Heidelbergs Zoodirektor Klaus Wünnemann: "Wir leben von Biodiversität." Foto: Philipp Rothe
Von Arndt Krödel
Heidelberg. Im Zoo kann man sich, zwischen Uhu und Elefant, einen schönen Nachmittag machen. Vielleicht könnte man aber auch einmal darüber nachdenken, welche Rolle zoologische Gärten in der Welt des 21. Jahrhunderts spielen und welche Möglichkeiten der individuellen Unterstützung es dabei gibt - vorausgesetzt natürlich, man betrachtet Zoos nicht als Orte der Gefangenschaft von Tieren in Käfigen und Gehegen. Für den Heidelberger Zoodirektor Klaus Wünnemann jedenfalls ist klar, dass, wenn es die Zoos nicht gäbe, diese jetzt erfunden werden müssten: So zitierte der ausgebildete Tierarzt einen Kollegen in seinem Vortrag im Rahmen der Sonntagsmatineen zum Thema "Zoologische Gärten: Relikte oder Vorreiter beim Schutz der Biodiversität?".
Die ersten Zoos entstanden Ende des 18. Jahrhunderts. Während in den früheren "Menagerien" der Adel seine Macht zeigen wollte, wurden die neuen Zoos überwiegend von Bürgern gegründet - in einer Zeit, in der die Naturwissenschaften eine extreme Anziehung genossen. Und so waren auch die Väter der Zoos große Naturwissenschaftler, wie Wünnemann mit Namen wie Alexander von Humboldt für Berlin oder Étienne Geoffroy Saint-Hilaire für Paris veranschaulichte. Aus heutiger Sicht sind Zoos für ihn keine Relikte einer feudalen Zeit, sondern Aktivisten beim Schutz der Biodiversität.
Der Begriff bedeutet "biologische Vielfalt", die neben den Ökosystemen auch die Vielfalt der Arten und die genetische Vielfalt innerhalb der Arten umfasst. Sie bildet das Fundament, auf dem wir stehen: "Wir leben von Biodiversität", stellte er fest. Die Entwicklung des Zoos im 20. Jahrhundert sei eng mit dem Naturschutz verknüpft. Schon 1905 kam es in New York zur Gründung des ersten Artenschutzprojekts eines zoologischen Gartens, bei dem es um den Bison, dem in Nordamerika verbreiteten Wollbüffel, ging. Durch Zoos in Frankfurt, Berlin und München wurde 1923 mit dem Zuchtbuch für den Wisent - die europäische Variante des Wollbüffels - das erste gut geplante und durchgeführte Erhaltungsprojekt ins Leben gerufen. In der Nachkriegszeit verbindet sich in Deutschland natürlich der Name Bernhard Grzimek mit dem Fußfassen des Naturschutzes im Zoo.
Mit der Erhaltungszucht habe der Zoo zurzeit leider mehr die Aufgabe des "Katastrophenschutzes der Biodiversität", bedauerte der Experte, der seit 1998 den Heidelberger Zoo leitet. In Europa liegen Erhaltungszuchtprogramme für 408 Arten auf, die meisten davon für Säugetiere und Vogelarten. Ziel ist, die Zoopopulation so zu entwickeln, "dass wir die genetische Vielfalt dauerhaft erhalten", so Wünnemann. Da kommt es auch auf Feinheiten an: "Wir wollen gerade die ‚Mauerblümchen’ in die Fortpflanzung reinbringen." Zoos tauschen sich dabei aus - was für einen Zoodirektor nicht immer ganz einfach ist, etwa wenn er einen Gorilla abgeben soll, damit dieser in einem anderen Zoo für Nachwuchs sorgen kann.
Artenschutz bedeutet für den 1934 eröffneten Heidelberger Zoo, dessen Bestand etwa 1347 Tiere in 178 Arten umfasst, auch das Engagement in sogenannten "in situ-Artenschutzprojekten": Tiere sollen dabei in ihrem ursprünglichen, natürlichen Lebensraum erhalten werden. Zum Beispiel in Westafrika, wo verschiedene bedrohte Affenarten in einer gemeinsamen Initiative einiger europäischer Zoos einen besonderen Schutz genießen. Oder auf Madagaskar, wo es um den Erhalt der nur dort vorkommenden, zu den Feuchtnasenaffen gehörenden Lemuren geht. Weltweit nehmen Zoos die Rolle von Wächtern und Helfern ein, wie Wünnemann beschrieb: Sie werden plötzlich zu "Motivatoren für den Schutz der Biodiversität".
Er ist überzeugt, dass die Träger von Zoos eigentlich ein "fantastisches Werkzeug" in der Hand haben, das sie allerdings besser nutzen sollten. 600 Millionen Besucher pro Jahr zählen die Zoos weltweit: "Die müssen wir alle für den Schutz der Biodiversität begeistern und motivieren", meinte der Heidelberger Zoodirektor. Der ideale Besucher ist für ihn derjenige, der den Zoo "als ein Stückchen mehr Naturschützer" verlässt, als er ihn betreten hat.