Sound der Woche

Es werde Licht mit Rosalia

Die katalanische Künstlerin eröffnet eine neue Pop-Dimension. Außerdem reingehört haben wir auch bei Armin van Buuren, Of Monsters And Men, Eleni Drake und Santiano.

16.11.2025 UPDATE: 16.11.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 29 Sekunden
Foto: Sony

Von Steffen Rüth 

Ob sie nicht glaube, dass "Lux" ihre Hörerinnen und Hörer überfordern könnte, wurde Rosalía im Pop-Podcast der "New York Times" gefragt. "Absolut", entgegnete sie und klang geradezu diebisch erfreut. Jetzt ist es also draußen, ihr 18-Song-Mammutmeisterwerk. Und nach ein paar Stunden mit "Lux" fühlt man sich durchgerüttelt – ja, genussvoll überwältigt. Man lehnt sich zwar aus dem Fenster, fällt aber nicht heraus, wenn man sagt: Ein Album wie dieses hat es noch nie gegeben! Die 33-Jährige aus einem Vorort von Barcelona, voller Name Rosalía Vila Tobella, schreibt mit "Lux" Musikgeschichte.

"Sex, Violencia y Llantas" heißt das erste Stück – "Sex, Gewalt und Autoreifen". Und in 140 Sekunden bietet es einen Abriss dessen, was einen erwartet. Ruhig beginnt das Piano, dann erhebt Rosalía ihre Stimme. Erst sachte, dann anschwellend setzt das London Symphony Orchestra ein. Die Nummer wogt zwischen laut und leise – plötzlich ist sie vorbei. Als nächstes bringt "Reliquia" Streicher, einen Chor, übermannende Opulenz und in den finalen zehn Sekunden donnernde Breakbeats. Dann: "Divinize". "Through my body you can see the light", singt Rosalía. Wieder Beats, wieder Orchester, der rhythmische Song ist wohl der, der einem handelsüblichen Pop-Hit strukturell am nächsten kommt. Es folgen "Porcelana", eine episch-üppige Nummer, und das ultradramatische "Mio Cristo Piange Diamanti" ("Mein Christus weint Diamanten"), eine Miniatur-Oper in viereinhalb Minuten. Am Ende zieht Rosalía das Wort "sempre" locker 30 "e" lang. Tja, und das war nur der erste von vier Sätzen dieses einem Klassikwerk nachempfundenen Albums ...

Dessen zweiter Satz beginnt mit der bombastisch-barocken Single "Berghain", die gerade gefühlt jedes zweite TikTok- und Insta-Reel untermalt. Opernartiger Gesang trifft hier wieder auf die Londoner Sinfoniker. Islands Schrägpoplegende Björk singt einen Vers, US-Alternative-Musiker Yves Tumor rezitiert den Satz "I’ll fuck you till you love me" von Boxer Mike Tyson und Rosalía schmettert auf Deutsch: "Seine Angst ist meine Angst / Seine Wut ist meine Wut / Seine Liebe ist meine Liebe / Sein Blut ist mein Blut". Hat man alles so noch nicht gehört.

Ob das Herz von "Lux" nun tatsächlich im Takt der Klassik schlägt, mit Pop, Flamenco, Fado, Walzer, elektronischer Musik, Reggaeton, Rap und allem anderen als zusätzlichen Elementen? Oder ob es ein – im weitestmöglichen Sinne – Pop-Album mit starker Klassikfärbung ist? Darüber debattiert zur Stunde die Kritik. Die Antwort ist egal. Wir haben es hier mit großer Kunst zu tun!

",Lux‘ ist Maximalismus", betonte Rosalía gegenüber der "New York Times". Ruft man sich allein die 13 (!) Sprachen in Erinnerung, in denen sie hier singt, kann man nur zustimmen. Überhaupt, gegen dieses vor femininem Mystizismus, Sex und Sünde überquellende Album, an dem die Katalanin fast drei Jahre gewerkelt hat, wirkt alles andere konventionell. Hoffen wir, dass "Lux" als Weckruf dient. Pop darf und soll innovativ die Regeln brechen!

m nicht!



Info: "Rosalías neues Album "Lux" ist erhältlich. Zu möglichen Konzerten in Deutschland ist noch nichts bekannt.






Brandi Carlile und mehr. Hier geht es zum Sound der letzten Woche.


Sound der Woche

Armin van Buuren 

Piano

Instrumental Du sitzt frühmorgens auf einer Bank im Schwarzwald und lässt die Novembernebelschwaden vorbeiziehen ... So in etwa kann man sich die Stimmung vorstellen, die der "King of Trance" mit seinem neuen Werk herbeizaubert. Ja, bei Armin van Buuren gibt es jetzt bittersüße, von Streichern umspielte Melodien statt wummernde Beats. Alle 15 Tracks für dieses Intimprojekt hat der Niederländer in einem einzigen Take aufgenommen. Entstanden sind Meditationen in Moll und Dur – fernab der Techno-Route, die der 48-Jährige sonst beackert. Mit seiner Hausmusik gelingt es Armin van Buuren, die Welten von Philip Glass und Claude Debussy zusammenzubringen. Wir finden’s märchenhaft-romantisch. (gol) ●●●

Für Fans von: Ludovico Einaudi

Bester Song: Setting Sail


Of Monsters And Men 

All is Love And Pain in The Mouse Parade

Folkpop  Mumford and Sons waren die Lokführer, als Ende der Nullerjahre der Folk-Train durch die Charts tuckerte. Mit "Little Talks" hopsten Of Monsters And Men 2011 gekonnt auf. Ganz so hitsicher kommt kein Song ihres neuen Albums angedampft. Aber: Die Isländer haben sich ihr Händchen für Melodien und Arrangements bewahrt. Und wenn Nanna Bryndís Hilmarsdóttir und Ragnar Þórhallsson ihre Stimmen zum Duett vereinen, wird einem rasch wieder warm ums Herz. (dasch)) ●●

Für Fans von: Mighty Oaks

Bester Song: Dream Team 


Eleni Drake 

Chuck

Indie Im Netz hat sich Eleni Drake bereits einen Namen gemacht. Jetzt erscheint ihr erstes Album bei einem Major-Label. Gewidmet hat es die Britin mit griechischen Wurzeln all den flüchtigen Dingen, die wir wie Müll wegwerfen. Das kann auch schon mal eine Beziehung sein ("Half Alive"). Instrumentiert sind die zwölf Songs wohltuend zurückgenommen, so dass Elenis Stimme immer im Mittelpunkt bleibt. Ab und an antwortet aus der Ferne sanft eine Geige oder Steel-Guitar. (welf) ●●

Für Fans von: Katie Melua

Bester Song: Ripples


Santiano

Da braut sich was zusammen 

Shanty-Rock  Man Alle Mann an Bord, Segel gesetzt, Leinen los! Mit ihrem neuen Album sind Santiano schnurstracks an die Chartspitze geschippert. Die Route war den Nordlichtern bereits bekannt. Und auch die Hörer begegnen wieder nordfriesischen Sagengestalten und ganz viel Sehnsucht nach Freiheit und Liebe. Politisch halten sich Santiano mit diesen 18 Songs klar backbord. Sei es bei tanzbaren Hits oder tiefgehenderen Balladen: Vom ersten bis zum letzten Ton fühlt man sich auf ein Schiff katapultiert – mit stimmstarken Seemännern und einem Takt, der sich in den meisten Liedern doch stark ähnelt. Dafür bringen die Cover altbekannter Sea Shanties die Abwechslung, die man sich wünscht. (dani) ●●

Für Fans von: Klaus Störtebeker

Bester Song: Ekke Nekkepenn