Mehr Einsätze, Probleme beim Nachwuchs
Ein Überblick über die wichtigsten Aspekte in der Debatte der Rettungsdienst-Reform

Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Innenminister Thomas Strobl (CDU) will den Rettungsdienst reformieren. Der grün-schwarze Koalitionsvertrag sieht vor, die Leitstellenlandschaft und eine bessere finanzielle Ausstattung der Helfer zu prüfen. Inzwischen hegt das Ministerium aber weitergehende Pläne. Ein Überblick über die wichtigsten Aspekte in der Debatte.
Streitthema Hilfsfristen
Dem Landes-Rettungsdienstgesetz zufolge sollen Rettungswagen und Notarzt in 95 Prozent der Fälle innerhalb von zehn, maximal 15 Minuten vor Ort sein. Diese Zahlen verfehlen fast alle der 34 Rettungsdienstbereiche im Land, wiewohl der Durchschnitt unter sieben Minuten liegt. Mediziner betonen, dass in lebensbedrohlichen Fällen wie Schlaganfall oder Herzstillstand zwei andere Fristen wichtiger sind: die ersten Minuten, in denen noch kein Notarzt zugegen sein kann, und die Zeit, bis der Patient tatsächlich im Krankenhaus mit der nötigen Expertise eintrifft. Hier gilt in kritischen Fällen eine Maximalfrist von einer Stunde. Das Land kommt im Schnitt auf 46 Minuten.
Transparenz und Analyse
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Seit 2012 veröffentlicht die Stabsstelle Qualitätssicherung (SQR) jährlich Berichte zur Rettungsdienstversorgung in Baden-Württemberg - eine bundesweit einmalige Einrichtung. 2018 soll es Zahlen für jede einzelne Rettungswache geben.
Zunahme der Einsätze
Kapazitätserhöhungen in der Vergangenheit wurden oft von steigenden Einsatzzahlen aufgezehrt. Dazu trägt die Überalterung der Gesellschaft genauso bei wie der Ärztemangel im ländlichen Raum. Rettungskräfte werden aber zunehmend auch in Bagatellfällen gerufen. Fehlalarme und Krankentransporte verschlingen weitere Ressourcen. Eine zentralere Planung soll diesen Herausforderungen begegnen.
Medizinische Fachaufsicht
Bislang verhandeln Hilfsorganisationen und Krankenkassen die finanzielle Ausstattung der Dienste in jedem der 34 Rettungsdienstebereiche des Landes unter sich. Experten fordern eine medizinische Fachaufsicht, wie es sie auch in anderen Bundesländern gibt. Bis Ende des Jahres soll nun in jedem der vier Regierungspräsidien ein Ärztlicher Leiter installiert werden. Die Rechtsaufsicht über die Bereichspläne wurde im Rettungsdienstgesetz zuletzt 2015 gestärkt.
Leitstellen
Beim Symposium "Zukunft des Rettungsdienstes in Baden-Württemberg" kündigte Staatssekretär Martin Jäger vergangene Woche in Stuttgart eine landesweite Rettungsdienstplanung an. Im Gespräch ist dabei auch ein neues Leitstellengesetz. Einheitliche Software, vergleichbare Technik und bereichsübergreifende Vernetzung sollen den Patienten Zeit sparen.
Erstversorgung
Schon heute leisten Leitstellen mehr als nur die Disposition nach Notrufen. Sie erteilen am Telefon Anleitung zur Reanimation, während die Profis noch unterwegs sind. Für die kritischen ersten Minuten gibt es zudem ein "Helfer vor Ort"-System mit Freiwilligen sowie drei Pilotversuche von Notfallärzten, die sich über satellitengestützte Apps alarmieren lassen ("Mobile Retter").
Krankentransporte
Rettungswagen werden vielerorts für Routinefahrten eingesetzt: Statt Leben zu retten, bringen sie Behinderte oder Senioren zum Arzt. Dafür sind eigentlich einfachere Fahrzeuge vorgesehen. Mit dem Karlsruher Institut für Technologie will das Land ein Logistikmanagement für solche planbaren Aufgaben entwickeln. Geld spielt aber bei dem Missstand wohl auch eine Rolle: Rettungswagen lassen sich lohnender abrechnen.
Personalmangel
Lange Wochenarbeitszeiten, niedrige Löhne, Belastungen, die später oft Berufswechsel erzwingen: Retter müssen Idealismus mitbringen. Obendrein werben auch Krankenhäuser um sie: In der Branche herrscht Personalmangel; vereinzelt fallen Rettungsschichten deshalb aus. Der Bund hat das Berufsbild des Rettungsassistenten 2013 durch den höher qualifizierten Notfallsanitäter ersetzt. Am Montag erklärte ein Ministeriumssprecher, dass die Zahl der Ausbildungsplätze im Land in diesem Frühjahr erstmals 400 übersteigt. Dies sei eine Reaktion auf die erhöhte Nachfrage der Rettungsorganisationen.



