Weinheim

"Letzte Ehre" oder "erschreckender Vorgang"?

Drei Weinheimer Christdemokraten wurden bei Beisetzung des Holocaust-Leugners Günter Deckert beobachtet.

02.04.2022 UPDATE: 08.04.2022 21:30 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Rathaus im Weinheimer Schloss. Foto: Reinhard Lask

Von Philipp Weber

Weinheim. Es gab Gespräche, Überlegungen, Vorschläge. Aber letztlich sind sich Stadtverwaltung und Ratsfraktionen einig: Auf den Tod von Günter Deckert gibt es keine Reaktionen in der Öffentlichkeit. Deckert war 2019 als Einzelstadtrat der "Deutschen Liste" zum letzten Mal in den Gemeinderat eingezogen – und damit einer der bekanntesten Rechtsextremisten der Nachkriegszeit. Er stand mehreren Organisationen und Initiativen vor, die er zum Teil selbst begründete und deren menschenverachtende Zielsetzungen schon aus den jeweiligen Namen hervorgingen. Von 1991 bis 1996 war er Bundesvorsitzender der NPD. Als verurteilter Volksverhetzer und Holocaust-Leugner war er von 1995 bis 2000 inhaftiert, ein weiteres Mal 2013.

Deckert starb am 31. März, nach kurzer und schwerer Krankheit. Er wurde 82 Jahre alt. Als er am Donnerstag auf dem Weinheimer Hauptfriedhof beigesetzt wurde, erschienen jedoch drei schwarz gekleidete Männer, die man als langjährige Lokalpolitiker der CDU kennt. Der freie Journalist Iván Furlan Cano recherchierte vor Ort und beobachtete drei Christdemokraten, die den Friedhof zeitgleich mit der Trauergemeinde betraten: den Vorsitzenden des CDU-Ortsverbands Weinheim-Kernstadt, Hans-Peter Masuch, den Ehrenvorsitzenden des CDU-Gesamtstadtverbands Weinheim und früheren Sprecher der CDU-Ratsfraktion, Holger Haring, sowie Christian Stumpe, unter anderem Beisitzender des Vorstands im Gesamtstadtverband. Der Beobachter veröffentlichte seine Erkenntnisse im Internet und legte ein Foto bei, das Haring und Masuch auf dem Friedhofsparkplatz zeigt.

Die RNZ versuchte am Freitag, Haring und Masuch zu kontaktieren, Letzteren über eine Mobilfunknummer und per E-Mail. Antworten stehen noch aus. Dafür äußerte sich Christian Lehmann, Vorsitzender des CDU-Gesamtstadtverbands, in dem die Verbände aus der Kernstadt und mehreren Ortsteilen kooperieren. Er betont, dass weder der CDU-Dachverband noch die Ratsfraktion offiziell Vertreter zu der Trauerfeier geschickt habe. Zwar sitzen Masuch und Stumpe auch im Vorstand des Gesamtstadtverbands, sie seien jedoch zu der Trauergemeinde dazugestoßen, um den engsten Angehörigen Deckerts ihre Anteilnahme auszusprechen. Sie hätten die Familie als Nachbarn gekannt. Er selbst habe nicht ein einziges Mal mit Deckert gesprochen, sagt Lehmann.

Doch kann man der Familie eines verblichenen Nachbarn nicht auch an der Haustür kondolieren – statt auf einer Trauerfeier, in deren Verlauf ein Volksverhetzer und Leugner der Shoah zu Grabe getragen wird? Elisabeth Kramer hat dazu eine klare Haltung: "Ich finde diesen Vorgang erschreckend", so die Vorsitzende der GAL-Ratsfraktion. Auch andere Lokalpolitiker verliehen ihrer Empörung Ausdruck.

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Es ist nicht das erste Mal, dass Mitglieder der Weinheimer CDU durch eine gewisse Nähe zu Deckert auffallen. Erst 2019 soll der Vorstand des CDU-Ortsverbands Weinheim, Rolf Schmidlin, im Vorfeld der damaligen Kommunalwahl die "Deutsche Liste" mit einer Unterschrift unterstützt haben. Pikanterweise kandidierte er selbst für den Gemeinderat: auf der Liste der CDU. Schmidlin stritt zunächst alles ab, dann äußerte er sich nicht mehr allzu vernehmbar. Die Partei distanzierte sich von ihm. Er verzichtete auf einen Einzug ins höchste Haus der Stadt, aus "gesundheitlichen Gründen". Alles Weitere sei Sache des CDU-Kernstadtverbands, hieß es damals. Dort wurde er erst neulich zum Schatzmeister gewählt.

Update: Freitag, 8. April 2022, 21.30 Uhr


Günter Deckert ist tot

Der Stadtrat der rechtsextremen "Deutschen Liste" wurde 82 Jahre alt.

Weinheim. (web) Bereits am Freitagmorgen hatte sich die Nachricht verbreitet, wenig später erfolgte die Bestätigung durch die Stadt Weinheim. Günter Deckert lebt nicht mehr. Nach RNZ-Informationen war der Stadtrat zuletzt schwer erkrankt, bereits bei der Ratssitzung vergangene Woche war sein Platz leer geblieben. Er starb am Donnerstag im Alter von 82 Jahren.

2019 war der als Rechtsextremist und Holocaust-Leugner bekannte Deckert für die von der NPD unterstützte "Deutsche Liste" in den Gemeinderat eingezogen. Zuvor hatte er dem Gremium von 1976 bis 1999 angehört und unter anderem von 1991 bis 1996 als NPD-Bundesvorsitzender fungiert. Zuletzt machte er mit einem Eklat von sich reden: Im Februar verwies Oberbürgermeister Manuel Just Deckert des Saals, nachdem der Stadtrat rassistische Thesen geäußert hatte.

Laut dem Ergebnis der Kommunalwahl 2019 kann Dominic Ranzenberger als Nachrücker der "Deutschen Liste" in den Gemeinderat einziehen. Ob es tatsächlich so kommt oder ob Hinderungsgründe vorliegen, überprüfen die Ratsdienste der Stadt nächste Woche.