Proteste gegen Studiengebühren: "So etwas lassen wir uns nicht gefallen"

Sieben Jahre nach dem "Bildungsstreik" gehen wieder Studenten gegen Studiengebühren auf die Straße. Demo am 21. Dezember geplant.

07.12.2016 UPDATE: 08.12.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 4 Sekunden

Tausende Studenten demonstrierten im November 2009 in Heidelberg gegen die Campus-Maut und für eine Verfasste Studierendenschaft. Geht es nach der neuen "Initiative gegen Studiengebühren" gehen im Dezember ähnlich viele auf die Straße. Archivfoto: Kresin

Von Denis Schnur und Philipp Horf

Am 21. Dezember jährt sich die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren in Baden-Württemberg zum fünften - und, wenn kein Wunder geschieht, zum letzten Mal. Denn zumindest für ausländische und Zweitstudenten soll die Campus-Maut ab dem Wintersemester 2017/18 wieder fällig werden.

Hintergrund

Häufig gestellte Fragen zu den geplanten Studiengebühren

Warum sollen überhaupt wieder Gebühren eingeführt werden? Die Landesregierung begründet ihren Vorstoß damit, dass jedes Ressort seinen Beitrag zu einem ausgeglichenen

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Häufig gestellte Fragen zu den geplanten Studiengebühren

Warum sollen überhaupt wieder Gebühren eingeführt werden? Die Landesregierung begründet ihren Vorstoß damit, dass jedes Ressort seinen Beitrag zu einem ausgeglichenen Landeshaushalt leisten müsse. Für das Wissenschafts- und Kulturministerium wären das 27 Millionen Euro im Haushalt 2017. Wissenschaftsministerin Theresia Bauer erklärt, nur durch einen studentischen Beitrag könnten "drastische Kürzungen" vermieden werden.

Wer soll wie viel bezahlen? Die geplante "Campus-Maut" wird vor allem zwei Gruppen betreffen: Einerseits all jene, die zum Studium aus einem Nicht-EU-Land nach Baden-Württemberg kommen. Für sie werden 1500 Euro pro Semester fällig. Ausnahmen sollen für Flüchtlinge, Gaststudenten im Rahmen von Austauschprogrammen (etwa Erasmus) sowie alle gelten, die ihre Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland erworben haben. Nicht zahlen sollen zudem Ausländer, die bereits seit Jahren hier leben. Zahlungspflichtig wird zudem das Zweitstudium: Wer einen zweiten Bachelor- oder Masterstudiengang absolviert, soll dafür künftig 650 Euro pro Semester zahlen. Hier gibt es Ausnahmen für alle, die zwingend zwei Fächer studieren müssen.

Wie viele Studenten betrifft das? Ersten Schätzungen zufolge könnten zunächst 7000 ausländische Studenten in Baden-Württemberg betroffen sein. Die Universität Heidelberg geht davon aus, dass hier rund 2000 ausländische und rund 1000 Studierende im Zweitstudium ab Wintersemester 2017/18 von den Gebühren betroffen sein werden - dies wären knapp zehn Prozent aller Studenten. Belastbare Zahlen werden sich laut Rektorat aber erst nennen lassen, wenn die Regelungen im Detail feststehen.

Schrecken die Kosten potenzielle Studenten ab? Davon gehen die Gegner der Gebühr aus und prangern eine soziale Trennung durch die Maut an - zumal das Studium in anderen Bundesländern weiterhin kostenfrei bleibt. Auch das Wissenschaftsministerium geht von einem "temporären Ausweicheffekt" aus, der aber nachlassen wird. Einerseits, weil die Gebühren "moderat" seien, und andererseits, weil die Qualität der Bildung bekannt sei.

Müssen sich aktuelle Studenten Sorgen machen? Nein. Das Ministerium betont ganz klar, dass für alle bisherigen Studenten ein Bestandsschutz gelte - sowohl für ausländische als auch für Zweitstudenten. Betroffen sind nur diejenigen, die ihr Studium ab dem nächsten Wintersemester beginnen.

Folgt jetzt die Einführung allgemeiner Studiengebühren? Gegner und Studi-Vertreter fürchten: Ja. Die Ministerin sagt: Nein! Im Koalitionsvertrag sei die Ablehnung allgemeiner Studiengebühren festgehalten - und der gelte. Wie es nach der Landtagswahl 2021 weitergeht, lässt sich aber nicht vorhersagen.

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Dass der Vorschlag dazu ausgerechnet von der Heidelberger Landtagsabgeordneten und Wissenschaftsministerin Theresia Bauer kommt, stößt vielen Studenten vor Ort bitter auf. So positionierte sich etwa am Dienstagabend der Studierendenrat (Stura) der Ruprecht-Karls-Universität einstimmig gegen die Pläne Bauers.

Die Parlamentarier bekräftigten ihre Grundsatzerklärung zum "Menschenrecht auf Bildung" aus dem Frühjahr, in der sie sich ausdrücklich gegen jegliche finanziellen Zugangsbeschränkungen an Hochschulen ausgesprochen hatten.

Eingebracht hatte die Vorlage unter anderem Mahmud Abu-Odeh, der sich besonders darüber beschwerte, dass man sich im Wissenschaftsministerium scheinbar kaum mit Alternativen beschäftigt habe: "In der Gesetzesvorlage stehen nur zwei Sätze dazu. So etwas lassen wir uns nicht gefallen", betonte der Sozialreferent des Stura.

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Die Unzufriedenheit vieler Studenten schlägt sich jedoch nicht nur in Stura-Beschlüssen, sondern auch in konkreten Aktionen nieder. Die im Zuge der jüngsten Proteste entstandene "Aktion Freie Bildung" ist besonders aktiv und koordiniert die "Initiative gegen Studiengebühren", in der sich etwa 40 bis 50 Aktivisten engagieren.

Ihre Kundgebung vom 12. November soll erst der Anfang gewesen sein. Die nächste Demo ist für den 21. Dezember geplant - genau fünf Jahre, nachdem die damalige grün-rote Landesregierung das "Gesetz zur Abschaffung und Kompensation der Studiengebühren" verabschiedet hatte. "Wir wollen Theresia Bauer daran erinnern, wofür die Grünen einst standen: nämlich die kategorische Ablehnung von Studiengebühren, egal ob für Inländer, Ausländer oder Zweitstudierende", erklärt Mohini Fitz.

Am Dienstagabend sorgte die Studentin der Pädagogischen Hochschule mit einem Dutzend Mitstreiter erst einmal mit einer anderen Aktion für Aufsehen. Mit Pappschildern und einer großen Geschenkschachtel zogen sie durch die Altstadt, um mit einer ironischen Spendenaktion für den Landeshaushalt zu sammeln. "Eigentlich wollten wir unsere Einnahmen anschließend an Bauer überreichen, die am Abend eine Hochschulgruppe besuchen wollte", erklärte Fitz.

Dass die Landesministerin kurzfristig wegen Krankheit absagte, hielt die Studierenden nicht davon ab, am Nikolaustag trotzdem für sie zu sammeln. "Wir haben 3,47 Euro, 230 Rupien, zehn Sanifair-Coupons und eine H&M-Rabattkarte erhalten", lacht die Studentin. "Wenn Frau Bauer möchte, können wir ihr diese Spenden gerne noch überreichen."

Während einige Studenten auf die Barrikaden gehen wollen, zeigt sich das Rektorat der Uni Heidelberg den Plänen der Ministerin gegenüber offen: Als "mutigen Schritt" bezeichnet Rektor Bernhard Eitel den Beschluss, Studiengebühren für ausländische Studierende einzuführen, die aus Nicht-EU-Ländern zum Studium nach Baden-Württemberg kommen.

Vor dem Hintergrund der "Schuldenbremse" hält Eitel es für richtig, auch die Einnahmenseite in den Blick zu nehmen. "Es wäre nicht zu verantworten, den erst vor Kurzem geschlossenen Hochschulvertrag zu brechen, Kürzungen umzusetzen und Vertrauen in eine nachhaltige Grundfinanzierung - eine wichtige Währung in der Wissenschaft - zu zerstören", betont der Rektor auf RNZ-Anfrage. Neben Eitel unterstützen alle Rektoren der Landesuniversitäten diesen Schritt.

Dabei betont der Rektor jedoch, dass die Universität auch von ihrem Recht Gebrauch machen werde, "kritisch Einwand zu erheben, wenn die Gebührenregelungen zu unzumutbaren Belastungen führen würden oder einzelne Studierendengruppen vom Studium ausschließen könnten".

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