Die Systemweichen der Wirtschaft umstellen

Wiesloch-Frauenweiler. Die Druckerei "Sonnendruck" legt die erste Gemeinwohlbilanz in Metropolregion vor.

24.04.2013 UPDATE: 24.04.2013 17:39 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden
Wiesloch-Frauenweiler. (hds) Er ist überzeugt "von der Sache", will "nicht einfach drauf los wirtschaften" unter dem Motto "Gewinnmaximierung" und lebt dies auch in seinem Unternehmen vor: Uwe Treiber, Chef der Sonnendruck GmbH in Frauenweiler, hat als erster Betrieb in der Metropolregion jetzt eine sogenannte Gemeinwohlbilanz erstellt. Bei dem von der der Initiative "Gemeinwohl Ökonomie (GWÖ) Rhein-Neckar" vorgestellten Projekt handelt es sich um eine Art Schattenbilanz, die die klassische Finanzbilanz zwar nicht ersetzt, aber dafür ein Höchstmaß an Transparenz beinhaltet. "Es geht dabei darum, die Systemweichen in unserem Wirtschaftssystem umzustellen", erläuterten Harald Bender und Christoph Ecken von GWÖ. Kooperation statt Konkurrenzdenken und Gewinnstreben wird abgelöst durch Gemeinwohl. In einer komplexen Matrix sind die unterschiedlichsten Parameter aufgeführt und nach einem Punktesystem wird dann der entsprechende Betrieb bewertet. Auf dem Prüfstand stehen dabei Werte wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung.

Treiber selbst hat bereits vor der offiziellen Zertifizierung durch die GWÖ in Sachen Umweltschutz einiges bewegt. "Wir drucken schon längere Zeit klimaneutral, benutzen FCS-Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft und setzten, so oft dies möglich ist, Recycling-Papier ein. Dies war mir aber alles nicht genug", betonte er. "Ich habe durch Vorträge des österreichischen Schriftstellers Christian Felber, der sich mit einer Neuausrichtung unseres Wirtschaftssystems beschäftigt, einen Schub erfahren." Treiber stellte eine Übereinstimmung mit seiner Lebens- und Firmenphilosophie fest, bei der es um menschliches Miteinander, Kooperation und Achtung vor der Natur geht. Sein höchstes Gut, so Treiber, seien die Mitarbeiter im Betrieb. Gerechte Bezahlung, zuhören, das tägliche Arbeitsleben durch kostenlose Bereitstellung von Getränken und Obst zu verbessern und die Gleichbehandlung von Mann und Frau sind für ihn daher eher Selbstverständlichkeiten. Hinzu kommt ein bewusster Einkauf der verwendeten Rohstoffe und Materialien und es wird bei den Lieferanten genau auf Herstellungsverfahren geachtet.

Ebenfalls auf der Bewertungsskala steht, und dies ist ein wichtiger Punkt, die Minimierung der Gewinnausschüttung an Externe. Hier erreicht Sonnendruck die höchste Punktzahl, fließen doch alle Gewinne zurzeit direkt in die Druckerei selbst. Zudem spendet man für soziale Einrichtungen 0,5 Prozent des Umsatzes. In Summe erreichte Sonnendruck bei seiner Premiere in Sachen Gemeinwohlbilanz 337 von 1000 möglichen Punkten. "Das sieht auf den ersten Blick wenig aus, man muss aber bedenken, dass die jetzt erfolgte Bewertung auch Anreiz für uns ist, noch besser zu werden, die Potenziale zu erkennen und auszuschöpfen", gibt sich Treiber optimistisch. Er wisse nun genau, was sein Unternehmen im Innersten zusammenhält, wie sein Betrieb zu Lieferanten stehe und könne auch die Positionierung des Unternehmens im gesellschaftlichen Umfeld besser überblicken.

Wir funktioniert nun aber diese Bewertung? Zu den einzelnen Komplexen werden die Unternehmen befragt. Dies geschieht durch eine Redaktionsgruppe der GWÖ. Für die jeweiligen Bereiche gibt es individuelle Bewertungskriterien, die dann in einer Gesamtbeurteilung zusammenfließen. Voraussetzung ist eine Mitgliedschaft in der im Vorjahr in der Metropolregion gegründeten Initiative. Die Bewegung hat sich übrigens bereits internationalisiert. In 15 Staaten agieren mehr als 1400 Firmen nach den Leitlinien dieser neuen Struktur.

Bezüglich möglicher Nachteile nahm Uwe Treiber kein Blatt vor den Mund. "Natürlich muss ich bei meinen ausgewählten Lieferanten ein paar Euro mehr für ökologisch bessere Produkte zahlen. Aber auf längere Sicht rechnet sich das wieder." Nach seinen Ausführungen kommen immer mehr Kunden, die ausdrücklich die Herstellverfahren hinterfragen und auch bezüglich der verwendeten Arbeitsmaterialien nicht alles "abnicken". Hier sei ein klarer Trend, gerade in der Druckindustrie, zu beobachten und durch seine Firmenphilosophie habe er, so Treiber, in der jüngsten Vergangenheit so manchen Neukunden gewinnen können.

Angestrebtes Ziel der Initiative GWÖ ist es, die derzeit noch unverbindliche Gemeinwohlbilanz auf rechtliche Füße zu stellen. "Wir wollen, auch mit politischem Druck, eine Gleichstellung zu der jetzigen Finanzbilanz erreichen", blickt Dr. Harald Bender kämpferisch in die Zukunft. Konkret bedeutet dies, als eine Art Belohnung für die Einführung dieser Art der Bilanzierung, steuerliche Vorteile und Vorteile beim öffentlichen Einkauf zu erhalten. Damit könne ein zusätzlicher Anreiz, ein solches System im eigenen Betrieb zu implantieren, geschaffen werden.

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