Nahwärme-Pläne kommen zur richtigen Zeit
Die Pläne haben politischen Rückenwind bekommen.

Von Armin Guzy
Eppingen. Das Vorhaben hat enorme finanzielle Dimensionen, ist somit nicht ohne Risiko, kommt aber wohl genau zur richtigen Zeit: Die Energiezentrale, die am westlichen Stadtrand Eppingens gebaut werden soll, hat durch die Verteuerung von Gas und Strom und die durch den Ukraine-Krieg bedingten Systemwechsel der bisherigen Energiepolitik als lokale Lösung reichlich Rückenwind bekommen.
Bis zu 40 Prozent der förderfähigen Investitionen könnte der Staat übernehmen – und den Betrieb der Energiezentrale darüber hinaus auch noch die ersten zehn Jahre mit einem Zuschuss fördern.
Das dürfte auch nötig sein, denn ohne Förderung könnte die finanzschwache Kommune Eppingen die Investition wohl nicht stemmen: Laut Bürgermeister Peter Thalmann sind für den Bau der Energiezentrale und des Nahwärmenetzes zehn bis 14 Millionen Euro nötig – Stand heute – bei zwei bis drei Jahren Planungs- und Bauzeit, in der auf der Kostenseite noch einige "Unbekannte" auftauchen könnten. Er stellt aber auch klar: "Das trauen wir uns zu."
Derzeit ist das Ziel, 500 Haushalte an die Nahwärmeleitungen der Energiezentrale anzuschließen – tendenziell sogar mehr, denn der mögliche Einzugsbereich erstreckt sich über die bestehenden beiden Zylinderhof-Bauabschnitte bis in die Adelshofer Straße und die Nebenstraßen, rückt also nahe ans Stadtzentrum.
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Etwa 60 Prozent der Bewohner dieses Bestandsgebiets hätten sich bereits nach einer Anschlussmöglichkeit erkundigt, berichtet Thalmann auf Nachfrage. Hinzu kommt das Neubaugebiet Zylinderhof III mit mehr als 100 Wohneinheiten, das demnächst erschlossen werden soll. Und Zylinderhof IV liegt auch nicht mehr in gar zu weiter Ferne.
"Wir müssen möglichst groß starten und möglichst viel Wärme rausbringen", sagt Thalmann, weil sich dann die Kosten je Anschluss verringern. Den – im Gemeinderat nicht unumstrittenen, aber inzwischen beschlossenen – Standort für die Nahwärmezentrale im Gewann "Brunnenbruch" sieht er als ideal an, weil auf dem einen Hektar großen Gelände vieles möglich sei.
Das eigentliche Gebäude beanspruche nur 20 Ar Platz. Daher seien dort auch eine Solarthermieanlage, Erdwärme oder eine Luftwärmepumpe denkbar, die die Wärmeerzeugung der Heizzentrale ergänzen. Diese aber soll – zumindest in Zukunft – mit Holzhackschnitzeln aus dem Eppinger Forst befeuert werden. Zum Start und als spätere Redundanz für mögliche Störfälle soll aber zunächst ein gasbetriebener Kessel für Nahwärme sorgen.
Herzstück der Anlage soll Thalmann zufolge ein riesiger Pufferspeicher sein, eine Art Heißwassertank mit einem Volumen von 400 bis 500 Kubikmeter. Der Vorteil einer schon von Anfang an groß geplanten Anlage liegt für Thalmann auf der Hand: Früher habe es in Kommunen kleine "Wärmeinseln" gegeben, über die allenfalls die Turnhalle oder das Rathaus mitversorgt wurden. Solche Anlagen seien jedoch meist nicht oder nur mit großem Aufwand zu erweitern, falls der Bedarf, wie jetzt, größer wird.
Das vergangene halbe Jahr sei in Hinblick auf die politischen Vorgaben "verheerend" gewesen, sagt Thalmann und begrüßt daher die nun erzielte Einigung beim Gesetz für kommunale Wärmepläne: "Jetzt wissen wir jedenfalls, dass wir Nahwärme machen sollen." Inwieweit die offenbar erzielte Einigung beim Heizungsgesetz den Plänen der Stadt zugutekommt, muss sich hingegen zeigen. Das Hin und Her der vergangenen Monate über Wärmepumpen sowie den Austausch oder die Reparatur von bestehenden Gas- und Ölkesseln hat viele Wohnungsbesitzer verunsichert, hat auch Thalmann beobachtet.

Er führt einen Teil der Anfragen nach Nahwärme darauf zurück, dass die Eppinger Klarheit für die Zukunft ihrer Heizung haben wollen. Ob das Interesse nun zurückgeht, kann noch keiner sagen. Fakt ist aber, dass etliche Heizungen im Plangebiet auf die 30 Jahre zugehen und schon wegen des Ausfallrisikos und der geringen Effizienz erneuert werden sollten.
Betrieben werden soll die Energiezentrale später von den Stadtwerken Eppingen, an der bekanntlich die Erdgas Südwest GmbH mit 28 Prozent und der Energieversorger EnBW mit 21 Prozent beteiligt sind – schon angesichts der Herkunftssparten dieser beiden städtischen Partner lässt sich erahnen, dass sie von dem Vorhaben nur mäßig begeistert sein dürften. Die Stadt aber hat die Mehrheit und damit das Sagen.
Voraussetzung für den 40-Prozent-Zuschuss aus dem im vergangenen September eingerichteten Programm "Bundesförderung für effiziente Wärmenetze" (BEW) ist jedoch, dass die Nahwärmezentrale mindestens zu 75 Prozent durch erneuerbare Energie und Abwärme gespeist wird, also zumindest nicht dauerhaft mit ohnehin teurem Erdgas. Beim möglichen Einsatz von Biogas winkt Thalmann indes ab: Die Biogas-Anlage in Schwaigern benötige beispielsweise 800 Hektar Fläche, um das organische Material für den Betrieb zu gewinnen, erklärt er, während in Eppingen derzeit über eine Freiflächenfotovoltaik-Anlage gestritten werde, die ein Zehntel dieser Fläche einnehmen würde. Energiepolitische Weichenstellungen sind erkennbar schwierig in diesen Tagen. Und dabei ist "das Fass" Windkraft-Diskussion auf der Gemarkung noch gar nicht erst aufgemacht.
Thalmann sieht "die Lösung" indes in der Nahwärme, trotz der "immensen (finanziellen) Dimension" – erzeugt in verschiedenen Energiezentralen; auch im ehemaligen Kesselhaus der Palmbräu-Brauerei schwebt ihm eine solche Zentrale vor. In den Stadtteilen nehme das Thema ebenfalls Fahrt auf, berichtet er, verschweigt aber auch nicht, dass der Betrieb einer solchen Anlage deutlich personalintensiver ist als der eines Blockheizkraftwerks, wie es beispielsweise im Keller des Schulzentrums arbeitet und Gebäude in der Südstadt versorgt.
Zudem wird die regelmäßige Anlieferung der Hackschnitzel nicht geräuschlos verlaufen. Um mangelnden Nachschub macht sich Thalmann keine Sorgen: "Wir haben mehr Hackschnitzel als wir uns wünschen", sagt er in Hinblick auf die zunehmend kritischer werdende Situation auch im Eppinger Wald. In dieser Hinsicht kommen die Nahwärmepläne dann allerdings nicht genau rechtzeitig, sondern eigentlich reichlich spät.