Evangelische Stiftsgemeinde zieht sich aus Kindergartenprojekt zurück
Kindergartensituation in der Waldstadt: Evangelische Kirchengemeinde äußert Kritik - Neubau wird trotzdem verwirklicht

Den Waldstadt-Kindern steht künftig nur noch ein katholischer Kindergarten zur Verfügung: Die evangelische Stiftsgemeinde kehrt dem gemeinsamen Projekt der beiden Kirchengemeinden und der Stadt den Rücken. Wie es mit dem ev. Gemeindehaus in der Tarunstraße (unser Bild) weiter gehen wird, entscheiden nun die ev. Gemeindemitglieder. Foto: Heiko Schattauer
Von Alexander Rechner
Mosbach. Über die Zukunft der Kinderbetreuung in der Mosbacher Waldstadt wird seit Jahren diskutiert. Am Ende des längeren Prozesses ordnete der Gemeinderat in seiner November-Sitzung vergangenen Jahres die Kindergartensituation in der Waldstadt neu. Dabei beschloss man einen Neubau und "trägerdifferenzierten Betrieb" einer Kindergarteneinrichtung auf dem Gelände des katholischen Kindergartens Bruder Klaus. Konkret: Im neuen Gebäude sollten ein Kindergarten unter evangelischer Führung und ein Kindergarten unter katholischer Leitung Platz finden. Allerdings ist diese Konzeption nun ad acta gelegt.
Denn die ev. Stiftsgemeinde zieht sich aus dem Projekt zurück. Trotz des Ausstiegs wird aber der Kindergarten in der Waldstadt neu gebaut - dies bekräftigten Oberbürgermeister Michael Jann und Manfred Bopp, Vorsitzender des Pfarrgemeinderats der kath. Kirchengemeinde "Mose". "Die Finanzierung hierfür steht", ergänzte Bopp für die Bauherrin.
Alle bisher am Projekt beteiligten Parteien bedauerten am Mittwoch diese Entwicklung. Dekan Folkhard Krall von der ev. Kirchengemeinde betonte, dass er "ohne Groll" zurückschaut. Auch OB Jann sei "niemandem böse" - und wollte seinen Blick eher in die Zukunft richten. Für das Stadtoberhaupt ist wichtig, dass die Kleinen in der Waldstadt zeitnah einen Kindergarten erhalten. Er zeigte sich davon überzeugt, dass die Einrichtung "auch konzeptionell gut aufgestellt ist".
Für den Ausstieg der ev. Stiftsgemeinde war laut Dekan Krall entscheidend, dass es zu keinen weiteren Verzögerungen beim Neubau des Kindergartens kommt. Die Familien in der Waldstadt benötigten für ihre Mädchen und Jungen nun eine neue Einrichtung. Allerdings hätte man von evangelischer Seite noch einige Fragen zum veränderten Gebäudekonzept gehabt. Diese hätten aber die Verwirklichung des Projekts zusätzlich verzögert, was man den Waldstädter Familien nicht zumuten wollte, wie Folkhard Krall erläuterte. Und der Dekan ist davon überzeugt: "Unsere Eltern werden im katholischen Kindergarten ein tolles Angebot finden."
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Und dennoch äußeren die Verantwortlichen der ev. Stiftsgemeinde in einem dreiseitigen Schreiben Kritik an dem Verfahrensablauf in jüngster Zeit. So heißt es: "Nun müssen wir feststellen, dass in den letzten Wochen weitreichende Entscheidungen getroffen wurden, ohne uns einzubeziehen." Zudem formulieren sie: "Dabei wurden bereits getroffene Absprachen zwischen der Stadt und beiden Kirchengemeinden sowie verbindliche Grundlagen der Planung wesentlich verändert."
Dem widersprach OB Jann. An der Planung des Gebäudes hat es aus seiner Sicht keine wesentlichen Modifikationen gegeben. Darin war es sich mit Bopp einig. Deshalb habe man das Informieren "auf die lange Bank geschoben", verdeutlichte Jann, der die daran geäußerte Kritik der ev. Kirchengemeinde allerdings auch annimmt.
Überdies begründet die ev. Kirchengemeinde ihren Ausstieg damit: "Nachdem die Planungen der letzten Jahre die Entwicklung eines eingeschossigen Gebäudes, das im Ganzen barrierefrei ist, zum Ziel hatten, wurde ab Mitte Mai ohne Rücksprache mit uns ein Gebäudeplan erstellt, der den Kindergarten auf zwei Stockwerken entwickelt". Die verfolgte Barrierefreiheit sei damit aufgegeben worden, dem die Verantwortlichen der Stiftsgemeinde nicht zustimmen können. Diese Aussage wollten Bopp und Jann nicht unkommentiert stehen lassen: Die Gruppenräume seien "im Erdgeschoss untergebracht und daher barrierefrei".
Angesichts der nun höheren Baukosten von rund 2,8 Mio. Euro (statt 2,4 Mio. Euro) erwartet man vonseiten der ev. Kirchengemeinde einen größeren Mietaufwand. Schließlich sahen die bisherigen Planungen vor, sich in das neue "Kinderhaus" einzumieten. Die so frei werdenden Räume im ev. Gemeindehaus hätten dann auch eine "nichtkirchliche" Nutzung erfahren. Allerdings habe man nun konstatieren müssen, dass neue Versammlungsräume unter dem Kindergarten errichtet werden. "Wir erkennen, dass eine weitere potenzielle Nutzergruppe ihren Raumbedarf anderweitig organisiert", heißt in dem Schreiben. Dem gegenüber bekräftigte OB Jann, dass die Stadt die offene Jugendarbeit im Gemeindehaus unterbringen wollte und will. "Nach wie vor sind wir an einer Einmietung interessiert", so Jann.
Letztlich bedeutet die Entscheidung nun auch das Aus des ev. Kindergartens in der Waldstadt. In Eigenregie wird die ev. Kirchengemeinde dort keinen neuen Kindergarten errichten. Dekan Krall sprach dabei von einem "klaren Schulterschluss mit der Stadt" und erachtete die Vorgabe als "sinnvoll," in einem Haus alle Waldstädter Kinder zu betreuen.
Aber wie geht es mit dem Gemeindehaus weiter? Über die Zukunft werden die Gemeindemitglieder zu entscheiden haben. Dem möchte der Dekan nicht vorgreifen. Aber die Immobilie sei für den Bedarf der ev. Kirche zu groß dimensioniert. Dennoch möchte man in der Waldstadt ein Gebäude für Gottesdienste und für Veranstaltungsangebote erhalten.