Sinsheim

"So ein Hund ist gut für Seele"

Manche haben spezielle Aufgaben, andere suchen ein Zuhause, und die Halter haben Wünsche und bisweilen falsche Vorstellungen

10.06.2022 UPDATE: 12.06.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 55 Sekunden
Pelé spaziert gerne durch die Fußgängerzone, „Lenny“ war einige Jahre Schulhund in Steinsfurt. Fotos: Tim Kegel (1)

Von Christian Beck

Sinsheim. Der Hund gilt als der beste Freund des Menschen. Dieser Ansicht sind offenbar auch viele Sinsheimer: 2255 Vierbeiner sind hier angemeldet, teilt Kämmerer Ulrich Landwehr mit. Im Dezember 2020 waren es noch knapp 50 weniger. "Das könnte an Corona liegen", vermutet Landwehr – während des Lockdowns schafften sich einige einen tierischen Begleiter an. Zum "Tag des Hundes" am Sonntag hat sich die RNZ in der Stadt zu ganz verschiedenen Aspekten des Themas umgehört, und dabei unter anderem gefragt: Wie hundefreundlich ist Sinsheim?

> In der Innenstadt sind sie häufig willkommen: "In Restaurants ist das meist kein Problem", berichtet Alfred Kreth aus Waibstadt, der mit seinem "Pelé" ab und zu in Sinsheim unterwegs ist. "Uns wurde auch schon ungefragt eine Wasserschale gebracht." In die Bäckerei Rutz und die Metzgerei Dick beispielsweise dürfen Hunde nicht rein, ins Rathaus auch nicht; wohl aber ins Wartezimmer von mancher Arztpraxis und in viele andere Geschäfte. "Da gibt es in der Regel keine Probleme", berichtet Buchhändler Klaus Gaude, der als Vorsitzender des Arbeitskreises Handel des Wirtschaftsforums auch ein Stück weit für andere Ladeninhaber spricht. "Ich habe bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht", sagt Kreth.

„Lenny“ war einige Jahre Schulhund in Steinsfurt. Foto: privat (1)

> Rücksicht sei ganz wichtig, betont Kreth. Er könne verstehen, dass manche Menschen vor Hunden Angst haben, deshalb sei es wichtig, die Tiere anzuleinen. Und dass Hundehalter die Hinterlassenschaften ihrer vierbeinigen Begleiter mitnehmen, ist für ihn selbstverständlich: Dafür vorgesehene Tüten hat er immer dabei. Viele, die mit ihrem Hund Gassi gehen, sehen das ähnlich, manche aber nicht, berichtet der Kämmerer. 270.000 Euro gebe die Stadt pro Jahr aus, um Hundehaufen zu beseitigen. Zum Vergleich: Der Betrag, der jedes Jahr aus der Hundesteuer ins Stadtsäckel fließt, liegt mit 250.000 Euro darunter. Beinahe im Wochentakt geht im Rathaus der Wunsch oder die Forderung nach Hundekotbeutel-Spender ein, berichtet Landwehr. Denn bisher gibt es in Sinsheim keinen einzigen davon. Das werde aber auch so bleiben: "Viele haben die Tüten sowieso dabei", erklärt Landwehr. "Und die, die sie nicht haben, benutzen die aus den Spendern auch nicht." Stattdessen würden die Spender oft beschädigt und die Tüten in der Landschaft verteilt. Deshalb spare man sich das Geld.

> 108 Euro Hundesteuer zahlt ein Sinsheimer, wenn er einen Hund anmeldet, für den zweiten das Doppelte. Wird der Hund als gefährlich eingestuft, werden 720 Euro fällig. Darunter fallen bestimmte Rassen, die einen Wesenstest nicht abgelegt oder nicht bestanden haben. Laut Landwehr betrifft das momentan fünf Hunde. Beißt ein Hund einen Menschen oder ein anderes Tier, werden Ordnungsamt und Polizei aktiv. Laut Ordnungsamtsleiter Florian Zangl wird dann untersucht, ob von dem Hund auch künftig Gefahr ausgeht. Dann können Leinenzwang, das Tragen eines Maulkorbs und, als letzte Option, die Beschlagnahmung des Hundes angeordnet werden. Letzteres kam laut Zangl in den vergangenen sieben Jahren zwei Mal vor. Doch manchmal sei das sinnvoll, denn "oftmals liegt’s an der falschen Haltung", erklärt der Leiter des Ordnungsamts.

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> Tierheim-Leiterin Gaby Strobel-Maus bestätigt dies. In der Einrichtung in der Langen Straße leben momentan 16 Hunde. Wer an den Zwingern vorbeigeht, wird von vielen mit treuen Augen angeschaut, manche halten die Pfote hin. Der jüngste Neuzugang kam am Donnerstag. Und die Leiterin befürchtet, dass noch mehr Tiere ein neues Zuhause brauchen. "Viele wollen jetzt nach Corona unbedingt wieder in den Urlaub", berichtet sie. "Manche haben schon gebucht und wissen noch gar nicht, wohin mit ihrem Tier." Und es zeige sich, dass sich einige in der Corona-Zeit doch vorschnell einen Hund zugelegt haben und nun überfordert sind, beispielsweise, weil aus den süßen Welpen ein 50 Kilogramm schwerer Herdenhund mit viel Bewegungsdrang geworden ist. "Die Leute geben zu schnell auf", findet Strobel-Maus. Dabei gebe es viele Anlaufstationen, um sich Tipps und konkrete Hilfe zu holen, beispielsweise in Hundeschulen oder bei speziellen Trainern.

Momentan suchen 16 Hunde im Tierheim ein Zuhause. Foto: Christian Beck

Wer sich im Tierheim Sinsheim für einen Hund interessiert, müsse erst einmal schauen, ob das passt, beispielsweise, wenn Kinder im Spiel sind. Jemand vom Tierheim schaut sich dann das neue Zuhause des Hunds an, Platzkontrolle nennt sich das. Dabei geben die Mitarbeiter Tipps, beispielsweise zur Höhe des Zauns, zu offenen Treppen im Haus und weisen darauf hin, dass der Schlafplatz nicht neben der großen Box der Musikanlage sein kann. "Wir sagen auch mal nein", berichtet Strobel-Maus. Wenn es passt, wird ein Vertrag unterschrieben. So lief es auch bei Alfred Kreth: Pelé kam ursprünglich aus dem französischen Montpellier, mit dem das Sinsheimer Tierheim eine Kooperation unterhält. Dass der Hund nun bei ihm und seiner Frau lebt, sei eine gute Sache für alle, sagt Kreth. "So ein Hund ist gut für die Seele", sagt er. Und dass er raus muss, halte obendrein das Herrchen fit.

> Spezielle Aufgaben übernehmen manche Vierbeiner: Blindenhunde sind den meisten bekannt. Laut Landwehr gibt es zudem zwölf Hunde im Stadtgebiet, die Wildtiere aufspüren, nachdem diese angefahren wurden und geflüchtet sind. Sie sind von der Hundesteuer befreit. Mit Schul- und Begleithunden kennt sich Patricia Carrasco aus Eschelbronn aus. Die Fachlehrerin für Ergotherapie nahm Schäferhundmischling Lenny häufig mit an die SRH-Schule in Steinsfurt, die mit der Schule am Giebel kooperiert. Die Kinder mit Behinderung könnten von dem Tier in vielfältiger Weise profitieren: Mal lernten sie, sich an Regeln zu halten, weil sie im Anschluss als Belohnung den Hund streicheln durften. Mal merkten sie so, dass ihr eigenes Verhalten sich auf andere auswirkt, beispielsweise, weil sich der Hund zurückzieht, wenn die Schüler zu überdreht sind. Und es gebe zudem einige Kinder mit Migrationshintergrund, die panische Angst vor Hunden haben, weil die Tiere in ihrer Kultur ganz anders behandelt werden. Wenn sie dann einen gutmütigen Schulhund streicheln, könnten sie diese Angst überwinden. Mittlerweile sei Lenny elf, zu alt, um an die Schule zu gehen. Doch ein Nachfolger ist schon gefunden: Ihr Terrier-Mix Luca, zwei Jahre alt, sei momentan in Ausbildung, berichtet Carrasco.


Auf einem Auge blind, muskulös oder riesig

Fips, Peggy oder Conan: Zahlreiche Hunde gehörten oder gehören zum Stadtbild.

> Hunde-Persönlichkeiten gab und gibt es in Sinsheim immer wieder, speziell in der Innenstadt. Da war "Fips", ein struppiger, kleiner Mischling, nicht klassisch schön, aber charaktervoll, mit schiefem Unterbiss und auf einem Auge blind. Das hochbetagte Tierchen ging in den späten 2000er-Jahren verloren – und wurde seinem Besitzer, dem nicht minder legendären Stadtbus-Fahrer Willi Keller, von der Polizei gebracht. Putzmunter, nach einer Odyssee auf der Autobahn. Damals hielten sich sogar Entführungs-Gerüchte. "Fips" und sein Herrchen sind inzwischen gestorben.

Oft sind es Mischlingshunde mit kurzen Beinchen, dicken Bäuchlein, spitzen Schnauzen oder sonstigen Alleinstellungsmerkmalen, die den Innenstädtern in Erinnerung bleiben, etwa "Peggy", der Chihuahua-Mischling vom Fotohaus Burkhard, der in den frühen 2000er-Jahren durch die Gassen rund ums Geschäft streunte. Oder "Conan", etwa zur selben Zeit, ein roter Dackel-Pitbull-Mischling und genauso muskulös wie lieb, ein echter "Rocker"-Hund; bekannt vor allem bei der damaligen jungen Szene Sinsheims.

Ans Erbe dieser Stadthunde-Generation knüpft heute "Bobby" an: Eher mürrisch im Grundton und schon etwas älter, trifft man den kleinen Terrier mit dem kleinen Kopf, den Stecken-Beinchen und dem rechteckigen Rumpf gerne rund ums Gasthaus "Linde" an. Namentlich unbekannt, aber aufgrund seiner imposanten Statur wohl kaum einem Sinsheimer verborgen geblieben ist ein Anatolischer Hirtenhund, ein sogenannter Kangal, der seit wenigen Monaten zusammen mit seinem jungen Besitzer durch die Stadt streift. Das Bellen des Hunds geht manchen durch Mark und Bein und flößt Respekt ein. Tatsächlich ist das stattliche Tier, trotz seiner mehr als 80 Zentimeter Schulterhöhe, eher noch ein "Hundekind" und ziemlich friedlich.

Eine ganz besondere Hundegestalt tauchte vor wenigen Jahren im Stadtteil Dühren auf, nämlich "Fritz, der Motorrad fahrende Hund". Der Glatthaar-Foxterrier mit Helm und Brille saß auf dem Tank der 1000er-Boxer-BMW seines Herrchens, der in Dühren Pferde stehen hatte; solange dies so war, tauchte das Gespann oft bei den Koppeln am Sandacker und auf der B 292 auf. Nachdem die RNZ berichtet hatte, kam "Fritz" sogar im Fernsehen. Wie es weiterging, ist unbekannt. (tk)

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