Nachtschwärmer haben sich durchgesetzt
Streit um Kneipenöffnungszeiten - Erichson stinksauer - Anwohner kündigen Klagen an

Von Holger Buchwald
Heidelberg. Im Streit um die Kneipenöffnungszeiten in der Heidelberger Altstadt haben sich die Nachtschwärmer am Dienstag wieder einmal durchgesetzt. Mit knapper Mehrheit von 22 zu 19 Stimmen und vier Enthaltungen votierte der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause für den Kompromissvorschlag der CDU: Demnach dürfen die Gaststätten am Wochenende weiterhin bis 4 Uhr öffnen.
In den Nächten auf Montag, Dienstag, Mittwoch und Donnerstag müssen sie um 1 Uhr schließen, am "studentischen Donnerstag", also in der Nacht auf Freitag, um 3 Uhr. Damit wurde die Nachtruhe der Anwohner im Vergleich zur bisherigen Sperrzeitsatzung an allen fünf Werktagen lediglich um eine Stunde verlängert.
"Es kommt selten vor, aber wir ziehen unseren eigenen Antrag zurück und schließen uns der CDU an", sagte Stadträtin Sahra Mirow (Die Linke) kurz vor der Abstimmung. Neben ihrer Fraktion und der Union waren die "Heidelberger", die FDP, aber auch die beiden jüngsten SPD-Stadträte, Andreas Grasser und Mathias Michalski, dafür.
Ordnungsbürgermeister Wolfgang Erichson (Grüne) hingegen war nach der Abstimmung stinksauer, denn mit Manuel Steinbrenner, Felix Grädler und Oliver Priem enthielten sich gleich drei Stadträte der Grünen-Fraktion. "Das war anders abgesprochen", ärgerte sich Erichson später: "Ich überlege mir, ob ich mit dieser Grünen-Fraktion noch weiter zusammenarbeiten kann."
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Der Bürgermeister hatte bis zuletzt für seinen eigenen Vorschlag gekämpft: Werktags sollten die Kneipen nur noch bis 1 Uhr, am Wochenende bis 3 Uhr öffnen dürfen. Ein anderes Ergebnis würde in seinen Augen dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofes nicht gerecht.
"Wie soll ich das heutige Ergebnis jetzt den Anwohnern erklären?", fragt er sich. "Der CDU-Antrag ist einfach absurd", erzürnte sich auch Grünen-Stadtrat Christoph Rothfuß. Er ist sich sicher: "Jetzt werden die Gerichte über die Sperrzeiten entscheiden."
In der Tat haben bereits rund 30 Anwohner eine Normerlassklage beim Verwaltungsgericht angekündigt. Sie werden nun eigene Sperrzeiten vorschlagen, über die die Karlsruher Richter dann entscheiden werden.
FDP-Fraktionsvorsitzender Karl Breer warb für den CDU-Antrag. Die Sperrzeiten zu verschärfen, sei wie der Versuch, das Spiel der deutschen Nationalmannschaft zu verbessern, indem man den Rasen möglichst kurz mäht. Stattdessen setzt er auf die flankierenden Maßnahmen, die der Gemeinderat am Dienstag ebenfalls verabschiedet hat: Der Kommunale Ordnungsdienst wird um weitere drei Stellen aufgestockt und verstärkt in Problembereichen in der Altstadt eingesetzt.
Zudem wird die Abfahrt der Moonliner-Busse am Universitätsplatz zentralisiert, dort soll der Einsatz von Sicherheitspersonal für Ruhe sorgen. Jede Kneipe bekommt zudem ihren eigenen Verantwortungsbereich zugewiesen. Und nicht zuletzt soll ein Lärmbeauftragter, ähnlich dem Mannheimer Nachtbürgermeister, im Streit zwischen Anwohnern, Wirten und Kneipengängern vermitteln.
"Unser Antrag wird dem Interessenausgleich zwischen Anwohnern und Altstadtbesuchern gerecht", betonte Matthias Kutsch (CDU). Eine "lebendige Kneipenkultur" sei für die Studentenstadt Heidelberg sehr wichtig. Selbstverständlich hätten die Anwohner aber auch ein Recht auf Nachtruhe. "Wenn ich mir die sieben Tage in der Woche anschaue, sind wir den Anwohnern an vier Tagen entgegengekommen."
Besonders der "studentische Donnerstag" ist aber Erichson ein Dorn im Auge. "Es gibt Kneipen, die an diesem Tag ihre Gäste mit einem Euro für 0,3 Liter Bier und vier Euro für einen harten Cocktail anlocken." Damit würden junge Leute angezogen, die sich mit nur 20 Euro in der Tasche völlig betrinken wollen.
"Es ist sehr schade. Mit dieser Entscheidung werden wir nur die nächste Runde im Sperrzeitstreit einläuten", ist die SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster überzeugt. Und auch Hans-Martin Mumm (GAL) zeigt sich resigniert: "Die Altstadt verkommt immer mehr zur Drosselgasse."
Die neue Sperrzeitsatzung tritt einen Tag nach Bekanntgabe im amtlichen Stadtblatt in Kraft, voraussichtlich also am 2. August. Sie gilt im Bereich zwischen Friedrichstraße (jeweils Straßenmitte) bis Kissel- und Jakobsgasse und zwischen Neckar und Plöck.