Mehr als 1500 Kinder können nicht richtig versorgt werden
Die Stadt hinkt bei Betreuungsplätzen hinterher. Neubauten entstehen zwar, aber es fehlen auch Erzieherinnen und Erzieher.

Von Jan Millenet
Mannheim. Während Heidelberg mit Kita-Plätzen gut versorgt ist, bleibt der Ausbau der Kinderbetreuung in Mannheim schwierig. Es fehlen Hunderte Plätze, und so wird nahezu jeder Neubau als "Meilenstein" gefeiert. Wären da nicht die gelegentlichen Rückschläge durch Schließungen bestehender Kindertagesstätten oder stockende Bauprojekte, die nicht nur den suchenden Eltern Sorgenfalten ins Gesicht treiben, sondern auch der Stadtverwaltung, die mit allen Mitteln versucht, den Kitaplatz-Bedarf zu decken. Obendrein lauert noch ein anderes Problem: der Personalmangel.
Für die Eltern, die keinen Kinderkrippen- oder Kindergartenplatz finden, ist die Situation teilweise recht kompliziert. "Ich musste meinen Job kündigen, da ich bislang keinen Kindergarten-Ganztagesplatz für unser Kind bekomme", erzählt beispielsweise eine 43-jährige Mutter aus dem Stadtteil Niederfeld, die namentlich nicht genannt werden möchte. Sie muss sich damit arrangieren, dass ihr Kind aktuell nur vormittags betreut wird.
Ihr Mann arbeitet Vollzeit, doch für eine Familie, die auf die beiden Einkommen der Eltern angewiesen ist, ist das mehr als unglücklich. Die Mutter hat eine Weiterbildung absolviert, um sich selbstständig zu machen und flexibler zu sein. Anfragen habe sie eigentlich recht viele, erklärt die Frau.
Doch auch hier würden die Termine eher am frühen Nachmittag liegen, was es ihr fast unmöglich mache, einen Auftrag anzunehmen. Stand Oktober 2022 gelten in Mannheim knapp 760 Unter-Dreijährige als "unversorgt". Rund 800 Kinder sind es hingegen bei den Über-Dreijährigen. Die Zahlen verharren seit Jahren im höheren dreistelligen Bereich.
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Und so fragen sich viele Eltern, warum diese Problematik nicht rechtzeitig angegangen wurde. Erschwerend kommen diverse Schließungen hinzu, wie zum Beispiel von drei Kitas der evangelischen Kirche, die wegen ihrer Größe und des Sanierungsbedarfs wirtschaftlich nicht mehr rentabel waren.
Dennoch läuft der Kita-Ausbau in der Quadratestadt, wenn auch mit angezogener Handbremse. Immer wieder kommt es vor, dass Investoren einen Rückzieher machen, zuletzt im Lindenhof. Dort sollten auf einem freien Baufeld Krippen- und Kita-Plätze entstehen. Der Investor, die Familienheim Rhein-Neckar, ließ den Bauplatz jedoch bis heute leer, weshalb die Stadt kürzlich forderte, den Kaufvertrag rückgängig zu machen.
Vor allem sorgen bei den freien Trägern wie etwa den Kirchen neben den Lieferketten-Problemen enorm steigende Baukosten für Finanzierungsschwierigkeiten, die gelöst werden müssen: "Die laufende Förderung des Betriebs von Kitas der freien Träger wurde erheblich verbessert, und mit dem Einstieg der städtischen Tochtergesellschaft als Bauträger im Kita-Bereich wurden wesentliche Weichenstellungen vorgenommen", teilt die Stadt auf Anfrage mit.
Weiter heißt es aus dem Rathaus, dass der Ausbau in allen Stadtteilen vorangetrieben werde. "Grundlage hierfür sind vom Gemeinderat beschlossene Standortkonzeptionen, die auf der maximal prognostizierten Kinderzahl gemäß der Bevölkerungsprognose basieren", so die Stadtverwaltung. Doch es ist nicht nur der Kita-Ausbau, der Mannheim vor große Herausforderungen stellt.
Das Nadelöhr sei zurzeit vor allem der Fachkräftemangel. Denn auch wenn der Bau von Kitas noch schneller voranschreiten würde, so könnten die notwendigen Erzieherinnen und Erzieher in den Einrichtungen zurzeit nicht auf dem Arbeitsmarkt gefunden werden.
"Es gibt in den städtischen Kitas 32 Vollzeitstellen im Bereich der pädagogischen Fachkräfte, die nicht besetzt werden können. Auch bei freien Trägern stellt sich die Situation vergleichbar dar", schreibt die Stadtverwaltung.
Es gibt aber schon erste Lösungsansätze, etwa der neue "Direkteinstieg Kita", der im nächsten Schuljahr an der Helene-Lange-Schule starte. Mit ihm sollen Fachkräfte noch schneller qualifiziert und in den Kitas eingesetzt werden. Auch die Weinheimer Helen-Keller-Schule macht dieses Angebot.
Die CDU-Fraktion im Gemeinderat hat indes noch andere Vorschläge. Sie fordert unter anderem einen Ansprechpartner im Bauamt, der sich ausschließlich mit dem Kita-Ausbau beschäftigen soll, eine Priorisierung der Vergaben von Betreuungsplätzen an Erzieherinnen und Erzieher, die nach der Elternzeit wieder in ihren Beruf einsteigen wollen, oder Gespräche mit Unternehmen, ob der Ausbau der eigenen Einrichtung möglich ist.
Sicher ist, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis die Stadt ihre Kita-Probleme lösen kann. Der Bildungsausschuss beschäftigt sich an diesem Donnerstag erneut mit dem Kita-Ausbau. Wer weiß, vielleicht wird dann wieder von "Meilensteinen" berichtet.