700 Kilo schwer, beschriftet in den Sprachen dieser Welt: Eine Bank ist ein wesentlicher Teil von Paul Berno Zwostas Installation für den Burgplatz. Foto: Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim-Dühren. Da macht man einen ganzen Morgen mit einem Künstler im Atelier rum - und am Ende ist der Künstler gar nicht da: "Rot? Oder Blau? Doch besser Gold?" Zwosta gibt den Entnervten: "Na der ist gut, Du! Hat ja seine Deppen, der Künstler, die können die Arbeit machen. Und wenn man ihn mal was fragen muss, ist er nicht da. Der hockt nur noch rum, mit seinen Musen. Abartig."
Trotzdem ist es geschafft: Im Hof zeugt davon ein Haufen Sägespäne, knietief. Das "Sommerinterview auf der Menschenrechtsbank", die bald mit anderen seiner Stelen auf den Burgplatz wandert, wird dann aber doch auf den Balkon verlegt: Bei Käse und Lachs geht es um die Petersburger Hängung, ums Wesen von Kunst, um Kommunalpolitik, die KSK und um Abartiges. "Abartig" ist eine Art Lieblingswort von Paul Berno Zwosta, das er wahlweise als Lob oder Tadel benutzt: Die Peterburger Hängung - eine Anhäufung von Kunst und Sogenanntem, die durch Masse die Grenzen von Gut und Schlecht auflöst - ist "abartig", Trump sowieso, Hillary auch, Burkaverbot und Patriarchat, Galeriensnobs, Volvos und bunte Trekkingschuhe sammeln, Parfüms der 80er-Jahre und Mädchen mit Fuchsgesichtern. Alles abartig.
"Abartig" heißt, dass Zwosta sich freut, ärgert, staunt und einiges anderes. Blau kann abartig sein. Mit Gasbrennern Autolack ins Holz brennen, Stelen mit Schleifern, Flexen und Hohlbohrern bearbeiten. Oder wenn sie "nicht müde werden, den Hundertwasser-Vergleich rauszuholen." Das ist in etwa so, als vergleiche man Literaten, weil sie mit dem Wort hantieren, oder Gitarristen mit Bassisten. Der einzige Berührungspunkt ist eine gewisse Buntheit. Patrick "Patsec" Eckert, Webmaster der Homepage des gebürtigen Konstanzers, hat Zwosta einmal als "subversiv und kontrabunt" beschrieben. Das passt.
Nach Hans-Michael Frankes und Bernhard Münchs Tod und dem Weggang einiger weniger weiterer aus der Gegend, ist Zwosta mit Fug und Recht Sinsheims letzter Profikünstler; Broterwerb, KSK-Mitgliedschaft und Sendungsbewusstsein inklusive.
So liebt es Zwosta, Zeitgeschehen zu kommentieren, zu albern, zu mahnen, zu raufen und zu streiten; freut sich diebisch, wenn er nicht dem Spaßvogel entspricht, den manche in ihm sehen, die in Dühren auf der Abendrunde durchs Dorf "beim Künstler vorbeischauen": Zwosta nennt seine Besucher dann "Alter Ägypter", "Letzter Streiter des Proletariats", "Osmane" oder "Beutlin". Und die Werkstatt, wo die Werke in einem Zweidrittelmix aus akribischer Planung und Spontaneität entstehen, ist so abartig sauber und strukturiert, dass man vom Boden essen kann.
Sein aktuelles Kunstwerk zum Thema Menschenrechte soll den Burgplatz in die "Jahrtausende ealte Tradition menschlicher Kultstätten und heiliger Plätze" stellen, Tradition und Heimat reflektieren. Den gültigen Traditions- und Heimatbegriff sieht der "bekennende Spießer" zu einseitig im 19. Jahrhundert verhaftet. Bei der Einweihung seiner "Bruchheit" am Sinsheimer Synago-genplatz warn-te Zwosta einst vor den Gefahren "geistigen Schiffbruchs" im Umgang mit Fremden und aufkommender Deutschtümelei. Die damals viel beachtete "Bruchheit" verschwand spurlos: Kunstdiebstahl? Unachtsam entsorgt? Einfach mal mitgenommen?
Pikant für heitere Landstädtchen, den Orten, wo man Zwosta-Kunst zumeist antrifft: Augen und Mün-der kennzeichnen Zwostas Bildwerke, die nach 20 Jahren in Sinsheim und 40 Jahren als "Maler und Bildwerker" düsterer geworden sind, haptischer und technisch ausgereift.
Sie sind vollgepackt mit subtilen erotischen, religiösen und heidnischen Botschaften, mit Insidergags und Literaturbezügen, Anspielungen auf Menschlichkeiten, rauen Elementen und auf schroffen Untergründen. Man findet den 60-Jährigen in Schulen, Gemeindehäusern, Kirchen; als Stelenpfade in Städten und auf Bergeshöhen, munter im süddeutschen öffentlichen Raum verteilt; bei Kunstsammlern und auf Türen und Fensterläden seiner Freunde, Berater und Gönner bis ins Bodensee- und Schweizer Gebiet: Lange Jahre war Zwosta Chef der Requisite am Konstanzer Stadttheater, zeitweise unter Ingmar Bergmann, noch so einem "Abartigen".
Und schließlich: Als Do-it-yourself-Projekte von Heimwerkern in Nachbardörfern. Es macht ihm nichts aus, dass seine Kunst kopiert wird: Aufforde᠆rungen zu Menschlichkeit, Friede und Freiheit - eine Eigenschaft, die allen Zwostas zueigen ist - kann es doch eigentlich nicht oft genug geben. Zum Tag der Menschenrechte im Dezember soll Zwostas Kunstwerk auf dem Burgplatz eingeweiht werden. "Wenn der Künstler nur dann mal wieder da ist ... ."