Kurstadt will 19,1 Millionen Euro investieren
Kämmerin Tanja Schulz: "Pflicht geht vor Kür" - Rücklagen sinken bis 2023 von zwölf auf voraussichtlich 2,7 Millionen Euro

Von Falk-Stéphane Dezort
Bad Rappenau. Oberbürgermeister Sebastian Frei forderte in seiner Haushaltsrede am Donnerstag mehr Optimismus. In die allgemeine Tonlage wollte er nicht einstimmen. "Ich empfinde das verbreitete, häufig angsterfüllte Klagen als befremdlich." Zwar stünde die Kommune im kommenden Jahr mit ihrem Haushaltsvolumen von rund 75 Millionen Euro vor "großen Herausforderungen", doch "unsere Chancen überwiegen die Risiken bei Weitem". Es gebe keinen Anlass für Untergangsszenarien, vielmehr "bedarf es eines der Sachlage angemessenen Verhaltens".
Für 2020 haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Kurstadt eingetrübt, weshalb sich die Einnahmen nicht mehr so positiv entwickeln wie in den zurückliegenden Jahren. Bei 55,11 Millionen Euro an ordentlichen Erträgen und 55,85 Millionen Euro Aufwendung weist der Ergebnishaushalt ein Minus von rund 740.000 Euro auf. Neben Abschreibungen belasten höhere Personalkosten (plus 600.000 Euro auf 14,1 Millionen Euro) sowie der voraussichtlich im Mai neu eröffnete Kindergarten St. Anna im Baugebiet Kandel den Haushalt. Ebenso steigen die Kreis- und Finanzausgleichsumlage (plus 600.000 Euro auf 8,6 Millionen Euro) während Schlüsselzuweisungen sinken, führte Kämmerin Tanja Schulz aus. Das vom Neuen Kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen (NKHR) gesteckte Ziel, dass die Einnahmen die Ausgaben decken, wird nicht erreicht.
Die Kommune rechnet mit rund 27,6 Millionen Euro Einnahmen aus Steuern, davon 13,6 Millionen Euro aus der Einkommenssteuer. Dies liegt unter dem Ansatz des Vorjahres. Weitere sieben Millionen Euro sollen aus der Gewerbesteuer fließen. "Das ist realistisch", meint Schulz. Aufgrund des neuen Landesglückspielgesetzes reduziert sich der Gewinn aus der Vergnügungssteuer deutlich und liegt mit 300.000 Euro unter dem Ansatz des Vorjahres.
An Zuweisungen und Zuwendungen werden 18,5 Millionen Euro erwartet. "Wir werden langfristig nicht umhinkommen, die Ertragsseite weiter zu steigern, um den Haushalt auszugleichen", betonte die Kämmerin. Nach der Neukalkulation der Bestattungsgebühren 2019 sollten 2020 die Kurtaxe und der Fremdenverkehrsbeitrag neu berechnet werden. Aber: "Wir müssen, um künftig den Vorschriften des NKHR gerecht zu werden, auch auf der Ausgabenseite die Daumenschrauben ansetzen." Dementsprechend müsse man sich überlegen, ob gewisse Investitionen tatsächlich notwendig sind. "Pflicht geht vor Kür", sagte Schulz.
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Insgesamt 19,1 Millionen Euro will die Kurstadt im kommenden Jahr investieren: Für Frei eine "realistische Größenordnung". Die höchsten Summen fließen hierbei laut Planwerk in Schulen und Kindergärten. Hier will die Stadt mehr als 3,5 Millionen beziehungsweise 2,9 Millionen Euro investieren. Allein auf die Erweiterung und Generalsanierung der Grundschule in Bonfeld entfallen 1,8 Millionen Euro. Der Kindergarten St. Anna in Kandel kostet weitere zwei Millionen Euro.
Die Ausgaben für Bautätigkeiten generell bleiben auf Rekordniveau. Vorgesehen sind 11,3 Millionen Euro (Vorjahr: 11,2 Millionen Euro). Für Grunderwerb sollen 2,7 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Ausgaben von 1,7 Millionen Euro erwartet die Verwaltung für Baugebietserschließungen. So sollen die Arbeiten am "Neckarblick" in Heinsheim (180.000 Euro 2020, weitere 520.000 Euro 2021) starten und die am "Kobach III" in Grombach (170.000 Euro) fertiggestellt werden. Das Baugebiet "Halmesäcker" in Fürfeld wird voraussichtlich erst 2022/23 erschlossen. Zuvor ist aber eine archäologische Rettungsgrabung notwendig, die 2020 voraussichtlich 800.000 Euro und 2021 weitere 200.000 Euro kosten wird.
Weitere Ausgaben stehen in puncto Breitbandausbau in Wollenberg, bei Schulen, Krankenhäusern und Gewerbegebieten (1,4 Millionen Euro), beim Hochwasserschutz in Babstadt (850.000 Euro) sowie am Waldstadion an. Als Resultat der ersten Jugendversammlung im Frühjahr 2019 sollen beim Stadion ein Multifunktionsspielfeld und jugendgerechte Sitzgelegenheiten entstehen. Zusätzlich sollen der Parkplatz teilasphaltiert und das sogenannte "Trainingsfeld Nord" instand gesetzt werden.
Über den Haushaltsentwurf dürften sich auch die Vereine freuen. So habe man eine für Frei "beachtliche Summe" von 395.000 Euro für Vereinsförderungen vorgesehen. Unter anderen wolle man hier die DLRG Ortsgruppe sowie den Fanfarenzug beim Bau eines neuen Standorts in Heinsheim beziehungsweise beim Bau eines Vereinsheims unterstützen.
Finanziert werden sollen die Vorhaben über Investitionszuweisungen und Zuschüsse (3,9 Millionen Euro). Hinzu kommen sieben Millionen Euro aus Beiträgen und Grundstücksverkäufen, unter anderem im Baugebiet Kandel. Unter dem Strich bleibt nach der Tilgung eigener Kredite (415.000 Euro) sowie Rückzahlungen des Eigenbetriebs Stadtentwässerung und der Kur- und Klinikverwaltung (782.000 Euro) ein Minus von mehr als 6,4 Millionen Euro. Die fehlenden Mittel werden aus der Liquidität, also dem städtischen Kassenbestand, finanziert. Zum Jahresanfang 2020 wird dieser von Schulz auf zwölf Millionen Euro geschätzt.
Neue Kredite sollen 2020 und laut mittelfristiger Finanzplanung auch bis 2023 nicht aufgenommen werden. Und das, obwohl künftig Fehlbeträge in Millionenhöhe ausgewiesen werden müssen. Laut Plan sinkt der Kassenstand bis 2023 auf 2,7 Millionen Euro. Wie Schulz erklärte, musste man 2019 auf den geplanten Kredit in Höhe von rund vier Millionen Euro nicht zurückgreifen. Sie rechnet zum Jahresende 2020 mit einem Schuldenstand von knapp 3,5 Millionen Euro, was einer Pro-Kopf-Verschuldung von 161 Euro entspricht. Das Minus des Eigenbetriebs Stadtentwässerung ist hierbei allerdings nicht eingerechnet.
OB Frei bezeichnete den Haushaltsentwurf als solide. Er zeige, dass die Finanzen der Kurstadt geordnet seien. "Das Resultat kann sich sehen lassen." Nun haben die Gemeinderatsfraktionen die Möglichkeit, ihre Wünsche und Vorstellungen einzubringen. Am 27. Februar soll der Haushalt verabschiedet werden.