Heidelberg

Kanalsanierung Hauptstraße - Viele Kunden meiden die Baustelle

Läden in der hinteren Hauptstraße klagen über Umsatzeinbußen bis 80 Prozent - Nach wie vor sind sie aber erreichbar

25.05.2018 UPDATE: 26.05.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 12 Sekunden

Der Umsatz in Andrea Heusers Laden "Andenken und Mitbringsel" hat sich halbiert.

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Diese Baustelle sei wie eine Krankheit, sagt Andrea Heuser. Seit Wochen wird direkt vor ihrem Souvenirladen "Andenken und Mitbringsel" in der Hauptstraße 215 gearbeitet. Fast fünf Meter tief ist der Graben derzeit. Die Konsequenz: Die Baustellenabsperrung steht auf dem Gehwegrand und lässt nur einen Durchgang von 1,20 Meter Breite.

Die meisten Touristen meiden die Engstelle und nehmen lieber den kleinen Umweg durch die Heiliggeiststraße. Den Geschäften fehlt somit ein Großteil der Laufkundschaft. "Mein Umsatz ist um die Hälfte eingebrochen", sagt Heuser. Laut ihrem Baustellentagebuch hat sie derzeit 200 bis 300 Euro Umsatz statt den 500 Euro in der Vor-Baustellenzeit. Vergleichszahlen zum Vorjahr hat sie nicht. Heuser hat den Laden erst im Oktober übernommen.

Hintergrund

> Die Kanalsanierung in der östlichen Hauptstraße, zwischen Karlsplatz und Karlstor, ist seit Langem überfällig. Der Abwasserkanal stammt von 1890, zudem werden Gas-, Wasser-, Strom- und Fernwärmeleitungen erneuert sowie neue Glasfaserkabel verlegt. Die

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> Die Kanalsanierung in der östlichen Hauptstraße, zwischen Karlsplatz und Karlstor, ist seit Langem überfällig. Der Abwasserkanal stammt von 1890, zudem werden Gas-, Wasser-, Strom- und Fernwärmeleitungen erneuert sowie neue Glasfaserkabel verlegt. Die Arbeiten, die im März begonnen haben, dauern voraussichtlich 30 Monate. Die lange Dauer hat mehrere Gründe: Damit die Häuser erreichbar bleiben, wird die Baustelle in viele kleine Abschnitte aufgeteilt. Zudem müssen die bis zu fünf Meter tiefen Gräben mit Spundwänden gesichert werden, damit die historische Bausubstanz keinen Schaden nimmt. Die Kosten werden mit rund 5,2 Millionen Euro veranschlagt.

> Der Baustellenunterstützungsfonds von Stadt und Stadtwerken ist dafür gedacht, den Gewerbetreibenden unter die Arme zu greifen. Seit 2002 wurden mehr als 1000 Betriebe mit insgesamt vier Millionen Euro unterstützt. Die Hilfe wird für baubegleitende Maßnahmen wie Feste, Öffentlichkeitsarbeit und Schilder, aber auch als Zuschuss gewährt. Darüber entscheidet ein ehrenamtlicher Beirat.

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"Wegen Baustelle zwei Stunden früher geschlossen", prangt an diesem Nachmittag an der Eingangstüre der Pralinenmanufaktur Vorbach, die direkt neben dem Souvenirladen liegt. Weil er wusste, dass ihn die Baustelle zur Kanalsanierung besonders hart treffen würde, hatte Helgo Vorbach seiner einzigen festangestellten Mitarbeiter bereits zum Jahresende 2017 gekündigt. "Gott sei Dank war ich so vorausschauend", sagt er heute: "Sonst hätte ich schon längst Insolvenz anmelden müssen."

Der Mai sei normalerweise sein umsatzstärkster Monat. Doch nun seien die Einnahmen um 70 bis 80 Prozent zurückgegangen. Und das habe vor allem einen Grund: Ein Sicherheitskoordinator der Baustelle habe den Gästeführern abgeraten, mit ihren Touristengruppen durch den schmalen Durchgang in der östlichen Hauptstraße zu gehen. Bei der Stadt konnte diese Aussage niemand bestätigen.

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Philipp Spengel, Inhaber der Gaststätte "Zum Roten Ochsen", leidet nicht so sehr wie seine Nachbarn unter Umsatzeinbußen, denn zu ihm kommen viele Gruppen, die lange im Vorfeld gebucht haben.

Er ärgert sich aber darüber, dass die Baustelle nun ganz anders abläuft, als es den Anwohnern und Gewerbetreibenden in drei Sitzungen versprochen wurde: Ursprünglich sollte zunächst nur der Kanal direkt am Karlsplatz samt Versorgungsleitungen erneuert werden.

Und erst wenn dieser Abschnitt wieder gepflastert und befahrbar ist, sollte die Baustelle weiter in die Hauptstraße wandern. Dadurch wäre für alle Passanten klar, dass die Geschäfte in der Hauptstraße, zu denen auch das Schmuckatelier Rauen und der Lieferservice "Pizza Paniz" gehören, weiterhin geöffnet sind.

Dies ist zwar nach wie vor der Fall, denn der Gehweg ist frei. Nur sieht das nicht jeder auf den ersten Blick. Laut Spengel seien die Arbeiter immer hilfsbereit, doch diese Organisation sei nicht nachvollziehbar.

Sowohl Heuser als auch Vorbach möchten Hilfe aus dem Baustellenunterstützungsfonds in Anspruch nehmen und werden entsprechende Anträge stellen. Vorbach fragte auch bereits bei den städtischen Wirtschaftsförderern nach, ob er für die Dauer der Baustelle nicht einen Verkaufsstand am Neckarmünzplatz aufbauen dürfe. Jürgen Weber, Leiter des Tiefbauamtes, kündigte an, dass er sich dafür einsetzen wolle.

Beim Vor-Ort-Termin zeigte er sich unterdessen mit dem Fortgang der Baustelle zufrieden: "Wenn im Juli das Landesfeuerwehrfest beginnt, werden wir mit dem Karlsplatz fertig sein."

Bereits Mitte Juni werde in diesem Bauabschnitt das Pflaster verlegt, dieses muss dann 28 Tage aushärten. Auf die Anwohner kommt dann aber schon das nächste Ungemach zu: Die Ersatzparkplätze, die sie derzeit auf dem Karlsplatz nutzen dürfen, fallen für die Dauer der Feierlichkeiten weg. Die nächsten Stellplätze befinden sich dann erst wieder hinter dem Karlstorbahnhof - in einem Kilometer Entfernung.

Doch es gibt auch gute Nachrichten aus der östlichen Hauptstraße. Laut einem Rundbrief des Amts für Wirtschaftsförderung an alle Anwohner sind die Arbeiten zwischen Karlsplatz und Leyergasse schon Anfang 2019 fertiggestellt. Und damit ein halbes Jahr früher als ursprünglich geplant.

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