Sicherheit in Heidelberg

"Das Vertrauen in den Staat hat gelitten"

Podiumsdiskussion zu gefühlter und realer Sicherheit - Angst der Bürger ist gestiegen - Gesetze müssen durchgesetzt werden

01.07.2018 UPDATE: 02.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden

Symbolfoto: NGG

Von Jonas Labrenz

Heidelberg. Als der Mörder der 27-jährigen Joggerin aus Endingen sieben Monate nach der Tat gefasst wird, gibt die Polizei ihren Erfolg in einer riesigen Halle bekannt. Kurz vor diesem Mord wurde eine andere Studentin in Freiburg getötet. "Da ist die Stimmung gekippt", erinnert sich Clemens Binninger.

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete diskutierte vergangenen Donnerstag auf Einladung der Heidelberger Jungen Union (JU) mit dem Mannheimer Polizeipräsidenten Thomas Köber und Bastian Schneider, stellvertretender Bundesvorsitzender der JU, über das Thema "Gefühlte versus Reale Sicherheit" im Helmstätter Herrenhaus in Handschuhsheim.

"Die Angst der Deutschen ist auf einem Level angekommen, wie wir es noch nie gehabt haben", weiß Köber, in dessen Zuständigkeit auch Heidelberg fällt. Der 62-Jährige betont allerdings: "92 Prozent sind aber zugleich der Überzeugung, dass es hier lebenswert und schön ist." Das hatte eine Sicherheitsbefragung ergeben, die in der Region durchgeführt wurde.

Die Kriminalstatistik jedenfalls gibt nur wenig Grund zur Sorge, denn über einen langen Zeitraum betrachtet, geht die Zahl der Delikte generell zurück. Selbst der Trend zunehmender Verbrechen innerhalb der letzten Jahre hat sich mittlerweile umgekehrt. Warum also überhaupt diese Angst? Um dieser Frage nachzugehen, begaben sich die Diskutanten auf Spurensuche.

Auch interessant
Kriminalität in Heidelberg: So viele Straftaten wie noch nie
: Polizeichef Thomas Köber: "Die Reform hat etwas gebracht"

Dabei kristallisierte sich heraus: Der Verlust des Vertrauens in den Rechtsstaat spielt eine wichtige Rolle, wenn es um die größer werdende Angst in der Bevölkerung geht. Gut in dieses Bild passt auch ein Brandbrief an den Landesinnenminister, mit dem zuletzt Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz für Schlagzeilen sorgte.

Darin prangerte er die fehlende Handhabe bei einer Gruppe von kriminellen, minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen an. "Wir hatten ein paar Hardcore-Fälle", erinnert sich Köber. Allein 800 Fahrradkorbdiebstähle habe es im letzten Jahr in Mannheim gegeben, so der Polizeipräsident. Doch weil die Delikte nicht schwerwiegend genug waren, landeten die Diebe wieder auf freiem Fuß - und machten weiter.

"Das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und den Handlungswillen des Staates hat massiv gelitten", berichtet Schneider. Auch der Fall der vorerst vereitelten Abschiebung eines Togoers in Ellwangen, bei dem die Polizisten sich zurückziehen mussten, habe zu diesem Bild beigetragen. Doch genau so wie die Mannheimer ihrem Problem mit Personenfeststellungsverfahren und dem Verteilen der Delinquenten Herr wurde, konnte später auch der ausreisepflichtige Togoer festgesetzt werden, nachdem etwa 500 Polizisten angerückt waren.

Für die Durchsetzung des Gewaltmonopols braucht der Staat genügend Personal. Nach einem Stellenabbau im Zuge der Polizeireform, die auch für viele Schließungen kleinerer Dienststellen in ländlichen Gebieten gesorgt hat, werden nun wieder vermehrt Ordnungshüter eingestellt: "Wir brauchen etwa 900 Neueinstellungen jedes Jahr und bekommen zurzeit das Doppelte", freute sich Köber, dessen Mannschaften viele Überstunden vor sich her schieben.

"Wie die Polizei, ist auch die Justiz an ihrer Belastungsgrenze", sagt Schneider. Das führe oft zur Einstellung eines Verfahrens und zu Frust bei den Ermittlern und Geschädigten: "Das Schlimmste, was dem Rechtsstaat passieren kann, ist, wenn der Bürger das Gefühl hat, das Recht wird nicht mehr durchgesetzt", erklärt auch Binninger.

Die Selbstbewaffnungsrate steige jedenfalls um 1200 Prozent pro Jahr und deute damit auf einen Vertrauensverlust hin. "Aber es ist eine trügerische Sicherheit", so Köber.

Zwar sind die Flüchtlinge in der Kriminalitätsstatistik überproportional vertreten, das liegt jedoch an Geschlecht und Alter der Personen: "Wenn 10.000 junge deutsche Männer nach China gehen, sind sie auch krimineller als der Durchschnitt der Bevölkerung", erklärt Schneider.

Die Forderung einer Besucherin, gleich alle Flüchtlinge in den Ankunftszentren einzusperren und nur Gutscheine auszuhändigen, mit denen sie sich dort das Nötigste besorgen können, stieß bei den Diskutanten auf Ablehnung - auch bei Binninger. Er meint: "Die Probleme mit Flüchtlingen sollten benannt, aber nicht skandalisiert werden."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.