Hat die Rettungsleitstelle Rhein-Neckar nur "Systemprobleme"?
Diskussion um die Rettungsleitstelle Rhein-Neckar in Ladenburg - Innenministerium beantwortet Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Rainer Hinderer

Ein Notarzteinsatzfahrzeug ist auf dem Weg zu einer Unfallstelle. Foto: Janse
Von Stefan Hagen
Heidelberg/Rhein-Neckar. Der Pulverdampf hat sich verzogen - es ist ruhig geworden um die Leitstelle in Ladenburg, von wo aus der Rettungsdienst für die Städte Heidelberg und Mannheim sowie den Rhein-Neckar-Kreis koordiniert wird. Das war vor wenigen Wochen noch ganz anders. Da schlugen massive Vorwürfe hohe Wellen, der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) hatte gar die Zusammenarbeit aufgekündigt.
Als Gründe hatte der ASB unter anderem schlechte Mitarbeiterführung innerhalb der Leitstelle, Überbelastung der Mitarbeiter sowie "signifikante Ausfallzeiten" beim Personal des Trägers - also dem DRK - genannt. Insgesamt würden unzumutbare Arbeitsbedingungen herrschen. Zudem gehe aus Mitarbeiterprotokollen hervor, dass Disponenten der Leitstelle eingehende Notrufe unter 112 nur unwillig und mit zeitlicher Verzögerung angenommen haben sollen. Und: Die Leitstelle Rhein-Neckar weise die schlechteste Annahmezeit von Notrufen innerhalb des Landes aus.
Anlässe genug für Rainer Hinderer, eine Anfrage bezüglich der Organisation der Leitstelle an die Landesregierung zu richten. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion hatte zahlreiche Fragen, die schließlich vom Innenministerium beantwortet wurden.
Wie viele Stunden sind im Bezug auf das Personal in den Jahren 2015 bis 2018 in der Integrierten Leitstelle Rhein-Neckar jeweils ausgefallen? Laut Schreiben des Innenministeriums hat die Geschäftsstelle der Leitstelle Rhein-Neckar folgende Schichtausfälle gemeldet: 2015 insgesamt 184 Stunden, 2016 insgesamt 1408 Stunden, 2017 insgesamt 2848 Stunden und 2018 bis einschließlich 23. April 1872 Stunden.
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Folgende Gründe wurden für die zahlreichen Schichtausfälle angegeben: Ausbildungs- und Weiterqualifizierungsmaßnahmen für neue Mitarbeiter und für das Bestandspersonal: Für 2016 und 2017 ergaben sich insgesamt 571 Fortbildungstage, was 1,8 beziehungsweise 1,2 Vollzeitstellen bedeutete, die zusätzlich abgedeckt werden mussten. Ausfälle durch Krankheit: Die Krankheitsquote betrug 2016 rund sechs Prozent/2,4 Vollzeitstellen und 2017 rund 6,5 Prozent/3,1 Vollzeitstellen. Hinzu kamen 2016 insgesamt 89 Ausfalltage und 2017 exakt 81 Ausfalltage durch Mutterschutz und Elternzeit. Insgesamt ergaben sich aufgrund der oben aufgeführten Gründe Ausfälle von rund 5,2 Vollzeitstellen in 2016 und 4,9 Vollzeitstellen in 2017. Die Zunahme der Ausfälle im ersten Quartal 2018 seien auf die Grippewelle zu Beginn des Jahres zurückzuführen.
Wie hat sich der Ausfall von Schichten auf die Annahme- und Dispositionszeit ausgewirkt? Die Ausfälle hatten nach Auskunft der Geschäftsstelle der Leitstelle und des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis keine Auswirkungen auf die Annahme- beziehungsweise Dispositionszeit der Notrufe. Ausfälle seien soweit möglich durch Springerdienste und Rufbereitschaftsdienste kompensiert worden. Bei einem sich abzeichnenden länger andauernden und erhöhten Anrufaufkommen sei eine Leitstellenverstärkung vorgesehen. Dabei alarmieren die diensthabenden Schichtführungen über Meldeempfänger dienstfreie Mitarbeiter.
Wie sollen die sieben vom Arbeiter-Samariter-Bund gekündigten Stellen ab Ende September 2018 ausgeglichen werden? Das Personal des Arbeiter-Samariter-Bundes hat laut Schreiben des Innenministeriums 6005 Arbeitsstunden in der Leitstelle übernommen - dies entspricht 3,89 Vollzeitstellen. Als erste Reaktion seien Personaleinstellungsmaßnahmen von den beiden DRK-Kreisverbänden eingeleitet worden. Ferner sollen für den Leitstellenbetrieb qualifizierte Mitarbeiter aus der Notfallrettung sowie ehemalige Mitarbeiter zeitnah in den Leitstellenbetrieb eingebunden werden. Für den Fall, dass ein Ausgleich der bisher vom ASB besetzten Stellen nicht möglich sein sollte, hat das Innenministerium mit dem ASB-Landesverband besprochen, dass dieser auch über den September 2018 hinaus Mitarbeiter für den Leitstellendienst bereitstellen wird.
Welche Gründe gibt es für das schlechte Abschneiden der Leitstelle Rhein-Neckar in Bezug auf die Gesprächsannahmezeit (erstes Klingeln des Telefons bis zur Annahme des Notrufes) und der Erstbearbeitungszeit (Eingang des Notrufs bis zur Alarmierung des Rettungsfahrzeuges)? Schlussfolgerungen bezüglich einer "schlechten Bewertung" der Leitstelle Rhein-Neckar seien dem Innenministerium nur aus der öffentlichen Diskussion bekannt, heißt es in dem Schreiben. Diese Werte seien für die Leitstelle Rhein-Neckar in 2017 bei der Gesprächsannahmezeit 52 Sekunden bei einem Landesdurchschnittswert der erfassten Leitstellen von 26 Sekunden und bei der Erstbearbeitungszeit von sechs Minuten und zwölf Sekunden bei einem Landesdurchschnitt von vier Minuten und 55 Sekunden. Zur Gesamtbewertung nennt das Innenministerium die sogenannten Median-Werte: Für die Gesprächsannahmezeit der Leitstelle Rhein-Neckar seien dies für das Jahr 2017 neun Sekunden bei einem Landesdurchschnitt von sechs Sekunden. Die Bearbeitungszeit habe im Jahr 2017 im Median bei zwei Minuten und 37 Sekunden bei einem Landesdurchschnitt von zwei Minuten und neun Sekunden gelegen. Die Geschäftsstelle der Leitstelle führe dies auf Veränderungen in der Software des Einsatzleitsystems zurück. Seit einem notwendig gewordenen Update gäbe es teilweise Systemprobleme, die aktuell behoben würden.
Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Zeiten wurden unternommen? Die Geschäftsstelle der Leitstelle bemühe sich intensiv darum, die Bearbeitungszeit durch Veränderungen der Software zeitnah zu verkürzen. Bei der Gesprächsannahmezeit soll darüber hinaus eine Einzelmaßnahme eine Zeiteinsparung ermöglichen. Hierzu werden die Arbeitsplätze mit einem System ausgestattet, dessen verschiedene Lichtzeichen den jeweiligen Status des besetzten Einsatzleitplatzes anzeigen und damit dem Schichtführer eine effektivere Koordination und Delegation von Aufgaben ermöglichen.
"Die Antwort des Innenministeriums belegt, dass es zu erheblichen Verbesserungen in der Integrierten Rettungsleitstelle Rhein-Neckar kommen muss", betont Rainer Hinderer. Es sei einfach nicht hinnehmbar, dass die Gesprächsannahmezeit in der Integrierten Leitstelle Rhein-Neckar im Jahr 2017 doppelt so hoch sei wie der Landesdurchschnitt. Auch die Erstbearbeitungszeit dauere zu lange. "Maßnahmen, die zu Verbesserungen führen sollen, müssen rasch greifen", fordert der Sozialdemokrat. "Wir werden deshalb genau im Blick behalten, ob die vom Innenministerium angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit erfolgreich sind."



