Korea will, was Deutschland 1990 geschafft hat
Während die ganze Welt auf die asiatische Halbinsel blickt, ist eine 50-köpfige Delegation zu Gast

Hwa Jung Lee (v.l.), Hyung Jong Song, Miseon Song und Jungung Yang sind zurzeit zu Besuch in Heidelberg. Sie blicken aber gleichzeitig auf ihr Heimatland und hoffen auf eine baldige Wiedervereinigung der beiden koreanischen Staaten. Foto: Hentschel
Von Denis Schnur
Heidelberg. Da hatten die Organisatoren des "Stückemarktes" am Heidelberger Theater ein mehr als goldenes Händchen: Gerade jetzt, wo die ganze Welt auf den Friedensgipfel zwischen den beiden koreanischen Staaten blickt, ist Südkorea Gastland des Theaterfestivals. Kein Wunder also, dass sich die 50-köpfige Delegation von der Halbinsel, die gerade in Heidelberg ist, auch hier mit Politik beschäftigt.
"Am Tag unserer Abreise fand der Gipfel zwischen den Staatsoberhäuptern statt", erklärt Jungung Yang von der Yohangza Theatre Company aus Seoul. Aber den Regisseur stört es überhaupt nicht, in Heidelberg zu sein, während der Rest der Welt auf sein Land schaut: "Deutschland ist schon wiedervereinigt. Korea unternimmt gerade die ersten Schritte in diese Richtung. Deshalb ist es für uns eine Ehre, gerade jetzt hier zu sein."
Das sieht auch Hyung Jong Song so, der als Mitglied des koreanischen Art Council Teil der Delegation ist. "Ich kannte Deutschland schon in meiner Jugend und habe es trotz der geografischen Distanz als sehr nahe erlebt. Ich habe das Land immer mit der Wiedervereinigung assoziiert", so Song. "Ich glaube, dass die großen Anstrengungen, die Deutschland unternommen hat, um zur Einheit zu gelangen, auch auf Korea zukommen werden."
Und doch sind sich die vier Koreaner, die sich gestern Mittag mit der RNZ getroffen haben, einig: Sie hoffen auf eine baldige Wiedervereinigung der koreanischen Staaten. "Vor zwei Jahren gab es am Berliner Staatstheater ein Stück, das Nordkorea als verrückten Terrorstaat dargestellt hat, und das sehr drastisch", erinnert sich Yang, "das ist eigentlich sehr schade. Ich fände es schön, wenn nun die koreanische Halbinsel als Ganze zeigen könnte, dass sie ein friedliches Miteinander erreichen kann."
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Aber die Schauspieler und Kulturmacher sind natürlich nicht nur in Heidelberg, um über Politik zu reden: Im Rahmen des Stückemarktes gibt es heute und morgen drei Auftritte der koreanischen Gäste: Heute, Samstag, wird um 18.30 Uhr das Stück "Death of a mans sale", eine Abwandlung von Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden", im Zwinger 3 gezeigt. Am Sonntag folgt "Before After" um 15.30 Uhr im Zwinger 1 und abends um 18.30 Uhr "Romeo und Julia" im Marguerre-Saal.
Doch wer eine traditionelle Interpretation des Shakespeare-Stoffes erwartet, wird überrascht: Romeo und Julia sind in der Version der Yohangza Theatre Company zwei hübsche Frauen. Rund um den koreanischen Text wird getanzt und gekämpft, es läuft Rock-Musik. "Ein Stück verliert viel, wenn man die Sprache nicht versteht und nur die Untertitel liest", erklärt Hwa Jung Lee, die den Romeo spielt, "deshalb haben wir auf einfache Texte gesetzt, damit man besser folgen kann." "Einzelne deutsche Wörter kommen auch vor", so Regisseur Yang.
Bevor sie sich nun am Wochenende auf ihre Auftritte konzentrieren, hatten die Koreaner gestern Gelegenheit, die Stadt kennenzulernen, bevor sie sich am Abend bei Oberbürgermeister Eckart Würzner ins Goldene Buch der Stadt eingetragen haben. Vor allem die Altstadt faszinierte die Gruppe: "Die Stadt fügt sich sehr gut in die Umgebung und die Natur ein", fand Miseon Song vom Art Council. Und auch ihr Kollege Hyung Jong Song ist begeistert: "Als ich heute Morgen all die Blumenläden gesehen habe, hatte ich das Gefühl: Hier in Heidelberg leben Menschen, die Schönheit und Ästhetik zu schätzen wissen."



