Hier wird bald ohne Schadstoffe gespielt
Im Kindergarten St. Jakobus in der Werderstraße waren Weichmacher und Lindan gefunden worden - Umbau hat dies nun beseitigt

Momentan ist das Gebäude komplett entbeint, bis Dezember bleibt noch einiges zu tun. Fotos: Christian Beck
Von Christian Beck
Sinsheim. Schadstoffe im Kindergarten klingt für viele Eltern nach einem Albtraum. Genau dies war jedoch der Fall im katholischen Kindergarten St. Jakobus in der Werderstraße. Untersuchungen der Raumluft hatten Weichmacher (Phtalate) und das Holzschutzmittel festgestellt, die in ihrer Konzentration etwas über dem Grenzwert lagen. Entgegen anderslautender Gerüchte lag keine Asbestbelastung vor. Seit Mai wird der Kindergarten umgebaut, nun gibt es eine positive Nachricht: Bei erneuten Messungen wurden keine Schadstoffe mehr gefunden, berichtete Klaus Muth von der für den Kindergarten zuständigen Verrechnungsstelle Obrigheim gestern auf RNZ-Nachfrage.
Hintergrund
Bei Messungen im katholischen Kindergarten St. Jakobus wurden im letzten Jahr Weichmacher (Phthalate) und das Holzschutzmittel Lindan gefunden. Die Konzentration lag laut Klaus Muth von der Verrechnungsstelle Obrigheim leicht über dem Grenzwert. Doch worum handelt es sich bei
Bei Messungen im katholischen Kindergarten St. Jakobus wurden im letzten Jahr Weichmacher (Phthalate) und das Holzschutzmittel Lindan gefunden. Die Konzentration lag laut Klaus Muth von der Verrechnungsstelle Obrigheim leicht über dem Grenzwert. Doch worum handelt es sich bei diesen Stoffen? Und weshalb sind sie gesundheitsgefährdend?
Phthalate sind spezielle Weichmacher, die, wie der Name schon sagt, eine ganze Reihe von Stoffen weich machen. Vor allem betrifft dies Materialien aus Kunststoff wie Folien und Kabel. Manche Weichmacher sind gesundheitsgefährdend, vor allem die genannten Phthalate. Manche davon können laut Studien Unfruchtbarkeit bei Männern verursachen, da sie in ihrer Wirkung bestimmten Hormonen ähnlich sind. Ebenso stehen sie im Verdacht, Übergewicht und Diabetes beim Mann auszulösen. Im Kindergarten befanden sich Phthalate im Bodenkleber. Früher wurden sie auch in Schnullern und Kinderspielzeug gefunden, mittlerweile hat die Europäische Union dies verboten. Allerdings werden immer wieder Phthalate gefunden, beispielsweise in Buntstiften, auf denen Kinder gerne herumkauen.
Lindan ist ein Halogenkohlenwasserstoff, der vor allem als Insektizid und als Holzschutzmittel eingesetzt wird. Es wird seit 1984 in der BRD, seit 1989 in der damaligen DDR nicht mehr hergestellt, im Ausland aber noch verwendet. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation stufte Lindan im Jahr 2015 als "krebserregend bei Menschen" ein. Der Stoff wird auch als Mitauslöser der Parkinson-Krankheit diskutiert. Lindan steht ferner im Verdacht, bei Überschreitung der Normalwerte schwere Krankheiten auslösen zu können: Veränderung der inneren Organe, der Blutbildung, Multiple Sklerose, Nervenschädigungen. Betroffen sind nicht nur Landwirte, Handwerker und Chemiearbeiter, sondern auch Hausbewohner, die dem Stoff über die Atemluft ausgesetzt sind. Heute stellen mit Lindan behandelte Hölzer in vielen Gebäuden einen Schadstoff dar, der nicht selten aufwendig saniert werden muss. (cbe)
Die Schadstoffe waren gut versteckt: Die Weichmacher steckten im Bodenkleber, das Lindan im Unterbau der Decken. Am 3. Juli des vergangenen Jahres lagen die Messergebnisse vor. "Ein hinzugezogener Baubiologe hat die Überschreitungen und die gesundheitlichen Risiken als gering bezeichnet", berichtet Muth. Um eine Gefährdung definitiv auszuschließen, wurde aber fortan die Raumluft mit Hilfe von speziellen Staubfiltern gesäubert. Parallel wurde die Sanierung geplant und nach einem Ausweichquartier für die Kinder gesucht.
Letzteres habe sich laut Klaus Muth "enorm schwierig gestaltet". Die Lösung: Die Ganztagesgruppe mit 20 Kindern ist in der Zeit des Umbaus im Personalzimmer des Kindergartens St. Michael in der Kurpfalzstraße untergebracht. Vier weitere Gruppen mit 88 Kindern fanden im ehemaligen evangelischen Kindergarten Hoffenheim Platz. Das Gebäude ist von Mai bis November angemietet - bis Mitte November sollen die Umbauarbeiten dauern. "Die Arbeiten liegen im Zeitplan", erklärte Muth gestern. Ab 1. Dezember sollen sich demnach die Türen von St. Jakobus für Kinder wieder öffnen.
Bis dahin haben die Bauarbeiter aber noch einiges zu tun: "Gerade ist das ganze Gebäude entbeint", berichtet Muth. Alle Böden wurden ausgebaut, der Estrich wurde abgeschliffen. Und auch die belastete Deckenkonstruktion ist in allen Räumen Geschichte. Vor kurzem wurden nun alle Räume feingereinigt, danach wurde erneut gemessen. "Wir haben nun keine Schadestoffe mehr gefunden", berichtet Klaus Muth. Diese Einschätzung sei von zwei unabhängigen Gutachtern bestätigt worden.
In Kürze werden die Bauarbeiten nun wieder beginnen. Auf dem Programm stehen neben der Beseitigung der Schadstoffe die Verbesserung des Brandschutzes, neue Fenster, ein neuer Eingangsbereich sowie Malerarbeiten im gesamten Gebäude.
Rund 500.000 Euro sollte der Umbau ursprünglich kosten, doch dabei wird es nicht bleiben: "Es wird wohl etwa 200.000 Euro teurer", erklärt Muth auf Nachfrage. Dies habe jedoch nichts mit den erfolgreich beseitigten Schadstoffen zu tun. Vielmehr hätten Unebenheiten dazu geführt, dass weitere Böden erneuert werden müssen. Zudem bekommt das Gebäude nun auch eine neue Dämmung. 80 Prozent der rund 700.000 Euro teuren Baukosten übernimmt die Stadt, den Rest die Kirchengemeinde.