So soll der ländliche Bereich künftig besser versorgt werden
Gemeinden werden oft zu spät erreicht - Neue Strukturen in Angriff genommen

Die Notrufnummer 112 steht auf einem Rettungsfahrzeug des Arbeiter-Samariter-Bunds. Foto: Kalaene
Von Stefan Hagen
Rhein-Neckar. Das zu Ende gehende Jahr wird Christoph Schauder wohl nicht so schnell vergessen. Schließlich steht der Dezernent für Ordnung und Gesundheit im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis stets an vorderster Front, wenn die Rettungsdienste und die Rettungsleitstelle in Ladenburg in die Schusslinie geraten - und das war in den vergangenen Monaten reichlich der Fall.
Im April geriet die Rettungsleitstelle in die Schlagzeilen, weil der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) die Zusammenarbeit aufgekündigt und schwere Vorwürfe erhoben hatte. Zur Erläuterung: Von der Leitstelle Ladenburg aus wird der Rettungsdienst für die Städte Heidelberg und Mannheim sowie den Rhein-Neckar-Kreis koordiniert. Ab 2019 wird es zwei Leitstellen geben - eine für die Stadt Heidelberg und den Rhein-Neckar-Kreis in Ladenburg und eine weitere in Mannheim. Träger der Leitstelle sind derzeit der Rhein-Neckar-Kreis sowie das DRK Mannheim und das DRK Rhein-Neckar/Heidelberg.

Christoph Schauder ist Dezernent für Ordnung und Gesundheit im Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis. Foto: Burkhardt
Als Gründe für seinen Ausstieg hatte der ASB unter anderem schlechte Mitarbeiterführung innerhalb der Leitstelle, Überbelastung der Mitarbeiter sowie "signifikante Ausfallzeiten" beim Personal des Trägers - also dem DRK - genannt. Insgesamt würden unzumutbare Arbeitsbedingungen herrschen, deshalb die Kündigung.
Zudem wurde in Protokollen von Mitarbeiterversammlungen der Vorwurf laut, dass Disponenten vorsätzlich Notrufe nicht angenommen hätten. Auch würden unwichtige Telefonate geführt und so Notrufleitungen blockiert. Landrat Stefan Dallinger hatte die Vorwürfe scharf zurückgewiesen und von "vorgeschobenen Gründen" gesprochen.
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Aktuell gibt es jetzt wieder Ärger. So hat der SWR recherchiert, dass die Rettungsdienste in Baden-Württemberg "weiter überlastetet" seien. Hunderte von Gemeinden seien im Notfall unzureichend versorgt - auch im Rhein-Neckar-Kreis. Im Notfall sollen Rettungswagen innerhalb von 15 Minuten am Einsatzort eintreffen - dies gelinge nur unzureichend. Nachfolgend einige Beispiele aus der Datenanalyse des SWR.
Schriesheim ist "strukturell unterversorgt": 2017 war der Rettungsdienst demnach in 21 Prozent der Fälle innerhalb von zehn Minuten vor Ort. In rund 25 Prozent der Fälle hat es länger als eine Viertelstunde gedauert.
Weinheim ist "vergleichsweise gut versorgt": In 77 Prozent der Fälle war der Rettungsdienst innerhalb von zehn Minuten vor Ort. In rund sechs Prozent der Fälle hat es länger als eine Viertelstunde gedauert.
Wiesloch ist "nicht ausreichend versorgt": In 61 Prozent der Fälle war der Rettungsdienst innerhalb von zehn Minuten vor Ort. In rund elf Prozent der Fälle hat es länger als eine Viertelstunde gedauert.
Eppelheim ist "sehr gut versorgt": In 72 Prozent der Fälle war der Rettungsdienst innerhalb von zehn Minuten vor Ort. In rund zwei Prozent der Fälle hat es länger als eine Viertelstunde gedauert.
Heddesbach ist "unzureichend versorgt": In null Prozent der Fälle war der Rettungsdienst innerhalb von zehn Minuten vor Ort. In rund 100 Prozent der Fälle hat es länger als eine Viertelstunde gedauert.
Im Hinblick auf die in der Notfallrettung relevante 15-minütige Hilfsfrist sei festzustellen, dass die Entwicklung - bezogen auf den gesamten Rettungsdienstbereich Rhein-Neckar (Stadtkreise Heidelberg und Mannheim sowie Rhein-Neckar-Kreis) - grundsätzlich positiv zu bewerten sei, heißt es in einer Stellungnahme des Landratsamts auf Nachfrage der RNZ. Hauptgrund hierfür seien aber die urbanen Strukturen der beiden Stadtkreise. Im Rettungsdienstbereich Rhein-Neckar sei die Hilfsfrist im Jahr 2017 im Schnitt in über 93 Prozent der Fälle erreicht worden.
In einigen ländlich strukturierten Versorgungsbereichen des Rhein-Neckar-Kreises hätte sich dagegen phasenweise eine gegenläufige Entwicklung gezeigt. Dem Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde über den Bereichsausschuss sei es deshalb wichtig gewesen, darauf hinzuwirken, dass auch die Menschen in der Fläche adäquat rettungsdienstlich versorgt werden, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Deshalb habe sich der Rhein-Neckar-Kreis im zuständigen Bereichsausschuss mit erheblichem Nachdruck für die Beauftragung eines sogenannten großen Strukturgutachtens eingesetzt, das Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten im Rettungsdienst aufzeigen sollte.
Hintergrund
> Baden-Württemberg ist in 34 Rettungsdienstbereiche unterteilt. Dabei umfasst der Bereich Rhein-Neckar, bestehend aus den Stadtkreisen Heidelberg und Mannheim sowie dem Rhein-Neckar-Kreis, mit rund einer Million Einwohnern das größte Einsatzgebiet.
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> Baden-Württemberg ist in 34 Rettungsdienstbereiche unterteilt. Dabei umfasst der Bereich Rhein-Neckar, bestehend aus den Stadtkreisen Heidelberg und Mannheim sowie dem Rhein-Neckar-Kreis, mit rund einer Million Einwohnern das größte Einsatzgebiet.
> Maßgebliches Organisations- und Planungsorgan in den Rettungsdienstbereichen ist der Bereichsausschuss. Stimmberechtigte Mitglieder sind dort die Kostenträger (Krankenversicherungen und gesetzliche Unfallversicherungsträger) und Leistungsträger (Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe und Malteser-Hilfsdienst). Die Gebietskörperschaften, so auch der Rhein-Neckar-Kreis, sind beratende Mitglieder ohne Stimmrecht.
> Dem Bereichsausschuss obliegt die planerische Sicherstellung der rettungsdienstlichen und notärztlichen Versorgung. Finanziert wird der Rettungsdienst überwiegend aus Benutzungsentgelten, welche im Rahmen der Selbstverwaltung zwischen den Kostenträgern und den Leistungsträgern vereinbart werden. Gesetzliche Grundlage für den Rettungsdienst in Baden-Württemberg ist das Rettungsdienstgesetz. Der Rettungsdienstplan des Landes Baden-Württemberg konkretisiert dieses Gesetz.
> Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis wurde durch das Regierungspräsidium Karlsruhe zur Rechtsaufsichtsbehörde über den Bereichsausschuss für den Rettungsdienstbereich Rhein-Neckar bestellt. sha
Der Bereichsausschuss war dem Vorschlag des Kreises gefolgt und hatte zunächst im Oktober 2016 die Beauftragung eines Gutachtens sowie im Rahmen einer Sondersitzung im Juni diesen Jahres die vollumfängliche Umsetzung der gutachterlichen Empfehlungen jeweils einstimmig beschlossen. "Im Ergebnis stellen die verabschiedeten Maßnahmen eine Investition in die rettungsdienstliche Versorgung dar, die in dieser Form landesweit einmalig sein dürfte", betont Dezernent Schauder. Für das Kreisgebiet seien in diesem Zusammenhang insbesondere folgende Verbesserungen erreicht worden.
Rettungswachenstandort Wiesloch: Erweiterung der Rettungsmittelvorhaltung von 1,5 Rettungswagen auf zwei Rettungswagen im 24-Stunden-Betrieb an 365 Tagen im Jahr.
Rettungswachenstandort Sinsheim: Erweiterung von 1,5 Rettungswagen auf zwei Rettungswagen im 24-Stunden-Betrieb an 365 Tagen im Jahr.
Rettungswachenstandort Bammental: Erweiterung der Rettungsmittelvorhaltung von einem Rettungswagen auf zwei Rettungswagen im 24-Stunden-Betrieb an 365 Tagen im Jahr bis ein neuer Rettungswachenstandort in Schönau-Altneudorf eingerichtet ist, was voraussichtlich im ersten Halbjahr 2019 erfolgen wird.
Auch bei den Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) seien für den Rhein-Neckar-Kreis positive Änderungen erreicht worden: So wurde das zweite Tag-NEF vom Standort Weinheim nach Schriesheim verlegt, sodass sich insbesondere in den Odenwald und das Steinachtal die Fahrzeiten verkürzen. Zudem wird die Einsatzzeit eines Notarzteinsatzfahrzeugs am Rettungswachenstandort Walldorf, das bisher nur tagsüber im Einsatz war, auf 24-Stunden ausgedehnt und die NEF-Vorhaltung in Schwetzingen um ein Tagfahrzeug erweitert. Bei der Universitätsklinik Heidelberg am Standort Schlierbach (Orthopädie) ist ebenfalls ein neues Tag-NEF stationiert, das insbesondere für die Region Neckargemünd/Bammental eingesetzt wird.
Die Maßnahmen seien von den Leistungsträgern in wesentlichen Teilen bereits umgesetzt worden, sodass in den kommenden Monaten mit einer Verbesserung der Hilfsfrist in den ländlichen Bereichen zu rechnen sei.
Der Prozess für eine Verbesserung der rettungsdienstlichen Versorgung habe gezeigt, dass in der Rhein-Neckar-Region effizientere Planungsstrukturen im Rettungsdienst benötigt würden. Vor diesem Hintergrund habe der Rhein-Neckar-Kreis, gemeinsam mit den Städten Heidelberg und Mannheim, auf eine Neustrukturierung des bestehenden Rettungsdienstbereichs hingearbeitet und einen entsprechenden Vorstoß gegenüber dem Innenministerium unternommen.
Das Ministerium hat nun mitgeteilt, dass der Rettungsdienstbereich Rhein-Neckar zum 1. Januar 2019 neu strukturiert wird. Künftig wird es einen Rettungsdienstbereich Heidelberg/Rhein-Neckar-Kreis und einen Rettungsdienstbereich Mannheim geben. "Wir sind mit der Neustrukturierung sehr zufrieden, da unseren regionalen Bedürfnissen damit vollumfänglich Rechnung getragen wird. Das ist ein Meilenstein für die Rhein-Neckar-Region, da wir dadurch effizientere Planungsstrukturen im Rettungsdienst bekommen", sagt Schauder.



