Heidelberger Stückemarkt

Großmäulig im Schlabberpullilook

Theater Rabenhof aus Wien wurde beim Stückemarkt umjubelt

24.04.2018 UPDATE: 26.04.2018 06:00 Uhr 1 Minute, 14 Sekunden
Foto: Ingo Pertramer, Rabenhof

Von Franz Schneider

Heidelberg. Wie viele Exil-Wiener leben in Heidelberg? Wie viele davon vermissen hier den Grind, den typischen Schmutz ihrer Heimat? Das fragt man sich nach "Ja, Eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis" von Stefanie Sargnagel, der österreichische Kultautorin mit der roten Baskenmütze. Eine Produktion des Theaters Rabenhof Wien, inszeniert von Christina Tscharyiski. Mit dabei drei Frauen: Miriam Fussenegger, Lena Kalisch und Saskia Klar. Dazu noch vier Männer, die Musik machen können. Der eine heißt tatsächlich "Voodoo Jürgens", die anderen Martin Dvoran, Matthias Frey und David Schweighart.

Doch zunächst gibt es auf der Bühne eine große, ranzige Schrankwand mit Fächern voller "Kramuri", wienerisch für Gerümpel. Unort der Produktion eines dreigeteilten generationscharakteristischen Selbstbefindlichkeitsmonologs, an dessen Anfang selbstironischst das unverhoffte Glück finanziell erfolgreichen Schreibens qualitativ minderwertiger Texte steht, die sich einem wie eine Heftklammer in den Bauch bohren. Körperlicher Schmerz als Stimulans, dafür, völlig berechtigt, weiterhin nichts zu tun, obwohl Schlittschuhlaufen schon drin wäre, denn " da kommt einem gleich der Flow". Aber das ist nichts gegenüber der Gier nach der "Beisl", dem Wiener Kneipenplatz zur vehement virtuosen Artikulation von Ekelfeminismus oder der Abscheu einem Leben gegenüber, das von Joggen, Kleingärtnerei und dem Lesen von Lebenshilfen geprägt ist. Eine vollkommen unzitierbare Melange kreativ umgemünzter Leistungsverweigerung, die seelisch labile Theaterbesucher verführen mag, es den drei Damen, allesamt großmäulig im Schlabberpullilook, gleich zu tun.

Doch zum Geräusch lustvollen Auskotzens gibt es ein Gegengewicht, die weltschmerzende Stimme von "Voodoo Jürgens". Ein schlanker, blonder Mann, der in der Sprache seiner Stadt singt, dem Wien von unten. Es sind Chansons über das, was er in sich drinnen und außen herum erlebt, manche Rauferei oder eine wundervolle Liebe ganz ohne Erklärungen. Dieses Wienerisch verstand jetzt nicht jeder, aber einfühlen konnte man sich trotzdem unvergleichlich. Und letztendlich war dies genau das, was man mitnahm, als die krawallig-geistreiche Inszenierung einer Leistungsverweigerungshaltung nach 65 Minuten ihr viel umjubeltes Ende fand. "Wien, nur du allein".

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