TSG 1899 Hoffenheim

Schreuder mit emotionalem Appell nach 0:1-Niederlage im Breisgau

Elfmeterszene als Sinnbild: Freiburg nicht besser, aber cleverer

09.02.2020 UPDATE: 10.02.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 47 Sekunden
Die Männerfreundschaft zwischen Alfred Schreuder und Christian Streich nimmt keinen Schaden. Foto: APF/Imago

Von Nikolas Beck

Freiburg. Für einen Moment schien es, als würde Alfred Schreuder das Drumherum einfach ausblenden, abtauchen in eine eigene Welt. Im engen Pressecontainer des Schwarzwald-Stadions, wo man als Trainer eines Bundesligisten nicht auf einem Podium, sondern schlicht am Tisch in der ersten Reihe sitzt, analysierte der Niederländer zunächst gewohnt sachlich die enttäuschende 0:1-Niederlage beim SC Freiburg. Sprach von Kontrolle, Räumen und Torchancen. Und als ob jemand einen Schalter umgelegt hatte, begann plötzlich ein emotionaler Appell, ein Aufruf zu harter Arbeit und vorbildlichem Profitum. "Wir sind gut, aber wir sind nicht gut genug", habe er seiner Mannschaft gerade gesagt: "Wer etwas gewinnen will, muss viel mehr machen als der Gegner", so Schreuder. Das müssten seine Schützlinge noch lernen und das gelte nicht nur für das Spiel, "sondern für jede Trainingseinheit, jede Nachbereitung und Vorbereitung, wie man schläft, wie man isst, wie man sich als Profi verhält." Und mit Nachdruck: "Wenn man etwas investiert, wird es auch immer belohnt."

Der entscheidende Fehler: Hoffenheims Stefan Posch (links) setzt im Strafraum zur Grätsche gegen Freiburgs Christian Günter an und verursacht einen zwar umstrittenen, aber unnötigen und letztlich ausschlaggebenden Strafstoß. Foto: APF/Imago

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass Hoffenheims Trainer seinem Team ausreichendes Engagement abspricht? "Es geht immer um einzelne Momente", wiegelte Schreuder ab – und hatte dabei wohl nicht nur die zahlreichen ungenutzten Torchancen im Sinn. Sondern vor allem auch jene Szene in der 39. Minute, die das Spiel vor 24.000 Zuschauern letztlich entscheiden sollte: Stefan Posch, "Hoffes" rechter Verteidiger in der Dreierkette, ging im Sprintduell gegen Freiburgs Flankenläufer Christian Günter völlig ohne Not ins Tackling und bot dem SC-Kapitän mindestens genauso unnötig einen Kontakt an, indem er im letzten Moment noch das Bein hochzog. Günter nahm dankend an und Luca Waldschmidt verwandelte den anschließenden Elfer (40.). "Das darf nicht passieren", sprach Schreuder Klartext.

Das Duell zwischen Posch und Günter stand sinnbildlich für die gesamte Partie: Die Hausherren waren im Gegensatz zu deren 3:0-Erfolg im Hinspiel in Sinsheim diesmal nicht besser als Hoffenheim – aber cleverer. Der junge Österreicher, den alle nur "Poschi" nennen, wusste, dass er seinen Kollegen einen Bärendienst erwiesen hatte. Während sein Kapitän Benjamin Hübner gerade davon sprach, dass dem Untröstlichen niemand den Kopf abreißen werde, man aber aus Fehlern lernen müsse, schlich sich Posch an den Fragestellern vorbei aus den Arenakatakomben. Mit gesenktem Haupt und der Kapuze tief ins Gesicht gezogen ging’s als Erster in den Mannschaftsbus. Schnell weg nach einem Spiel, bei dem sich alle TSGler einig waren: Das dürfen wir nicht verlieren.

Hintergrund

Pentke: Mehrfach stark im Eins-gegen-eins. Als "Bankangestellter" eigentlich verschenkt.

Posch: Unglücksrabe beim umstrittenen Elfmeter. Als erster im Bus.

Bicakcic: Auf dem Feld mit den meisten Ballkontakten, im Interview in seiner Paraderolle als

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Pentke: Mehrfach stark im Eins-gegen-eins. Als "Bankangestellter" eigentlich verschenkt.

Posch: Unglücksrabe beim umstrittenen Elfmeter. Als erster im Bus.

Bicakcic: Auf dem Feld mit den meisten Ballkontakten, im Interview in seiner Paraderolle als "Eisen-Ermin".

Hübner: Gäbe es den Begriff Aggressiv-Leader nicht schon, müsste er für "Hübi" erfunden werden.

Kaderabek: Emsiger Flankengeber ohne Fortune.

Skov: Schaffte es nicht, als linker Joker in Abschlussposition zu kommen.

Grillitsch: Denker und Lenker. Gab am Ende den Libero.

Samassékou: Macht viele unauffällige Dinge richtig, aber auch wieder mit Licht und Schatten.

Rudy: Fiel im Mittelfeld deutlich ab; schwach.

Baumgartner: Im Zusammenspiel mit Dabbur vor der Pause richtig stark.

Dabbur: Zu lässig beim Lupfer-Versuch.

Bebou: Ersetzte nach einer Stunde Posch; belebendes Element.

Bruun Larsen: Spät für Rudy im Spiel.

Beier: Durfte erstmals Bundesligaluft schnuppern. (nb)

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Christian Streichs sah es ähnlich: In den letzten 20 Minuten sei seine Elf "an die Wand gedrückt worden". "Ein Unentschieden wäre wahrscheinlich gerechter gewesen", sagte Streich, der die magere Torausbeute trotz 33 Versuchen (12 Freiburg/21 Hoffenheim) zwei starken Torhüterleistungen zuschrieb.

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Zur Wahrheit des Samstagnachmittags gehört nämlich auch, dass der abermals gut aufgelegte Baumann-Vertreter Philipp Pentke die TSG mehrfach vor einem höheren Rückstand bewahren musste. "Ich hätte lieber gewonnen", sagte die viel gelobte Hoffenheimer Nummer zwei: "Tore schießen kann ich leider noch nicht." Man könne seinem Team eigentlich nur zwei Fehler unterstellen, so die treffende Analyse des 34-jährigen Schlussmanns: den Elfmeter und nicht getroffen zu haben. Sollte Oliver Baumann schon im kommenden Heimspiel am Samstag (15.30 Uhr) gegen Wolfsburg ins Tor zurückkehren, wird das Gastspiel im Breisgau in die Vereinsannalen eingehen. Als das Spiel mit dem bis dato ältesten jemals eingesetzten Hoffenheimer Bundesligaspieler (Pentke) und dem jüngsten. Denn in den Schlussminuten verhalf Schreuder Maximilan Beier zum Debüt im zarten Alter von 17 Jahren und 114 Tagen. Am Ergebnis änderte aber auch der Jungspund nichts mehr.

"Gottfroh" sei Freiburgs Kulttrainer Streich, "dass wir gegen solch eine Mannschaft – wenn auch Glück dabei war – gewinnen konnten". Regelrecht ins Schwärmen geriet Streich über Hoffenheims "Passqualität und Positionsspiel", das extrem attraktiv sei. Diesmal aber nicht effizient genug. "Das sieht vielleicht immer gut aus", sagte Schreuder, "am Ende geht es aber ums Gewinnen und nicht immer nur um schönen Fußball."

Für die zahlreichen Komplimente konnte sich die TSG am Samstag genauso wenig kaufen wie drei Tage zuvor beim verrückten 3:4 im Pokal in München. "Ich kann eben nicht verlieren", sagte Schreuder, "ich hasse es."

Schweren Herzens musste der Niederländer also während der alles andere als alltäglichen Pressekonferenz seinem Trainerkollegen gratulieren, wenngleich sich Schreuders Miene alsbald auflockern sollte. "Ich liebe ihn einfach", schmunzelte der "Hoffe"-Coach und machte für einen kurzen Moment sogar den sonst so meinungsstarken und wortgewaltigen Christian Streich sprachlos. "Danke, Alfred, mir geht es genauso."

Lob und Liebe prägten einen Nachmittag aus TSG-Sicht mit zwei Fehlern, einem Tor und keinen Punkten.

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