Hintergrund Neuroblastome
Das Neuroblastom ist in Deutschland nach der akuten lymphatischen Leukämie die zweithäufigste bösartige Krebserkrankung im Kindesalter. Etwa eines von 100.000 Kindern ist pro Jahr betroffen. In Deutschland erkranken laut Kinderkrebsregister in Mainz etwa 150 Kinder jährlich neu an einem Neuroblastom. Damit macht diese Tumorart etwa sieben bis acht Prozent aller Krebserkrankungen im Kindesalter aus.
Weil Neuroblastome so unberechenbar sind, kommt der Früherkennung eine überragende Bedeutung zu. Denn für die behandelnden Ärzte es ist eminent wichtig, zu wissen, welche Ausprägung des Tumors sie vor sich haben. Wird er sich von alleine wieder zurückbilden oder wächst er aggressiv weiter? Dr. Frank Westermann arbeitet am Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) zu Neuroblastomen und erklärte auf dem Pressetermin im DKFZ, was das Besondere an dieser Krebsform ist.
"Wir wissen noch nicht, welche Therapie am besten hilft, darum müssen wir meist das volle Programm fahren", so Westermann. Das bedeutet Chemo-, Strahlen- und Immuntherapie und Operationen. Oder eben nichts von alldem, wenn ein Tumor vorliegt, der sich von alleine wieder zurückbildet. In einer großen Studie in den 1990er-Jahren wurde untersucht, ob bestimmte Marker im Urin der jungen Patienten Rückschlüsse auf die Art des Neuroblastoms zulassen. Die Ergebnisse waren ernüchternd: "Man hat einerseits Tumoren entdeckt, die völlig unauffällig verlaufen wären und auf der anderen Seite aggressive übersehen."
Erst mit der Sequenzierung des Tumorgenoms bis in die kleinsten Teile kamen die Spezialisten in Heidelberg in den vergangenen Jahren entscheidend weiter. Sie fanden den Mechanismus, der das unkontrollierte Zellwachstum der Neuroblastome aktiviert. Sie konnten zudem nachweisen, dass die gutartigen Tumoren genau ein Mutationsereignis aufweisen, das die Krebszellen zu Beginn stark wachsen lässt. Danach aber verändern sie sich nicht mehr und sterben irgendwann ab, der Tumor bildet sich zurück. Bei der bösartigen Variante finden weitere Mutationen statt, die zu Wachstum führen. "Wir können jetzt eine ziemlich gute Risikoabschätzung machen, können Schwarz und Weiß gut trennen. Vorher war da auch viel Grau", erklärt Westermann.
Nun geht es darum, Verfahren zu entwickeln, um die Entwicklung des Tumors zuverlässig vorherzusagen. Ein Ansatz könnte laut Westermann ein Screening der Blutplättchen bei Neugeborenen sein. In den vergangenen Jahren hat seine Forschergruppe genetische Veränderungen gefunden, anhand derer sich gutartige Tumoren eindeutig von und bösartigen unterscheiden lassen. Derzeit wird geforscht, ob sich so die Risikoeinschätzung verbessern lässt. Westermann: "Dadurch könnten belastende Therapien verhindert und aggressive Neuroblastome passgenauer therapiert werden."