OB Würzner hält alle drei Anträge der Fraktionen für rechtswidrig
Eckart Würzner will die Anträge in der Sitzung am heutigen Donnerstagabend nicht zur Abstimmung zulassen

Bei einem Protestzug durch die Untere Straße trugen Heidelberger Studenten am Dienstagabend - wieder einmal - das Nachtleben symbolisch zu Grabe. Dem Aufruf waren 200 Demonstranten gefolgt. Foto: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Heidelberg. Rund 200 Studenten demonstrierten noch am Vorabend in der Unteren Straße für liberale Sperrzeiten in der Altstadt. Auch der Jugendgemeinderat stimmte am Dienstag für lange Kneipenöffnungszeiten. Doch gestern sprach Oberbürgermeister Eckart Würzner ein Machtwort: Er informierte alle Mitglieder des Gemeinderates in einem Brief, dass die ihm bisher vorliegenden Anträge der Fraktionen rechtswidrig seien.

Eckart Würzner. Foto: Philipp Rothe
Konkret heißt das, dass die Stadträte in der Sitzung heute nur über einen Vorschlag entscheiden können: den der Verwaltung. Und der sieht Sperrzeiten von 1 Uhr unter der Woche und 3 Uhr in der Nacht auf Samstag und Sonntag vor.
Sowohl die Anträge von FDP, Die Linke/Piraten als auch von der CDU verstoßen in Würzners Augen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg: Die Mannheimer Richter hatten die bisher geltenden Sperrzeiten für die östliche Altstadt mit ihrer Entscheidung vom 10. April gekippt. Dass die Kneipen in den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag bis 4 Uhr öffnen dürfen und an den anderen Tagen bis 2 Uhr, ist in ihren Augen rechtswidrig.
Hintergrund
Die neue Sperrzeitverordnung für die östliche Altstadt ist der fünfte Punkt auf der heutigen Sitzung des Gemeinderates. Bisher gingen bei der Stadtverwaltung drei Anträge ein.
Die FDP-Fraktion möchte gar keine Sperrzeitsatzung
Die neue Sperrzeitverordnung für die östliche Altstadt ist der fünfte Punkt auf der heutigen Sitzung des Gemeinderates. Bisher gingen bei der Stadtverwaltung drei Anträge ein.
Die FDP-Fraktion möchte gar keine Sperrzeitsatzung verabschieden und damit wieder die Landesregelung einführen. Somit könnten die Wirte ihre Gäste werktags bis 3 Uhr und am Wochenende bis 5 Uhr bewirten. Als Ausgleich für die Anwohner soll ein "Lärmkümmerer" eingesetzt werden, der im Falle von Ruhestörungen bei der Problemlösung helfen soll.
Die Fraktionsgemeinschaft Die Linke/Piraten will die aktuellen Sperrzeiten nur leicht modifizieren: In den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag wäre um 2 Uhr Schluss, in der Nacht auf Freitag um 3 Uhr ("studentischer Donnerstag") und am Wochenende um 4 Uhr.
Die CDU will werktags Sperrzeiten von 1 Uhr und am Wochenende von 4 Uhr. Im Gegenzug soll die Außenbewirtschaftung in den Sommermonaten werktags bis Mitternacht und am Wochenende bis 1 Uhr verlängert werden. Bislang müssen die Wirte ihre Tische um 23 Uhr wegräumen. hob
Als der Gemeinderat im Dezember 2016 diese Satzung beschlossen habe, seien die Belange der Anwohner zu gering gewichtet worden, heißt es in dem Urteil:"Die Grenze, ab der Gesundheitsgefahren für die Anwohner zu erwarten sind, wird in der Nacht um 2 Uhr beziehungsweise 4 Uhr am Wochenende jeweils weit überschritten." Begründet wird dies mit den Ergebnissen der Lärmmessungen des Büros "Genest und Partner" - dieses hatte vom 13. Mai bis 3. Juli 2016 an fünf Messpunkten in der Stadt die Lärmwerte ermittelt.
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Der Verwaltungsgerichtshof erkannte zwar an, dass der Gemeinderat die Kneipenöffnungszeiten - außer donnerstags - leicht eingeschränkt hatte, doch die aktuelle Sperrzeitsatzung könne den Schutz der Nachtruhe nicht gewährleisten. Der VGH gab den städtischen Vertretern einen klaren Auftrag mit auf den Weg: Es sei ihre Aufgabe, "sich um eine deutliche Verbesserung der Lärmsituation" für die Anwohner zu bemühen. Würzner zieht aus dieser Entscheidung nun die Konsequenz. Der VGH habe zwar betont, dass es Sache des Gemeinderates sei, die Sperrzeiten abstrakt festzulegen. "Dabei muss aber der rechtliche Rahmen eingehalten werden", so der OB: "Ich bitte daher alle Fraktionen, dies bei ihren Sachanträgen zu berücksichtigen."
Hintergrund
Studenten demonstrierten
Viele junge Heidelberger haben am Dienstag noch einmal alle Kräfte mobilisiert, um allzu strenge Sperrzeiten zu verhindern, während der Verein Alt-Heidelberg sich gestern noch einmal in einer Stellungnahme zu Wort
Studenten demonstrierten
Viele junge Heidelberger haben am Dienstag noch einmal alle Kräfte mobilisiert, um allzu strenge Sperrzeiten zu verhindern, während der Verein Alt-Heidelberg sich gestern noch einmal in einer Stellungnahme zu Wort meldete.
Der Jugendgemeinderat diskutierte anderthalb Stunden über die Kneipenöffnungszeiten. Zwar zeigten die Mitglieder Verständnis für lärmgeplagte Anwohner. "Ich wüsste aber nicht, warum es ein Anliegen von uns Jugendlichen sein sollte, kürzere Zeiten zu fordern", so Vincent Niestroj. "Heidelberg ist eine junge Stadt", fügte Rosa Bühler hinzu. Als einige der Jugendlichen für die Wirte Partei ergriffen, wurde Ordnungsbürgermeister Wolfgang Erichson polemisch: "Um deren Interessen müsst ihr euch nicht kümmern. Die sind alle Millionäre." Am Ende standen sechs verschiedene Vorschläge zur Abstimmung. Der Jugendgemeinderat votierte schließlich mit sieben zu drei und bei sieben Enthaltungen dafür, dass die Kneipen werktags außer donnerstags bis 2 Uhr öffnen dürfen, in der Nacht zum Freitag bis 3 Uhr und am Wochenende bis 4 Uhr.
Die Initiative "Lebendige Altstadt für alle" des Studierendenrats trug wie schon vor anderthalb Jahren, als der Gemeinderat das letzte Mal über die Sperrzeiten abstimmte, das Heidelberger Nachtleben zu Grabe. "Deutsche Kultur rund um die Uhr", stand auf eilig beschriebenen Transparenten. Selbst der Sarg war noch der alte. Auf ihm stand: "Heidelberger Nachtleben, gestorben am 20.12.2016." Nach Angaben der Polizei waren 200 Nachtschwärmer dem Demo-Aufruf gefolgt.
Der Verein Alt-Heidelberg befürwortet Sperrzeiten von 1 Uhr werktags und 3 Uhr am Wochenende. "Falls der Gemeinderat gegen den bereits im Bezirksbeirat und Hauptausschuss beschlossenen Vorschlag der Verwaltung stimmen sollte, sehen wir getrost einer erneuten Klage der Bürger gegen die Stadt entgegen", so die Vorsitzende Karin Werner-Jensen. hob
Für die heutige Gemeinderatssitzung ergeben sich nun mehrere Möglichkeiten:
> Der Vorschlag der Verwaltung wird von den Stadträten verabschiedet. Dann ist das Thema wohl erst einmal vom Tisch und die Gaststätten müssen werktags um 1 Uhr schließen, am Wochenende um 3 Uhr.
> Die Sitzung eskaliert und der Gemeinderat lässt den Vorschlag der Verwaltung durchfallen. Dann wird das Urteil des VGH rechtskräftig, wodurch wiederum die bisher geltende Sperrzeitsatzung ungültig ist und in der Stadt wieder die Landesregelung gilt. Die Kneipen dürften dann vorerst werktags bis 3 Uhr öffnen und am Wochenende bis 5 Uhr. Und die Anwohner werden weiter vor Gericht ihre Nachtruhe einklagen.
> Das Thema wird vertagt und der Gemeinderat legt gegen die Nichtzulassung der Anträge Beschwerde ein.
> Ein ganz neuer Antrag findet eine Mehrheit im Gemeinderat.
Info: Der Gemeinderat tagt am Donnerstag um 16.30 Uhr im Großen Rathaussaal.