Die Professoren und Nachwuchswissenschaftler kratzten bei ihrer Podiumsdiskussion nur an der Oberfläche. Mit dabei waren Manfred Berg, Amaya Vilches Barro, Rektor Bernhard Eitel, Tim Tugendhat, Thomas Pfeiffer, Jennifer Smith, Nicole Vollweiler, Ministerin Theresia Bauer, Kerstin von Lingen, Freia de Bock und Thomas Rausch (v.l.) . Foto: Philipp Rothe
Von Holger Buchwald
Auf ein Jahr befristete Stellen, fehlende Aufstiegsmöglichkeiten, fast keine Chance auf eine Lebenszeitprofessur: All diese Bedingungen führen dazu, dass junge Spitzenforscher der Universität den Rücken kehren.
Bei einer Podiumsdiskussion, zu der Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in die Aula der Neuen Universität geladen hatte, ging es daher um eine elementare Frage für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg: Wie kann der Nachwuchs besser gefördert werden? Es war der Auftakt einer Reihe von Diskussionsveranstaltungen an allen Landesuniversitäten.
Einiges hat die Landesregierung bereits auf den Weg gebracht. Nun wollte Bauer aber von den Betroffenen selbst wissen, wie sie sich eine optimale Förderung ihrer Karriere vorstellen. "Ich bin nicht hergekommen, um zu hören, dass die Welt in Ordnung ist", sagte die Ministerin zu den anwesenden Doktoranden und Post-Docs. Sie dürften sich gerne etwas wünschen. "Es sollte aber nicht zusätzlich etwas kosten", fügte sie lachend hinzu.
Von einer "Flaschenhalsproblematik" sprach Uni-Rektor Bernhard Eitel. Rund 7000 Doktoranden gebe es derzeit an der Universität Heidelberg, aber nur 1500 Stellen für Professoren. Schon aus diesem Grund sollte man verhindern, dass alle Hochschulen und Universitäten wissenschaftlichen Nachwuchs generieren. "Es kann nicht angehen, dass alle versuchen, so zu werden wie die Universität Heidelberg."
Dem widersprach Tim Tugendhat, Doktorand am Institut für theoretische Astrophysik: "Die 7000 sind einfach neugierig und wollen forschen." Er selbst wisse noch nicht, was nach seiner Promotion komme: "Sie sind schon alle drin", sagte er zu den anwesenden Professoren: "Ich frage mich: Will ich da rein?" Für ihn wäre es denkbar, ins Ausland zu gehen, auch wenn dies "toxisch für das Familienleben" sei.
Ministerin Bauer möchte hingegen die Besten der Nachwuchswissenschaftler gerne halten. "Es ist in unserem Interesse, dass wir auf Ihren Talenten aufbauen", sagte sie zu den anwesenden Jungforschern. Die "Phase der Ungewissheit" nach der Promotion sei nicht richtig. Dem stimmte Amaya Vilches Barro vom Centre for Organismal Studies (COS) zu. Es sei sehr schade, dass die meisten ihrer Bekannten einen Job in der Industrie suchten, weil die Stellen an der Universität alle befristet sind.
Auch nach zwei Jahren "Post-Doc" sei es nicht gesichert, dass man an der Universität bleiben kann, ärgerte sich Freia de Bock, Leiterin des Querschnittsbereichs "Frühe Prävention und Gesundheitsförderung" am Mannheimer Institut für Public Health. Bis zur Professur müssten die jungen Wissenschaftler fünf Jahre überbrücken. Und das in einer Phase, in der sie mit 33 oder 34 Jahren mitten im Leben stehen. "Wir vertreiben die Guten", ist sich de Bock sicher. Die Zeit nach der Promotion sei nicht gut organisiert. "Ein Stipendium geht nur über vier Jahre, danach ist man wieder auf freie Stellen angewiesen", bedauert die Mutter eines Kindes.
Solche Sorgen kennt auch Kerstin von Lingen, die eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern am Exzellenzcluster "Asien und Europa im globalen Kontext" leitet. Die Phase, in der sie sich gerade befindet, sei "sehr dicht und erschöpfend". Ein Tenure-Track (siehe Hintergrund) wäre daher genau das, was sie sich gewünscht hätte.
Ein Problem ist für die Historikerin Lingen auch die starke Spezialisierung der Wissenschaftler. Ihre Forschungsgruppe kümmert sich um japanische Kriegsverbrecher. Wenn sie sich nach der Projektlaufzeit an einer anderen Universität bewerben sollte, kann sie sich eine Frage ihrer Kollegen bereits vorstellen: "Kannst Du überhaupt noch Bismarck?"
Und so nahm Ministerin Bauer viele Anregungen und noch mehr Fragen mit nach Stuttgart. Denn eines wurde bei der Podiumsdiskussion klar: Die Bedürfnisse der Doktoranden sind so unterschiedlich, dass sie nur schwer unter einen Hut zu bringen sind.