Schon der Name verheißt Freiheit
Der Strümpfelbrunner Singer-Songwriter Saoirse Mhór startet durch: "Bester Song des Jahres" beim 39. Deutschen Pop- & Rockpreis

Von Peter Lahr
Strümpfelbrunn. Er ist kein Freund der lauten Töne, auf den Alben des irischen Singer-Songwriters Saoirse Mhór geht es eher besinnlich zu. Der Wahl-Strümpfelbrunner, den die Liebe zu einer Trompeterin im Nordbadischen vor Anker gehen ließ, ist ein charmanter Gesprächspartner und ein Musiker, der mit seinen Songs auch gerne Geschichten erzählt.
"Es ist eine innere Freiheit, wenn die Seele wächst", erklärte Saoirse Mhór dieser Tage im RNZ-Gespräch die Bedeutung seines gälischen Künstlernamens. "Die große Freiheit" ist zwar derzeit pandemiebedingt eingeschränkt, und der Gitarrist vermisst besonders die Live-Auftritte. Dennoch startete er in den letzten Monaten voll durch. Mit seiner neuen Band "Sìolta" ("Der Samen") hat er ein Album aufgenommen. Sein parallel dazu entstandenes viertes Soloalbum stieß ebenfalls auf gute Resonanz.
Während das irische Folk-Fachmagazin lobend rezensierte, freute sich Mhór über eine Platzierung als "bester Song des Jahres 2021 – englischsprachig" beim 39. "Deutschen Pop- & Rockpreis" für "Ashbury Lane", den Opener des Albums "Minor Tales Major Stories". Was beweist, dass das Leben mitunter die besten Geschichten schreibt. Denn: "Ursprünglich war das Lied das hässliche Entchen", erinnerte sich der Musiker und Komponist. Erst die Interaktion mit den weiteren Musikern, darunter Michael Busch (Gitarre) und Andrew Cadie (Geige) habe für das nötige Profil gesorgt; nicht zu vergessen die Background-Stimme von Katie Doherty. Aufgenommen wurden die einzelnen "Lines" des Albums mit seinen sieben Songs in den diversen Studios der Musiker und dann am Ende "zusammengetragen".
"Ich fühle mich schlicht freier", beschreibt Saoirse Mhór den Unterschied zwischen dem Band- und dem Solopfad. Während "Sìolta" eher für die "Irish Tunes" stehe, fühle er sich solo, beziehungsweise mit dem Stamm-Trio, nicht so stark dem Irischen-Folk-Schema verpflichtet. Auch bei den Texten gehe es mehr "songwriterisch" zu. "Es darf nicht ,cheesy’ sein, nicht zu direkt. Eher suggestiv, dass sich die Zuhörer etwas vorstellen können", so die Absicht. Die Texte müssten auch nicht wahr sein, Fiktion sei durchaus erlaubt. Obschon sich Saoirse Mhór als Komponist und Texter durchaus der Gegenwart annähert und weniger auf das typische Folksong-Personal wie "der Trinker" setzt.
Auch interessant
"Ich spiele einfach Gitarre. Wenn von den Akkorden ein schöner Lauf zusammenkommt, lasse ich die Wörter fließen, achte darauf, was der Song suggeriert. Wenn ich eine Struktur und ein Thema habe, geht es relativ schnell mit den Texten", beschreibt der Musiker die Entstehungsgeschichte eines Songs.
Über eine ganz besondere Geschichte verfügt auch das Covermotiv. In barockem Hell-dunkel-Kontrast verweisen die "Kleinen Märchen und großen Geschichten" auf den Judaskuss. Im Jahr 1602 malte Caravaggio das hochemotionale Bild, das später als verschollen galt. Seit den frühen 1930er-Jahren hing es im Speisesaal eines Jesuitenklosters in Dublin, war das Geschenk einer Frau, die es in einem schottischen Antiquitätengeschäft erworben hatte. Nach der "Entdeckung" wanderte das Meisterstück in die Nationalgalerie von Dublin. "Hochverrat" sollte ursprünglich das Album nach dem gleichnamigen Song heißen – und Bezüge zum unschönen Ende der Vorgängerband seien durchaus real. Aber Mhór schaut nicht mehr im Zorn zurück, blickt lieber nach vorn.
"Ich hatte schon ein gutes Gefühl", umschreibt der musikalische "Vater" sein neuestes "Kind". Nun fehlt nur noch eins, es sollen ja möglichst viele Leute etwas davon mitkriegen. "Ich bin auf die Live-Auftritte angewiesen. Ich kriege das Album nicht raus, wir wurden abgeschnitten von den Verdiensten", stand dann doch die Pandemie im Raum. Einige Auftritte gab es im letzten Sommer, und auch für dieses Jahr sind Gigs geplant.
Ganz oben auf dem Wunschzettel steht das "Folk am Neckar"-Festival, bei dessen Premiere Mhór mit auf der Bühne stand. Mit "Larún", die dort beim letzten Mal dabei waren, spielte er bereits zweimal auf anderen Festivals. Ein neues Date wäre fein. Gleichgültig, ob es am Neckar klappt, die Folkmusik geht immer weiter. "Ich habe schon zwei, drei Sachen am Brutzeln", zeigte sich Saoirse Mhór auch in schweren Zeiten weiter kreativ. Musik gehört einfach zu seinem Leben.