Polizei holte Günter Deckert aus dem Gemeinderat (Update)
Der Stadtrat der "Deutschen Liste" war wegen rassistischer Äußerungen der Sitzung verwiesen worden, folgte dem Verweis von OB Just aber zunächst nicht.

Weinheim. (web) Aus dem Saal führen oder gar hinaustragen müssen ihn die beiden Polizeibeamten nicht: Nach einem längeren Wortwechsel, an dem auch OB Manuel Just beteiligt ist, verlässt Günter Deckert doch noch das Rolf-Engelbrecht-Haus. Dort ist am Mittwoch der Gemeinderat der Stadt Weinheim zusammengetreten, um den Haushalt 2022 zu verabschieden. Unter anderem Corona hat die Zahl der tagungsfähigen Stadträte schrumpfen lassen, wegen der Pandemie haben Fraktionen und Einzelstadträte ihre Redezeiten verkürzt.
Als Deckerts Haushaltsrede ansteht, sind Probleme programmiert. Bereits im Zuge der letztjährigen Haushaltsdebatte hat der Einzelstadtrat der NPD-nahen "Deutschen Liste" ein Gedicht aus den 1920er-Jahren rezitiert. Damals allerdings nur in einer verschriftlichten Version der Rede, die zur Veröffentlichung auf der städtischen Webseite gedacht war. Der Ursprung jener Zeilen ist (Stand Donnerstag) nicht ganz geklärt – möglicherweise stammen sie aus anarchistischen Kreisen, die die frühe Weimarer Republik ablehnten. In jedem Falle handelt es sich um ein menschenverachtendes, mutmaßlich volksverhetzendes Machwerk. Die Stadt veröffentlichte die Rede nicht, sondern stellte Strafantrag bei der Staatsanwaltschaft in Mannheim. Deckert selbst gab später an, ebenfalls die Strafverfolgungsbehörde eingeschaltet zu haben, um den Sachverhalt per Selbstanzeige "aufzuklären". Letztlich wurde er nicht bestraft, die Rede blieb ja unveröffentlicht.
Ziemlich genau ein Jahr später holt Deckert zum Rundumschlag aus. OB Just greift als Sitzungsleiter das erste Mal ein, als Deckert ausgrenzend-rassistische Thesen vorträgt. Just fordert Deckert zur Mäßigung seiner Wortwahl auf und stellt klar, dass er keine menschenfeindlichen Äußerungen duldet. Deckert will nicht einlenken, Just erneuert seine Verwarnung und kündigt an, Deckert das Wort zu entziehen und ihn – im Sinne des Hausrechts – nötigenfalls des Saales zu verweisen. Deckert: "Dann müssen Sie die Polizei rufen!" Deckert setzt seine Haushaltsrede fort, um auf die inkriminierten Passagen des Jahres 2021 zu kommen. Just verwarnt ihn erneut und fordert ihn auf, die Rezitation des menschenverachtenden Gedichts zu unterlassen. Als Deckert sich weigert, entzieht ihm der OB das Wort. Deckerts Mikrofon ist damit abgestellt, denn wenn der OB sein Mikro aktiviert, schweigen alle anderen Verstärker. Weitere verbale Entgleisungen Deckerts sind dennoch zu hören. Just verweist ihn des Saales. Da Deckert diesen nicht verlässt, wird die Sitzung unterbrochen. Justs persönliche Referentin informiert im Auftrag des Oberbürgermeisters die Polizei. Als diese den 82-Jährigen endlich aus dem Saal begleitet, ist vereinzelter Applaus zu hören.
Grund zur Freude besteht trotzdem nicht. Deckerts kalkulierte Provokationen waren und sind "ein Trauerspiel", wie ein demokratisch gesinnter Stadtrat anmerkt.
Update: Freitag, 25. Februar 2022, 9.15 Uhr