Walldorf bleibt bunt und facettenreich
Jahresabschlussgespräch mit Bürgermeisterin Christiane Staab: Negativer Höhepunkt waren die Halloween-Randale Jugendlicher, aber auch der Verkehr sei "eine absolute Katastrophe".

Die größte Baustelle der Astorstadt gibt es derzeit am Schulzentrum, wo für über 25 Millionen Euro eine Mensa mit Räumen für die Ganztagsbetreuung und eine neue Sporthalle errichtet werden. Die Fertigstellung wird erst Mitte 2019 erfolgen. Foto: Pfeifer
Von Armin Rößler
Walldorf. "Wo diese Aggression herkommt, kann ich mir nicht erklären", sagt Walldorfs Bürgermeisterin Christiane Staab im Jahresabschlussgespräch mit der RNZ. Die Randale einer Gruppe von Jugendlichen in der Nacht auf Halloween zählt für sie zu den "Dingen, von denen man sich nicht wünscht, dass sie passieren". "Störungen" durch Jugendliche habe es schon immer gegeben, macht sich die Bürgermeisterin nichts vor, ob durch öffentlichen Alkohol- und Drogenkonsum, durch Müll oder Lärm. Dass jedoch, wie geschehen, Brandsätze auf den Polizeiposten und eine Sporthalle geworfen werden, "hätte ich mir nicht vorstellen können", so Christiane Staab. Die anschließende Aufarbeitung der Vorfälle "hat uns viel Kraft geraubt".
Fünf der Täter sind zwischenzeitlich ins Gefängnis gewandert, weitere Haftbefehle gegen Jugendliche wurden gegen Auflagen außer Kraft gesetzt, es hatte eine öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema Vandalismus und Sicherheit gegeben und auch im Gemeinderat wurde ausführlich darüber diskutiert. Die Bürgermeisterin hofft, mit der Bevölkerung "in einen Diskurs zum Thema Sicherheit eintreten" zu können. Sie wolle, so Christiane Staab, "keine Form von Denunziantentum fördern", trotzdem könne nur dann ein allgemeines Gefühl der Sicherheit entstehen, "wenn die Menschen aufeinander achten". Die Polizei könne das allein mit den Kräften, die ihr zur Verfügung stehen, nicht schaffen. Zu den möglichen Maßnahmen seitens der Stadt könnten der Ausbau des Vollzugsdiensts, bauliche Veränderungen, aber auch der Einsatz von Kameras gehören. Ein Gesamtpaket wird derzeit von der Verwaltung geprüft und soll im Februar im Gemeinderat diskutiert werden.

Walldorfs Bürgermeisterin Christiane Staab wünscht allen Einwohnern ein gutes neues Jahr 2018. Foto: Pfeifer
Ein anderes wenig erfreuliches Thema ist die Verkehrssituation rund um die Astorstadt. "Das ist eine absolute Katastrophe", bringt die Bürgermeisterin ihre Meinung zum Ausbau der A 6 auf den Punkt. Unfälle mit Verletzten oder gar Toten, der volkswirtschaftliche Schaden, den die vielen Staus verursachen - "ich weiß nicht, ob ein solches Projekt nicht logistisch anders angegangen werden muss". Dazu gehört auch der nach wie vor ausstehende Ausbau der L 723 zwischen Rauenberg und Walldorf, von dem seit über zehn Jahren gesprochen werde. "Es wäre schön gewesen, wenn das vor dem A 6-Ausbau passiert wäre", sagt Christiane Staab, zumal ja auch der A 5-Ausbau "schon in der Pipeline" sei. "Es wäre der Supergau, wenn genau dann auch die L 723 umgebaut wird", fürchtet die Bürgermeisterin. Einen konkreten Zeitplan für die L 723 gibt es nicht, immerhin aber einen Hoffnungsschimmer: Für das sogenannte "Vollkleeblatt", das die Ampeln an der Überleitung zur B 3 überflüssig machen würde ("das wäre schon eine Entlastung"), liegt das Bebauungsplanverfahren bei der Stadt Wiesloch. Da man hier auch dem Hochwasserschutz gerecht werden muss, gibt es Überlegungen für eine Interimslösung, in der der Leimbach mit einer Spundwand gesichert wird, sodass das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden kann. "Dringend notwendig wäre aber auch der vierspurige Ausbau der L 723", sagt Christiane Staab. "Doch da haben wir kein Signal, dass das in absehbarer Zeit geschieht."
Viele Anstrengungen werden in Walldorf in Sachen Klimaschutz unternommen, was auch durch die kürzliche Re-Auditierung beim "European Energy Award" unterstrichen wird. Die Stadt könne aber die CO2-Bilanz nicht allein verbessern, wünscht sich die Bürgermeisterin einerseits mehr interessierte Bürger, die sich am Arbeitskreis Klimaschutz beteiligen, zum anderen "könnte uns das Gewerbe da noch stärker helfen". Auch deshalb hat die Stadt 2017 erstmals eine "Energiekarawane Gewerbe" angeboten, die eher geringe Nachfrage sei jedoch "sehr enttäuschend" gewesen. Dass viele Unternehmer nicht bereit seien, sich mit dem Thema zu beschäftigen, könnte nach Ansicht der Bürgermeisterin "sicher auch der guten Auftragslage geschuldet" sein.
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Davon abgesehen, lässt sich festhalten, dass der Wirtschaftsstandort Walldorf "ungebremst wächst". Das bedeutet einerseits hohe Gewerbesteuereinnahmen, anderseits, dass die bestehende Fläche weiter verdichtet werden muss. So wird die SAP in den nächsten Jahren weiter am Standort investieren und Arbeitsplätze schaffen, bei der Biotechnologiefirma Promega sind die Arbeiten für ein dreistöckiges Gebäude auf einem 33.000- Quadratmeter-Grundstück im Gange und für die Ansiedlung von John Deere in Nachbarschaft zu Luxor-Filmpalast und Session Musik könnte der Spatenstich im Frühjahr erfolgen. "Wir hoffen weiter auf eine prosperierende Zukunft", sagt die Bürgermeisterin.

Waldkindergarten made in Walldorf: Die für 330 000 Euro errichtete Holzhütte erfüllt alle Erfordernisse einer Ganztagseinrichtung. Foto: Pfeifer
Wie praktisch immer, wurde auch seitens der Stadt 2017 viel gebaut. In Betrieb genommen wurde der neue Waldkindergarten im Gewann Hof, der für 330.000 Euro errichtet wurde und vom Verein Zipfelmützen betrieben wird. "Das Gebäude ist fantastisch", sagt Christiane Staab über die Holzhütte mit rund 100 Quadratmetern Nutzfläche auf zwei Stockwerken. "Da steckt viel Liebe und Wärme drin", gleichzeitig werden die Erfordernisse eines Ganztagskindergartens erfüllt. Nicht weit davon entfernt wird 2018 der nächste Kindergarten entstehen: "Alle Vorarbeiten sind auf den Weg gebracht", rechnet die Bürgermeisterin für die neue sechsgruppige Einrichtung mit einem Spatenstich im Frühjahr. Die Kosten sollen bei rund 6,8 Millionen Euro liegen.
Eine noch größere Baustelle gibt es am Walldorfer Schulzentrum, wo für über 25 Millionen Euro eine Mensa mit Räumen für die Ganztagsbetreuung und eine neue Sporthalle entstehen. "Ein großes und wichtiges Projekt", sagt Christiane Staab. Realschule und Gymnasium seien bereits "mit angezogener Handbremse" in die Ganztagsschule im Sekundarbereich gestartet, Mitte 2019 kann es dann richtig losgehen. "Es wird auch Zeit, dass die neue Mensa kommt, wir sind an den Kapazitätsgrenzen." Apropos Schulen: Wald- und Schillerschule, Theodor-Heuss-Realschule und Gymnasium durften im abgelaufenen Jahr "praktisch alle auf einen Schlag" ihr 50-jähriges Jubiläum. Es sei "ein Pfund", mit dem Walldorf schon seit Langem wuchern könne, "dass alle Schularten vorhanden sind und sich großartig entwickelt haben", meint die Bürgermeisterin. Alle seien "extrem innovativ". Sie könnten auf der anderen Seite aber auch seit 50 Jahren darauf vertrauen, "dass der Träger für sie da ist". Zur Zukunft der Sambugaschule gibt es zwar einige Überlegungen, aber noch keine konkrete Entscheidung, wie es mit den in die Jahre gekommenen Räumlichkeiten weitergeht. Immerhin hat die Schule mit Silke Fiedler "endlich eine neue Schulleiterin bekommen". Eine neue Rektorin gibt es mit Jutta Stempfle-Stelzer auch an der Schillerschule.
Klarheit soll es 2018 auch beim Feuerwehrhaus geben: Die Bürgermeisterin hofft, im ersten Quartal dem Gemeinderat konkrete Vorschläge für mögliche Standorte präsentieren zu können, die man dann vertieft überprüfen könne. Man werde nicht nur eine "ordentlich große Fläche" brauchen, sondern müsse angesichts von 170 Einsätzen im Jahr auch an die Nachbarschaft denken, die unter dem Lärm zu leiden hat. "Die Feuerwehr ist ständig zu unserem Schutz unterwegs, da ist es unsere Pflicht, angemessene Bedingungen zu schaffen", sagt Christiane Staab, verbunden mit einem "dicken Dankeschön" an die Floriansjünger.
Begonnen hatte das Jahr 2017 in Walldorf mit einem "Paukenschlag": Die erst Mitte November bezogene Flüchtlingsunterkunft in der Philipp-Reis-Straße, von einem Privatinvestor an den Rhein-Neckar-Kreis vermietet, musste am Dreikönigstag schon wieder geräumt werden, rund 100 Menschen mussten umziehen: Die Anlage hatte gravierende technische Mängel, "da hängen die Eiszapfen an den Wasserhähnen", wurde der Stadtverwaltung gemeldet. Flugs wurden Busse organisiert, trotz des Feiertags konnte in der Notsituation "zügig und reibungslos" geholfen werden. Ohne Probleme funktioniert in Walldorf laut der Bürgermeisterin die Anschlussunterbringung. "Wir sind aber nach wie vor daran interessiert, Häuser zu kaufen und Wohnungen anzumieten", sagt sie. Inzwischen hat die Stadt mit Gabriele Dörflinger auch eine Integrationsmanagerin eingestellt, die sich intensiv um die Flüchtlinge kümmert. "Sie wird eine große Hilfe sein, hier Fuß zu fassen", erklärt Christiane Staab.
Fertiggestellt und zum Jahreswechsel bezogen wurden die 26 barrierefreie Sozialwohnungen in der Bürgermeister-Willinger-Straße, die von der Stadt für 4,6 Millionen Euro gebaut worden sind. Gerade der soziale Wohnungsbau sei in Walldorf "über viele Jahre hinweg vernachlässig" worden, sagt die Bürgermeisterin, viele der Wohnungen seien veraltet. Jetzt habe man sich auch auf den Weg gemacht, diese konsequent zu sanieren. Daneben hat die Stadt aber auch weitere Neubauprojekte im Blick: So sollen auf einem bisher als Parkplatz genutzten Grundstück in der Stresemannstraße zehn weitere Sozialwohnungen entstehen, auch wenn das von den Nachbarn nicht mit Begeisterung aufgenommen wurde. "Uns ist bewusst, dass es in diesem Gebiet zu wenige Stellplätze gibt", trotzdem werde damit einfach nur "eine Fehlnutzung" beendet. Weitere Grundstücke in städtischer Hand sollen ebenfalls beleuchtet werden. Ein Bauvorhaben, das 2018 angegangen werden soll, ist die räumliche Zusammenführung von Plattform, Kleiderstube und Tafel. Die beiden Letzteren "platzen aus allen Nähten", auch die Parksituation sei schlecht. "Wir hoffen, dass wir angemessene Räumlichkeiten bauen können", dies geschieht mit Hilfe der Stiftungen von Dietmar Hopp sowie Sonja und Gerd Oswald.
Einen hohen Stellenwert nimmt in Walldorf die Förderung von Kunst und Kultur ein. So hat man sich zum ersten Mal am Metropolink-Festival beteiligt, der Künstler Daniel Thouw begeisterte mit "Urban Art" an einem Wohnhaus und bot für Jugendliche im Rahmen des Ferienspaßes auch einen Workshop an. Für 2018 wurde wieder der Walldorfer Kunstpreis ausgeschrieben. "Es ist schön für die Bevölkerung, mit Kunst in einen Dialog treten zu können", freut sich die Bürgermeisterin bereits auf die Werke, die dann zu sehen sein werden.
Abseits der großen Baumaßnahmen werden natürlich auch in Walldorf viele kleinere Dinge auf den Weg gebracht oder erledigt. Dazu gehört das neue öffentliche Bücherregal in der Hauptstraße, das auf "einen großen Wunsch aus der Bürgerschaft" hin verwirklicht wurde und von der Generationenbrücke betreut wird. "Eine ganz wichtige Veranstaltung für das Doppelzentrum" ist für Christiane Staab der in zweijährlichem Turnus stattfindende "Tag der offenen Gärten und Höfe" in Wiesloch und Walldorf. "Es würde mir wehtun, wenn das wegfällt", sagt sie zu entsprechenden Überlegungen in der Nachbarstadt, "wir brauchen diesen Austausch zwischen Wieslochern und Walldorfern". Der funktioniert beispielsweise beim Bewegungstag von "WiWa Familie": "Das wurde wieder gut angenommen, es ist toll, was die Vereine auf die Beine stellen." Ein "Wahnsinnserfolg" war für die Bürgermeisterin die Jugendveranstaltung zur Bundestagswahl mit rund 250 Teilnehmern, denen die Kandidaten Rede und Antwort standen. "Die Jugendlichen waren beeindruckt, dass man sie wirklich ernst genommen hat."
Mit der interkulturellen Woche und der Teilnahme an der Fairen Woche wurde an die Themen Mitmenschlichkeit und Nachhaltigkeit erinnert. "Das zeigt, wie vielfältig wir vor Ort sind und wie vielfältig die Welt ist", meint die Bürgermeisterin. Sie ruft dazu auf, im Fair-Trade-Lenkungskreis mitzumachen, "um das Thema weiter auszubauen". Darüber hinaus gilt ihr Dank "allen Mitstreitern" im Ehren- und Hauptamt, "die dazu beitragen, dass unsere Stadt so bunt und facettenreich ist".



