Tempo 30 auch tagsüber auf viel mehr Straßen?
Nach einem Grünen-Antrag soll das Geschwindigkeitslimit auf mehr Straßen gelten. Der Lärmaktionsplan wurde im Mobilitätsausschuss kontrovers diskutiert.

Von Hannes Huß
Heidelberg. Um die Gesundheit der Anwohner zu schützen, möchte die Stadt im Rahmen des Lärmaktionsplans in mehreren Heidelberger Straßen Tempo 30 einführen (siehe Grafik). Die Grünen-Fraktion beantragte in der letzten Sitzung des Mobilitätsausschusses nun, dass diese Maßnahme ausgeweitet werden soll. Insbesondere der Vorschlag, Tempo 30 auch tagsüber in der Römerstraße festzulegen, wurde intensiv diskutiert.
Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, auf der viel befahrenen Straße nur nachts die Geschwindigkeit zu reduzieren. Schlussendlich stimmte der Ausschuss aber dem Antrag der Grünen zu.

Dass die Römerstraße sowie weitere Straßen und -abschnitte im Stadtgebiet nun auch tagsüber für Tempo 30 ausgewiesen werden sollen, begründete Christoph Rothfuß (Grüne) mit der hohen Anzahl an Anwohnern, die vom Straßenverkehrslärm betroffen seien.
Auch die Auswirkungen auf den ÖPNV seien gering, argumentierte der Stadtrat. Zudem wies er darauf hin, dass "Rentner, Studierende und Menschen, die nachts arbeiten" auch tagsüber zu Hause sind. Die Argumentation der Verwaltung sei also "nicht haltbar".
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Notwendig ist der Lärmaktionsplan aufgrund der in dieser Höhe nicht zulässigen Belastung der Anwohner. Diese sind auf manchen Streckenabschnitten Werten von mehr als 70 Dezibel ausgesetzt, weswegen die Stadt dort handeln muss. Die Werte wurden allerdings berechnet, nicht gemessen, wie es etwa in der Altstadt im Zuge des Sperrzeitenstreits der Fall war. Bei einer Messung vor Ort hätte es zu viele Störgeräusche gegeben, erläuterte die Verwaltung, weswegen man sich auf Daten aus der Lärmwirkungsforschung stützen müsse.
Kritik am Antrag der Grünen gab es vor allem von der Fraktion der "Heidelberger" sowie der CDU. Stadträtin Marliese Heldner (Heidelberger) plädierte dafür, dem Verwaltungsvorschlag ohne Änderungen zu folgen. Sie erinnerte daran, dass eine Tempo-Reduzierung auch Handwerker und Rettungsdienste treffen würde, die "den ganzen Tag durch die Stadt fahren müssen".
Zudem habe man schon jetzt ein Problem mit Verzögerungen im ÖPNV, da sei das jetzt "die falsche Herangehensweise." CDU-Stadträtin Yasmin Renani sorgte sich derweil, dass unter dem "Deckmantel des Lärmschutzes" versucht werde, mehr Tempo 30-Zonen einzurichten. "Da bekommen wir ein großes Transparenzproblem", so die Stadträtin.
Das Argument, dass eine Tempo-30-Regelung auch Rettungsdienste betreffen würde, wollte Einzelstadtrat Michael Pfeiffer (GAL) nicht gelten lassen: Im Einsatz müssten diese sich ja nicht an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. Für ihn sei der Verweis auf Handwerker "Klientelpolitik".
Sie würden durch Tempo 30, nach Angaben der Verwaltung, auf einen Kilometer 48 Sekunden verlieren. Angesichts der Argumente gegen den Grünen-Antrag fragte er: "Reden wir über Gesundheit und Wohlbefinden? Oder reden wir darüber, dass die Fahrzeuge weiterhin schnell fahren können?"
Im Zuge der Debatte regte SPD-Stadtrat Sören Michelsburg zudem Tempo 40 an, zumindest auf den Hauptverkehrsachsen. So würde man "Feinstaub- und Lärmbelastung" reduzieren und gleichzeitig die Achsen weiterhin von anderen Straßen wie der Rohrbacher unterscheiden.
Auch der Fahrtfluss wäre so verbessert, meinte Michelsburg. Ansonsten zeigte er sich kritisch gegenüber Tempo 30 in der Römerstraße: Diese sei als "Nord-Süd-Achse" ausgewiesen, um eine schnelle Durchquerung der Stadt zu ermöglichen. Würde man nun hier Tempo 30 tagsüber einführen, so würden viele Autofahrer in die Rohrbacher Straße ausweichen, prognostizierte Michelsburg.
Und so würde diese für Radfahrer unsicherer werden. Eine Argumentation, der auch Marliese Heldner folgte: "Das ist eben unsere Nord-Süd-Achse." 30er-Zonen in Nebenstraßen halte sie hingegen für richtig.
Die Einrichtung von Tempo 40 ist allerdings nicht möglich, erläuterte Verkehrsbürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain. Denn die Verwaltung ist diesbezüglich "nicht frei", das sei über die Straßenverkehrsordnung geregelt. Und in dieser sei Tempo 50 als "Regelgeschwindigkeit" vorgegeben. Zudem würde durch die Einführung eines weiteren Tempolimits neben 30 und 50 die Situation für die Verkehrsteilnehmer nur unübersichtlicher.
Schlussendlich stimmte der Mobilitätsausschuss mit acht Stimmen von Grünen, HiB, Volt, Bunte Linke und GAL für den Antrag, die fünf Stadträte von Heidelbergern, FDP, CDU und AfD stimmten dagegen, die beiden SPD-Vertreter enthielten sich. Anfang Juni fällt nun der Gemeinderat die endgültige Entscheidung.