Politik fordert die Abschaffung der Zivilklausel
Die Idee der Zivilklausel stammt aus der Friedensbewegung. Die Hochschulen sind allerdings schon viel weiter.

Von Mareike Kürschner, RNZ Berlin
Berlin. Sollen Universitäten für militärische Zwecke forschen? Die Frage beschäftigt deutsche Hochschulen nicht erst seit der Zeitenwende. Allerdings ist die Suche nach einer Antwort seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und der Erkenntnis, dass auch Deutschland sich im Ernstfall verteidigen muss, dringlicher geworden. In der Politik will deshalb allen voran die Union die sogenannte Zivilklausel abschaffen, die Hochschulen verpflichtet, allein für zivile Zwecke zu forschen.
Die Idee der Zivilklausel stammt aus der Friedensbewegung, CDU-Parteichef Friedrich Merz nannte sie in unserer Zeitung kürzlich "nicht mehr zeitgemäß". Auch CDU-Fraktionsvize und Verteidigungspolitiker Johann Wadephul gab der Rhein-Neckar-Zeitung zu bedenken: "Sicherheitspolitik ist Zukunftspolitik und dazu gehört immer auch technische Innovation."
Ähnlich argumentierte SPD-Verteidigungspolitiker Johannes Arlt: "Militärische und zivile Forschung müssen sich ergänzen. Wir sollten die Synergien zwischen beiden Forschungsbereichen in Zukunft besser nutzen, um Innovations- und Adaptionszyklen für neue Technologien in den Streitkräften und der Wirtschaft merkbar zu verkürzen."
Der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Alexander Müller, erklärte: "Die Universitäten müssen endlich aufhören, Forschung im Bereich Sicherheit und Verteidigung zu untersagen. Im Rahmen der Zeitenwende sollte bei den Verantwortlichen langsam die Erkenntnis reifen, dass es gar nicht so verkehrt ist, wenn Europa selbst in der Lage ist, sich mit Wehrtechnik auszustatten."
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Doch wie sehen die Diskussionen an den Universitäten selbst dazu aus? Woran wird hier geforscht – und woran nicht? Politisch lassen sich die Zivilklauseln nicht einfach so streichen, denn sie sind Angelegenheit der Hochschulen. Derzeit haben rund 70 von 400 Hochschulen in Deutschland eine solche Klausel, darunter etwa die Technische Universität Berlin, die Uni Tübingen und die RWTH Aachen.
Die LMU München oder die Universität Heidelberg haben dagegen keine, können also militärische Forschung betreiben. Allerdings gab es etwa in Heidelberg auch Versuche von Gruppen von Studierenden, eine solche Klausel einzuführen. Die Universität lehnt dies ab. Auf Ebene der Länder strich Nordrhein-Westfalen die Klausel 2019 aus dem Hochschulgesetz, nur Thüringen und Bremen haben noch eine in ihren Landeshochschulgesetzen.
"Sogenannte Zivil- oder Friedensklauseln sind im deutschen Hochschulsystem nicht die Regel", sagte Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, der Rhein-Neckar-Zeitung. Es sei zudem eine "rechtlich nicht beschränkende Selbstverpflichtung". Die wichtigste Funktion entsprechender Klauseln sei es, zur Reflexion über mögliche Folgen der eigenen Forschung einzuladen. Generell sei die Wahl der Forschungsgegenstände sowie der Partner für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben frei, so Rosenthal.
Das heißt, der Großteil der Universitäten setzt sich bereits mit der Frage von ziviler und militärischer Forschung intensiv auseinandersetzt −, auch weil sie gar nicht anders können. Denn wer etwa an Hubschraubertechnik forscht, muss sich im Klaren sein, dass diese auch militärisch genutzt werden kann. Die Grenzen sind fließend, an den Unis ist man sich dessen bewusst.
Die Frage des "Dual Use", der Mehrfachnutzung von Forschungsgegenständen, treibt auch Jan Wörner um, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften: "Eine Forderung ‚keine militärische Forschung betreiben‘ kann sehr schnell in die Irre führen, denn ‚Dual Use‘ ist in allen Forschungsbereichen so gut wie immer möglich."
Generell habe sich die Debatte seit dem Februar 2022 aber geändert: "Es zeichnet sich ab, dass der russische Angriffskrieg selbst bei den Menschen, die bisher jedwede Militäraktivität oder auch Vorbereitung dafür kritisiert haben, ein Umdenken bewirkt."
Die politische Debatte um die Zivilklausel geht dabei am Kern vorbei. Die meisten Hochschulen sind wesentlich weiter bei der Frage, ob sie nicht auch für militärische Zwecke forschen sollen.