Stadt beteiligt sich bei PHV "an der Preistreiberei"
Das Bündnis "Baff" will bei der Entwicklung von Patrick-Henry-Village mitreden. Sprecherin Dorothee Hildebrandt fordert "neue Wege" in der Wohnungspolitik.

Von Denis Schnur
Heidelberg. Sein wichtigstes Ziel hat das Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt (Baff) im April 2021 erreicht, als es die Verlagerung des Ankunftszentrums für Geflüchtete in die Wolfsgärten per Bürgerentscheid stoppte. Dennoch wollen die Aktivisten sich auch weiterhin einbringen, wenn es um den Neubau der Landeseinrichtung in Patrick-Henry-Village, aber auch die Entwicklung des neuen Stadtteils dort geht. Denn mit den derzeitigen Plänen ist man noch nicht zufrieden, wie Sprecherin Dorothee Hildebrandt im RNZ-Interview betont.
Frau Hildebrandt, Sie sind 2020 mit dem Bündnis Baff angetreten, um die Verlagerung des Ankunftszentrums auf die Wolfsgärten zu verhindern und stattdessen für dessen Integration in PHV zu kämpfen. Genauso soll es nun kommen. Könnten Sie sich da nicht einfach zurücklehnen?

Ja, wir haben beim Bürgerentscheid einen Erfolg erzielt. Aber unser Bündnis hat drei Schwerpunkte: neben der Aufnahme der Geflüchteten auch den Flächenerhalt und preisgünstiges Wohnen auf PHV. Bei der Unterschriftensammlung haben Menschen aus allen drei Gründen unterschrieben – und wir haben bei allen dreien auch noch ein bisschen was zu tun.
Was stört Sie an den aktuellen Plänen für das Ankunftszentrum in PHV?
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Grundsätzlich geht das in die richtige Richtung. Wir wollen jedoch, dass die Offiziersvillen nördlich des Zentrums besser an den Rest des Stadtteils angebunden werden. Ich glaube, das ist auch angekommen. Das haben Gemeinderat und Stadtverwaltung aufgenommen und da gibt es wohl auch schon Überlegungen.
Das Ankunftszentrum soll fest in den Stadtteil integriert werden. Was braucht es Ihrer Ansicht nach dafür?
Man könnte an der Schule eine Art Vorbereitungsklasse machen, wo kurzfristig Kinder aufgenommen werden können. Aktuell werden die Kinder im Ankunftszentrum nämlich nicht unterrichtet. Es sollte außerdem soziale Angebote geben, an denen Geflüchtete ebenso teilnehmen können wie Bewohner des Stadtteils. Das beginnt mit einer Zweigstelle der Stadtbücherei und geht bis zu ehrenamtlichem Engagement wie Näh- oder Kochkursen. Gemeinsamer Sport bietet eine gute Möglichkeit, sich kennenzulernen, und die Vereine sollen dabei unterstützt werden, auch für eine kurze Zeit Leute aufzunehmen. Wir stellen uns vor, dass wir das gemeinsam machen, und dass sich auch das Land, der Bund und die Kommune finanziell engagieren.
Dafür bräuchte es auch entsprechende Räume.
Das Ankunftszentrum öffnet sich zum Zentrum hin, wo der Stadtteilmittelpunkt entstehen kann – etwa mit einem Bürgerzentrum. Ich könnte mir vorstellen, dass das Ankunftszentrum im Erdgeschoss öffentliche Räume hat, in denen Spiele ausgeliehen werden können, wo Unterricht stattfindet oder anderes. Es ist auch im Gespräch, dass im Nordosten von PHV Sportflächen für die Geflüchteten entstehen sollen. Es ist wichtig, dass die Geflüchteten im Ankunftszentrum Möglichkeiten haben, sich zurückzuziehen. Aber warum sollten sie eigene Sportflächen haben, wenn man das gemeinsam machen kann?
Sie setzen sich auch gegen die geplante Erweiterung von PHV im Westen ein.
Genau. Den Ackerboden dort zu erhalten, ist unglaublich wichtig für die Biodiversität. Die Vernichtung vieler Arten ist schon weit fortgeschritten und wir müssen, wo immer es möglich ist, einschreiten. Der Boden ist außerdem eine CO2-Senke und damit sehr bedeutsam mit Blick auf die Klimakrise. Nicht zuletzt stellt die Fläche einen der fruchtbarsten Böden in der Bundesrepublik dar.
Das Ankunftszentrum braucht Platz, die Erweiterung lehnen Sie aber ab. Wo sollen die Bewohner des neuen Stadtteils denn leben?
Wir sind auch in Kontakt zu Architekten und Städteplanern. Wir haben berechnet, dass es auch so möglich ist, über 5000 Wohnungen und 10.000 Einwohner unterzubringen. Das Ankunftszentrum bringt 500 Arbeitsplätze mit, und die Geflüchteten sind ja auch Bewohner. Heidelberg hat 180 Hektar Konversionsflächen zur Entwicklung bekommen, davon 97 Hektar in PHV. Das ist ein Riesenglück. Da wird mir zu viel vom Defizit her gedacht: Was fehlt? Was brauchen wir noch? Wir sollten diese Chance ergreifen und erst mal schauen, was wir daraus machen. Dafür darf der Gemeinderat aber das wohnungspolitische Konzept für PHV nicht in der jetzigen Form beschließen.
Warum nicht?
Weil darin ein Großteil der geförderten Wohnungen auf den Erweiterungsflächen vorgesehen sind. Im Juni 2020 hat der Gemeinderat jedoch beschlossen, dass diese frühestens im Jahr 2030 in Betracht gezogen werden. Und er hat das nicht nur zurückgestellt, sondern zukünftigen Entscheidungsträgern bewusst die Option gelassen, auch darauf zu verzichten. Wenn man die jetzt aber beplant, schürt man schon jetzt den Konflikt zwischen Biodiversität und sozialem Wohnungsbau.
Was sollte das Gremium Ihrer Ansicht nach stattdessen beschließen?
Wenn der Stadtteil entwickelt wird, muss es von Anfang an auf jedem Baufeld preisgünstigen Wohnraum geben. Das ergibt eine echte soziale Durchmischung. Und man könnte 2030 wirklich beschließen, auf die Erweiterung zu verzichten.
Die Stadt argumentiert, dass Sozialwohnungen, die förderfähig und attraktiv sind, sich am besten in Neubauten errichten lassen. In den Bestandsbauten stimmen die Zuschnitte nicht. Deshalb sind sie zum Großteil auf den Erweiterungsflächen geplant.
Zunächst mal kann man im Bestand deutlich billiger bauen, und die Bestandsgebäude sind zu einem nicht unerheblichen Teil sehr gut in Schuss. Ihr Wohnungszuschnitt könnte für eine Familie mit ein bis drei Kindern durchaus passend sein. Außerdem kann man Bestandsbauten aufstocken. Zwei, vielleicht drei Stockwerke zusätzlich wären auf jeden Fall möglich. Die könnte man entsprechend für einen anderen Wohnungszuschnitt nutzen. Man kann auch auf versiegelten Flächen anbauen. Davon gibt es einige, weil es den US-Amerikanern wichtig war, dass man mit dem Auto bis vor die Tür fahren kann. Wir haben nicht die Kapazitäten, alles bis ins Detail durchzurechnen, aber wir halten es für möglich, auch im Bestand viel preisgeförderten Wohnraum zu erstellen. Ich frage mich sogar: Warum plant die Stadt mit nur 30 Prozent?
Weil das Konzept so laut Stadt durchfinanziert ist, man mit dem Verkauf von Grundstücken und Wohnungen genug Geld einnehme, um den günstigeren Wohnraum gegenzufinanzieren.
Die Stadt gibt eine Deckungslücke von 65 Millionen Euro an, sollte der Boden in Erbpacht gehalten werden. Derzeit sieht Heidelberg pro Jahr sieben Millionen Euro für Grundstückskauf vor, die in den letzten Jahren nie abgerufen wurden. Kauft man PHV innerhalb von zehn Jahren Stück für Stück, hätte man damit 70 Millionen Euro zusammen – das würde gut passen. Das andere ist: Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) kann ihre Wohnungen für Bundes- und Landesbedienstete entwickeln auf Grund, den sie nicht bezahlt hat. Warum muss die Kommune teuer dafür bezahlen, wenn sie das für weitere Bewohnerinnen und Bewohner entwickelt?
Zudem ist diese Querfinanzierung Teil des Problems: Um preisgünstigen Wohnraum zu erstellen, muss dabei ein Teil teuer verkauft werden. So beteiligt sich die Stadt an der Preistreiberei. Und es gibt deutschland- und europaweit Beispiele, wie es anders geht. In Freiburg wird jetzt ein neues Gebiet komplett preisgünstig gestaltet, ganz im Erbbaurecht. Und trotzdem stehen die Investoren bereit und wollen bauen. Das wären neue Wege, wie sie auch Heidelberg gehen kann.