
Gradel schlug vor, den Kommunalen Ordnungsdienst personell weiter zu verstärken, die Abfahrten der Nachtbusse zu zentralisieren und somit die Besucherströme weg von den Anwohnern zu lenken. Zudem sollten nicht nur die Wirte mehr in die Pflicht genommen werden, vor ihren Lokalen für Ruhe zu sorgen, sondern auch ein Lärmkümmerer oder Nachtbürgermeister installiert werden, der sich um die nächtlichen Probleme kümmert.
Der Antrag der Linken auf noch liberalere Sperrzeiten wurde mit 15 Gegenstimmen abgeschmettert. Und während Karl Breer (FDP) ankündigte, den CDU-Antrag zu unterstützen und große Hoffnungen in einen möglichen Nachtbürgermeister setzt, bat Peter Holschuh (Grüne) die Verfechter langer Kneipenöffnungszeiten, den Bogen nicht zu überspannen: "Sonst werden die Anwohner weiter klagen, dann sind Sie schuld, wenn die Kneipen künftig bereits um Mitternacht schließen müssen." Holschuh bezieht sich damit auf die Ankündigung von 30 Altstädtern, die beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eine Normenerlassklage einreichen wollen.
Mit dem Vorschlag der Verwaltung bestehe vielleicht die Möglichkeit, der Klage der Anwohner aus dem Weg zu gehen, meinte Christoph Rothfuß (Grüne). Und SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster lobte zwar das Bemühen der CDU, einen Interessenausgleich zu finden. Sie wolle aber endlich Rechtssicherheit und eine Befriedung der Altstadt - und werde daher für die Sperrzeiten von 1 Uhr werktags und 3 Uhr am Wochenende stimmen.
Hintergrund
Von Holger Buchwald
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Mit neuen Ideen, wie der nächtliche Lärm in der Altstadt reduziert werden könnte, aber auch mit konkreten Vorschlägen für Sperrzeiten gehen die Gemeinderatsfraktionen am Mittwoch im Haupt- und Finanzausschuss in die Diskussion um Kneipenöffnungszeiten. Dabei wollen die Befürworter einer möglichst liberalen Satzung zusammenarbeiten, wobei es zu einer ungewöhnlichen Koalition kommt: CDU, FDP und Linke/Piraten wollen ihr Vorgehen abstimmen.
Unterdessen bereitet Rechtsanwalt Werner Finger von der Karlsruher Kanzlei Deubner und Kirchberg für rund 30 lärmgeplagte Altstädter eine Normerlassklage vor. "Wir werden sie noch vor der nächsten Gemeinderatssitzung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe einreichen", sagte Finger am Dienstag auf Anfrage der RNZ.
Die Klägergemeinschaft erwägt auch einen Eilantrag: So könnten die Richter bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Sperrzeiten für die östliche Altstadt anordnen. "Das ist prozessual möglich", so Finger. Und der Rechtsanwalt rechnet sich gute Chancen aus, dass das Gericht dem Eilantrag stattgibt.
Schließlich hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seiner letzten Entscheidung betont, dass von dem nächtlichen Kneipenlärm eine Gesundheitsgefahr für die Anwohner ausgehe. "Wir haben kein Vertrauen in den Gemeinderat", sagte Finger: Daher werde man nächste Woche die Klage einreichen.
Falls die Stadträte am 24. Juli doch noch akzeptable Sperrzeiten verabschieden sollten, könne man sie zurückziehen. Welche genauen Sperrzeiten die Klägergemeinschaft verlangen wird, steht noch nicht endgültig fest.
Nachdem Oberbürgermeister Eckart Würzner bei der vorletzten Gemeinderatssitzung einige Anträge der Fraktionen wegen rechtlicher Bedenken nicht zugelassen hatte, haben die Stadträte ihre Vorschläge überarbeitet. "Wir werden den Antrag der CDU unterstützen", sagte FDP-Fraktionsvorsitzender Karl Breer am Dienstagabend.
Auf jeden Fall wolle man vorschlagen, einen Nachtbürgermeister einzusetzen, so wie es in Mannheim derzeit vorbereitet wird. Aber auch die Wirte sollten noch stärker in die Pflicht genommen werden, um für Ruhe zu sorgen.
Die CDU schlägt vor, dass die Sperrzeit in den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag um 1 Uhr beginnt, in der Nacht zum Freitag um 3 Uhr und in den Nächten auf Sonntag und Sonntag um 4 Uhr. Darüber hinaus soll die Lärmproblematik mit flankierenden Maßnahmen entschärft werden: Diese sehen unter anderem drei zusätzliche Stellen beim Kommunalen Ordnungsdienst vor, zudem soll die Stadt den Kneipen und Bars Bildschirme zur Verfügung stellen, auf der die Abfahrtszeit der Moonliner-Nachtbusse angezeigt werden.
"Dadurch soll erreicht werden, dass die Wartezeit der Gäste in den Innenraum verlegt wird und alkoholisierte Gäste sich nach Möglichkeit nicht zu lange im Freien aufhalten", schreibt die CDU in ihrem Antrag. Außerdem schlägt die CDU vor, die Abfahrt der Moonliner am Universitätsplatz zu zentralisieren. Die bisherigen Haltestellen Marstallstraße und Alte Brücke sollen entfallen.
So könne verhindert werden, dass der Publikumsverkehr aus der Unteren Straße und vom Marktplatz über die kleinen Seitenstraßen oder in Richtung Bismarckplatz über die Hauptstraße gelenkt wird. Überdies sollen die Inhaber von Kneipen und Bars in ihrem Umfeld mit eigenem Ordnungspersonal für Nachtruhe sorgen.
Die Linke/Piraten schlagen vor, dass die Kneipen in den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag um 1.45 Uhr, in der Nacht auf Freitag um 2.45 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag um 3.45 Uhr schließen müssen. "Nach wie vor stehen wir als Fraktion ,Die Linke/Piraten’ dazu, dass Sperrzeiten generell abgeschafft gehören, zumindest aber, dass die Landesregelung gelten soll", schreiben die Stadträte Sahra Mirow, Bernd Zieger und Alexander Schestag in ihrer Begründung.
Am liebsten wären ihnen also Sperrzeiten von 3 Uhr werktags und 5 Uhr am Wochenende. Als Kompromiss schlage man aber nun die oben genannten Kneipenöffnungszeiten vor. Darüber hinaus will sich die Fraktionsgemeinschaft dafür einsetzen, den Lärmschutz für die Anwohner zu intensivieren, wofür zum Beispiel die Stelle eines Nachtbürgermeisters geschaffen werden könne.
Info: Der Haupt- und Finanzausschuss tagt am Mittwoch um 16.30 Uhr im Neuen Sitzungssaal des Rathauses. Die Sperrzeiten sind Tagesordnungspunkt drei.
Hintergrund
Heidelberg. (rnz) Es wird so langsam eine unendliche Geschichte: Eine (Vor)Entscheidung über die Sperrzeiten in der Altstadt gab es auch am Mittwochnachmittag im Haupt- und Finanzausschuss
Heidelberg. (rnz) Es wird so langsam eine unendliche Geschichte: Eine (Vor)Entscheidung über die Sperrzeiten in der Altstadt gab es auch am Mittwochnachmittag im Haupt- und Finanzausschuss nicht. Auf Antrag der CDU wurde das Thema - einmal mehr - vertagt.
Offenbar hatte es am gestrigen Dienstagabend ein Gespräch zwischen den Fraktionen CDU, FDP und Linke/Piraten und Bürgermeister Wolfgang Erichson wegen der rechtlichen Einwänden zu den vergangenen Anträgen zur Sperrzeitenregelung gegeben. Auf Antrag der CDU wurde in der heutigen Sitzung entschieden, das Thema zu vertagen. Geplant ist das Thema auf der kommenden Sitzung des Hauptausschusses im Juli wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Hintergrund für die Verschiebung war auch, dass während der Fußball-Weltmeisterschaft ohnehin erstmal eine Ausnahmegenehmigung gilt. Diese landesweit gültige Regelung erlaubt die Außenbewirtschaftung bis 0 Uhr.
Hintergrund
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Abstimmung wird knapp. Wenn heute der Haupt- und Finanzausschuss des Gemeinderates darüber entscheidet, ob er Rechtsmittel gegen das Sperrzeiten-Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg einlegen will, wird es von
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Die Abstimmung wird knapp. Wenn heute der Haupt- und Finanzausschuss des Gemeinderates darüber entscheidet, ob er Rechtsmittel gegen das Sperrzeiten-Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg einlegen will, wird es von der CDU und den Grünen abhängen. Beide haben jeweils drei Sitze in dem Gremium und haben sich nach ihrer Fraktionssitzung am Montag noch nicht eindeutig positioniert.
Bislang durften die Kneipen in der Heidelberger Kernaltstadt in den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag bis 4 Uhr ihre Gäste bewirten. An den anderen Tagen mussten sie um 2 Uhr schließen. In allen anderen Kommunen Baden-Württembergs gilt, sofern nichts anderes festgelegt ist, dass die Gaststätten werktags bis 3 Uhr und am Wochenende sogar bis 5 Uhr morgens öffnen dürfen.
Obwohl die Heidelberger Regelung im Landesvergleich etwas strenger ist, hat der VGH mit seinem Urteil vom 28. März die Sperrzeit-Satzung nach einer Anwohnerklage gekippt. Als der Gemeinderat im Dezember 2016 neue Kneipenöffnungszeiten beschloss, habe er die Interessen der Anwohner nicht ausreichend berücksichtigt, so das Urteil. Die Mannheimer Richter hatten keine Revision zugelassen, dagegen könnte der Hauptausschuss heute Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgerichtshof in Leipzig einlegen. Die Entscheidung, ob weiter juristisch gekämpft werden soll, fällt heute in nicht-öffentlicher Sitzung.
Eine Umfrage bei den Einzelstadträten und Fraktionen ergab im Vorfeld ein uneinheitliches Bild. Einige haben sich bereits entschieden und unterstützen den Verwaltungsvorschlag, der vorsieht, dass das Urteil akzeptiert wird und die Kneipen künftig werktags um 1 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag um 3 Uhr schließen müssen: Darunter die Grün-Alternative Liste (GAL) und die Bunte Linke (je ein Sitz im Ausschuss). Die Freien Wähler befürworten zwar auch diesen Vorschlag, werden sich aber laut Stadträtin Simone Schenk zur Frage, ob Rechtsmittel eingelegt werden sollen, enthalten.
Die FDP, mit der die Freien Wähler eine Fraktionsgemeinschaft bilden, setzen sich für die Nichtzulassungsbeschwerde ein. Stadtrat Michael Eckert, der auch Vorsitzender des Heidelberger Anwaltsvereins ist, begründet seine Haltung mit einem Zitat aus dem VGH-Urteil: "Aus den Lärmmessungen ist zu folgern, dass nach Sperrzeitbeginn um 3 Uhr die Intensität der Geräuschemissionen nur geringfügig abnimmt und selbst in den ganz frühen Morgenstunden die Idealwerte der TA-Lärm nicht annähernd erreicht werden." Sowohl die Lärmgutachter als auch das Gericht hätten somit bestätigt, dass die Lärmwerte weitgehend unabhängig von den Sperrzeiten sind. Daher könne seiner Meinung nach keine Änderung der Kneipenöffnungszeiten verlangt werden.
Zu berücksichtigen sei auch, so Eckert, dass es in der Altstadt nach dem Wegfall des Alkoholverkaufsverbots nach 22 Uhr wieder mehr Kioske gibt, an denen sich die Nachtschwärmer mit Alkohol eindecken könnten. Diese seien nicht an die Sperrzeiten gebunden. Wenn Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werde, könnten all diese Fragen in Ruhe diskutiert werden. Denn das VGH-Urteil würde somit nicht rechtskräftig.
Einzelstadtrat Waseem Butt möchte ebenso für die Nichtzulassungsbeschwerde stimmen, wie AFD-Stadtrat Matthias Niebel und "Die Linke" (alle je ein Sitz). Matthias Diefenbacher ("Heidelberger") legt sich zwar nicht eindeutig fest. Er glaubt aber, dass es wohl wenig erfolgversprechend sein wird, Rechtsmittel einzulegen: "Das Thema sollte politisch und nicht juristisch geklärt werden", sagt der Rechtsanwalt. Ähnlich argumentiert SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster. Sie sitzt mit ihrem Kollegen Michael Rochlitz im Hauptausschuss. Innerhalb der SPD gehen die Meinungen, welche Kneipenöffnungs᠆zeiten geeignet sind, weit auseinander. Ein Teil setzt sich für den Verwaltungsvorschlag ein, Andreas Grasser und Mathias Michalski hingegen werben für liberalere Sperrzeiten.
Um sowohl den Anwohnern als auch den Altstadt-Besuchern entgegenzukommen, schlagen die "Heidelberger" einen Kompromiss vor: Die Gaststätten sollten werktags um 1 Uhr schließen, dafür aber am Wochenende nach wie vor bis 4 Uhr öffnen dürfen. Sowohl GAL als auch Freie Wähler setzen sich zwar für den strengen Vorschlag von Bürgermeister Wolfgang Erichson ein, Ausnahmen für die Clubs Cave 54, Tangente und Club 1900 sollten aber möglich sein. Damit wolle man dem Clubsterben entgegenwirken, so GAL-Stadträtin Judith Marggraf. Von den Stadträten, die sich zur Nichtzulassungsbeschwerde geäußert haben, befürworten drei diesen Schritt, vier sind dagegen.
Unterdessen meldet sich die Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" (Linda), die die klagenden Anwohner unterstützt, mit einem offenen Brief an Oberbürgermeister Eckart Würzner zu Wort. Nach der Auffassung des Rechtsamtes vom Oktober 2016 rechtfertigten die Lärmmessungen des Büros Genest und Partner sogar noch strengere Sperrzeiten als die jetzt von der Verwaltung favorisierte 1/3-Uhr-Regelung. Liberalere Kneipenöffnungszeiten seien daher rechtswidrig. Wenn der Gemeinderat nun erneut die Rechte der Anwohner verletze, sei Würzner laut Gemeindeordnung dazu verpflichtet, dem Beschluss zu widersprechen.
Die Linda-Sprecher Martin Kölle und Doris Hemler zitieren ebenfalls das VGH-Urteil: "Trotz der zweifelsfreien Berührung der Grundrechte von Touristen, sonstigen Gaststättenbesuchern und Gastronomen wiegt hier das Grundrecht der Anwohner aus Artikel 2, Satz 1, Grundgesetz, erheblich schwerer." In dem Artikel heißt es: "Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit." Auch Linda sehe ein, dass es in einer Stadt Möglichkeiten geben müsse zu feiern: "Dies darf jedoch nicht die Nachtruhe und Gesundheit der Anwohner unzumutbar beeinträchtigen." Auch in anderen Städten wie München hätten sich viele Kneipen und Bars in die Außenbezirke verlagert.
Info: Die öffentliche Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses beginnt heute um 18.15 Uhr im Neuen Sitzungssaal des Rathauses, Marktplatz 10.
Hintergrund
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Genau 550 Tage ist es her, dass der Bezirksbeirat Altstadt das letzte Mal über die Kneipenöffnungszeiten zu entscheiden hatte. Seitdem ist viel passiert:
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Genau 550 Tage ist es her, dass der Bezirksbeirat Altstadt das letzte Mal über die Kneipenöffnungszeiten zu entscheiden hatte. Seitdem ist viel passiert: Der Gemeinderat erließ im Dezember 2016 eine neue Sperrzeitsatzung für die Kernaltstadt, die nach einer Anwohnerklage vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) gekippt wurde, weil das Bedürfnis der Anwohner auf Nachtruhe nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Am Mittwoch durfte die Stadtteilvertretung nun erneut abstimmen: Die Bezirksbeiräte sprachen sich mit 7:2 für den Vorschlag von Bürgermeister Wolfgang Erichson aus, wonach die Kneipen künftig werktags um 1 Uhr und in den Nächten auf Samstag und Sonntag um 3 Uhr schließen müssten.
Die Räte diskutierten nur kurz. Bürgermeister Erichson klärte das Gremium stattdessen über die rechtlichen Rahmenbedingungen auf. Der VGH habe in seinem Urteil keine Revision zugelassen, der Hauptausschuss könnte aber am kommenden Mittwoch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. "Die FDP vertritt das ganz offen, die CDU liebäugelt damit", sagt Erichson. Sollte sich diese Meinung durchsetzen, würde das Thema erst einmal vertagt. Andernfalls müsste der Gemeinderat am 17. Mai über neue Sperrzeiten entscheiden.
Die Festlegung von Kneipenöffnungszeiten liegt allein beim Gemeinderat. Das machten die Mannheimer Richter deutlich. "Allerdings forderten sie auch, dass sich die Stadt um eine Verbesserung der Lärmsituation bemühen müsse", so Erichson. Wenn die Stadträte liberale Sperrzeiten forderten, müssten sie das genau begründen und die Interessen von Anwohnern, Wirten und Besuchern gegeneinander abwägen. Andernfalls könnte der Oberbürgermeister die Entscheidung vom Regierungspräsidium überprüfen lassen.
"Es ist die verdammte Pflicht des Gemeinderates, etwas für die Anwohner zu tun", sagte SPD-Rat Peter Seidel. Gerd Guntermann (GAL) zitierte aus dem VGH-Urteil: Die aktuelle Sperrzeitverordnung verstoße gegen das Gemeinwohl und verletzte das Grundrecht der Anwohner auf Gesundheit. Unterdessen stellt die CDU den Antrag, die Außenbewirtschaftung werktags bis Mitternacht und am Wochenende bis 1 Uhr zuzulassen. Bislang ist eine Stunde früher Schluss. Laut CDU-Stadtrat Matthias Kutsch könnten damit die Interessen der Besucher befriedigt und leiseres Publikum angezogen werden.
Andrés Jähnke (CDU) erklärte sich für befangen. Einzig Hannes Wendling (FDP) und Matthias Fehser ("Heidelberger") stimmten gegen Erichsons Sperrzeitenvorschlag. Danach begründete Wendling seine Haltung: "Wir wollen eine lebenswerte Stadt für die Besucher, aber auch für die Leute, die hier ihre eigene Jugend verleben." Man könne auch mit anderen Mitteln die Situation für die Anwohner verbessern. Ratskollege Fehser hat Angst, dass der Stadtteil kaputtgemacht wird.
Hintergrund
Heidelberg. (hob) Kurz vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung
Heidelberg. (hob) Kurz vor der entscheidenden Gemeinderatssitzung am kommenden Donnerstag trauen sich die Gegner strengerer Sperrzeiten in der Kern-Altstadt aus der Deckung. Wie schon einmal im Dezember 2016, als die Stadträte das letzte Mal über die Kneipenöffnungszeiten abstimmen sollten, werden die Studenten der Universität das Heidelberger Nachtleben heute symbolisch zu Grabe tragen. Die Demonstration, zu der der Studierendenrat aufruft und zu der sich Redner unterschiedlichster politischer Gruppierungen - von der Partei "Die Linke" über die Jusos und die Liberale Hochschulgruppe - angekündigt haben, startet um 19 Uhr am Heumarkt und zieht bis zum Marktplatz.
Parallel versuchen die Studenten, über eine Online-Petition möglichst viele Unterschriften zu sammeln. Am liebsten wäre ihnen, wenn gar keine neue Sperrzeitsatzung verabschiedet würde und somit für ganz Heidelberg wieder die Landesregelung gelten könnte: Die Gaststätten dürften dann werktags bis 3 Uhr und in den Nächten auf Samstag sowie Sonntag bis 5 Uhr öffnen. Als Kompromiss können sich die Studenten auch Sperrzeiten von 2 Uhr unter der Woche, 3 Uhr in der Nacht zum Freitag und 4 Uhr am Wochenende vorstellen.
Der Vorschlag der Stadtverwaltung sieht hingegen vor, dass die Kneipen künftig werktags um 1 Uhr und am Wochenende um 3 Uhr schließen müssen. Sowohl der Bezirksbeirat Altstadt als auch der Haupt- und Finanzausschuss sprachen sich für diese Regelung aus.
Damit will sich die Initiative des Studierendenrats, die sich "Lebendige Altstadt für alle" (Lafa) nennt, jedoch nicht abfinden. "Heidelberg ist eine Studentenstadt, das macht einen wichtigen Teil der Außenwahrnehmung aus. Dazu gehört auch das Nachtleben in der Altstadt. Dieses so drastisch einzudämmen, nimmt einen großen Teil von Heidelbergs jungem, lebendigem Charakter und sicherlich auch der Attraktivität der Stadt", heißt es in einer Presseerklärung. Andere Maßnahmen zur Eindämmung des Lärms - wie eine angemessene Polizei-Präsenz oder schalldämmende Fenster - seien nicht ausreichend betrachtet worden.
Schon einmal machten die Studenten gegen strengere Sperrzeiten mobil. Der damalige Lafa-Sprecher kündigte eine breit angelegte Informationskampagne an, um die Nachtschwärmer für die Lärmproblematik zu sensibilisieren. Die Studentenvertreter boten den Vertretern der Bürgerinitiative "Leben in der Altstadt" sogar Gespräche an. Anderthalb Jahre ist das her, passiert ist allerdings nichts. "Leider fand die Informationskampagne damals zu wenig Unterstützer", gibt sich Lea Fischer, eine der diesjährigen Organisatoren der Demo, selbstkritisch. Dieses Mal wolle man sich aber auf jeden Fall für eine Informationskampagne einsetzen und suche dafür die Kooperation mit der Stadt.
Auch Melanie von Görtz, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, wendet sich mit einem Brief an den Gemeinderat und setzt sich für die Landesregelung ein. In Heidelberg gebe es einen erheblichen Bedarf an Gaststätten, Nachtlokalen und Diskotheken. Längere Ausgehzeiten, die sich am veränderten Verhalten der Kneipengänger orientierten, erhöhten die Attraktivität. Die Mehrheit der Dehoga-Mitglieder wünsche sich in der Woche einen Sperrzeitbeginn nicht vor 2 Uhr, in der Nacht zu Samstag und Sonntag sollten die Kneipen mindestens bis 4 Uhr öffnen dürfen.