Studiengebühren bringen Ministerin Theresia Bauer in die Kritik
Viele Studenten im Land sind gerade nicht zufrieden mit ihrer Wissenschaftsministerin. Sie gehen wegen der geplanten Gebühren für internationale Studenten auf die Barrikaden. Für die Grünen-Politikerin Bauer ist solch herbe Kritik eher selten.

Landeswissenschaftsministerin Theresia Bauer. Foto: dpa
Stuttgart. (dpa-lsw) Unter Wissenschaftsministerin Theresia Bauer schaffte Baden-Württemberg 2012 als eines der letzten Bundesländer Studiengebühren ab. Jetzt will die Grünen-Politikerin im Alleingang Studiengebühren von internationalen Studenten kassieren - und stößt damit nicht nur bei der Opposition, sondern auch in den eigenen Reihen auf Unmut. Dass sie so in die Kritik gerät, ist die gebürtige Zweibrückerin nicht gewöhnt: Dreimal erhielt sie den Titel "Beste Wissenschaftsministerin des Jahres". Dass sie nach der Landtagswahl im vergangenen März Ressortchefin im grün-schwarzen Kabinett blieb, war unstrittig.
Gemeinsam mit Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) wird die dem Realo-Flügel zugerechnete Grüne sogar als mögliche Nachfolgerin von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gehandelt. Dass die 51-Jährige, die 2001 in den Landtag kam, diszipliniert ist und einen langen Atem hat, zeigt ihr Hobby: Die Heidelbergerin läuft Halbmarathon und bereitet sich am liebsten auf dem Philosophenweg über dem Neckar darauf vor.
Hintergrund
Häufig gestellte Fragen zu den geplanten Studiengebühren
Warum sollen überhaupt wieder Gebühren eingeführt werden? Die Landesregierung begründet ihren Vorstoß damit, dass jedes Ressort seinen Beitrag zu einem ausgeglichenen
Häufig gestellte Fragen zu den geplanten Studiengebühren
Warum sollen überhaupt wieder Gebühren eingeführt werden? Die Landesregierung begründet ihren Vorstoß damit, dass jedes Ressort seinen Beitrag zu einem ausgeglichenen Landeshaushalt leisten müsse. Für das Wissenschafts- und Kulturministerium wären das 27 Millionen Euro im Haushalt 2017. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer erklärt, nur durch einen studentischen Beitrag könnten "drastische Kürzungen" vermieden werden.
Wer soll wie viel bezahlen? Die geplante "Campus-Maut" wird vor allem zwei Gruppen betreffen: Einerseits all jene, die zum Studium aus einem Nicht-EU-Land nach Baden-Württemberg kommen. Für sie werden 1500 Euro pro Semester fällig. Ausnahmen sollen für Flüchtlinge, Gaststudenten im Rahmen von Austauschprogrammen (etwa Erasmus) sowie alle gelten, die ihre Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland erworben haben. Nicht zahlen sollen zudem Ausländer, die bereits seit Jahren hier leben. Zahlungspflichtig wird zudem das Zweitstudium: Wer einen zweiten Bachelor- oder Masterstudiengang absolviert, soll dafür künftig 650 Euro pro Semester zahlen. Hier gibt es Ausnahmen für alle, die zwingend zwei Fächer studieren müssen.
Wie viele Studenten betrifft das? Ersten Schätzungen zufolge könnten zunächst 7000 ausländische Studenten in Baden-Württemberg betroffen sein. Die Universität Heidelberg geht davon aus, dass hier rund 2000 ausländische und rund 1000 Studierende im Zweitstudium ab Wintersemester 2017/18 von den Gebühren betroffen sein werden - dies wären knapp zehn Prozent aller Studenten. Belastbare Zahlen werden sich laut Rektorat aber erst nennen lassen, wenn die Regelungen im Detail feststehen.
Schrecken die Kosten potenzielle Studenten ab? Davon gehen die Gegner der Gebühr aus und prangern eine soziale Trennung durch die Maut an - zumal das Studium in anderen Bundesländern weiterhin kostenfrei bleibt. Auch das Wissenschaftsministerium geht von einem "temporären Ausweicheffekt" aus, der aber nachlassen wird. Einerseits, weil die Gebühren "moderat" seien, und andererseits, weil die Qualität der Bildung bekannt sei.
Müssen sich aktuelle Studenten Sorgen machen? Nein. Das Ministerium betont ganz klar, dass für alle bisherigen Studenten ein Bestandsschutz gelte - sowohl für ausländische als auch für Zweitstudenten. Betroffen sind nur diejenigen, die ihr Studium ab dem nächsten Wintersemester beginnen.
Folgt jetzt die Einführung allgemeiner Studiengebühren? Gegner und Studi-Vertreter fürchten: Ja. Die Ministerin sagt: Nein! Im Koalitionsvertrag sei die Ablehnung allgemeiner Studiengebühren festgehalten - und der gelte. Wie es nach der Landtagswahl 2021 weitergeht, lässt sich aber nicht vorhersagen.
Bauer profitierte von der guten Wirtschaftslage: Mit einer Finanzspritze von 1,7 Milliarden Euro von 2015 bis 2020 erfüllte sie den Wunsch der Hochschulen nach einer höheren Grundfinanzierung und mehr Baumitteln - und erntete großes Lob der Hochschulrektoren. In Bauers nunmehr sechsjährige Amtszeit fallen überdies die Ausweitung der studentischen Mitsprache und das Landeshochschulgesetz. Letzteres soll etwa die Forschungsfreiheit und die Unabhängigkeit der Hochschulen statt ökonomischer Kriterien wieder in den Fokus rücken.
Die Opposition ist der blonden Mutter zweier Söhne recht wohl gesonnen. Während der grün-roten Koalition nahmen die oppositionellen CDU und FDP die Politikwissenschaftlerin lediglich wegen der Diskussion um Struktur und Finanzierung der Musikhochschulen und Personalquerelen in der Verwaltungshochschule Ludwigsburg in die Zange.
Nach dem Machtwechsel zu Grün-Schwarz seien diese Probleme mitnichten ausgestanden, meint SPD-Hochschulexpertin Gabi Rolland. "Der Lack ist ab", sagt sie. Bauer habe als Co-Vorsitzende des Aufsichtsrats der Dualen Hochschule viel laufen lassen und sich der drohenden Unterfinanzierung der neun Studienakademien nicht entgegengestemmt. Sie habe nicht verhindert, dass das Präsidium der Hochschule aufgebläht worden sei.
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Auch bei der Verwaltungshochschule Ludwigsburg seien die Wunden noch nicht verheilt. Hier hätte Bauer nach dem Geschmack Rollands der später geschassten Rektorin Claudia Stöckle den Rücken stärken müssen. Rollands Fazit: Note 3 minus für Bauer.
Milder geht der liberale Hochschulexperte Nico Weinmann mit der Grünen-Politikerin um - seine Bewertung liegt bei 3 plus. Auf die finanziellen Probleme der Dualen Hochschule habe Bauer angemessen reagiert. Auch in der Verwaltungshochschule sei wieder Ruhe eingekehrt. Allerdings habe es Bauer in diesem Fall an Führungsstärke gemangelt. Wie die SPD ist auch die FDP nicht einverstanden mit den aktuellen Gebührenplänen. Weinmann: "Diese diskriminierende Maßnahme würde einem offenen Land wie Baden-Württemberg nicht gut zu Gesicht stehen."