TSG Hoffenheim

"Ohne mit der Wimper zu zucken"

André Breitenreiter entschied nach der Meisterschaft mit dem FC Zürich für die TSG Hoffenheim. Der neue Trainer prüfte andere Angebote erst gar nicht.

15.07.2022 UPDATE: 15.07.2022 06:00 Uhr 4 Minuten, 37 Sekunden
In den Anfangswochen gut gelaunt unterwegs: André Breitenreiter will das große Potenzial bei der TSG optimal ausschöpfen. Foto: Imago

Von Achim Wittich

Kitzbühel. Seit 1. Juli ist André Breitenreiter neuer Trainer und zugleich Hoffnungsträger der TSG Hoffenheim. Der 48-jährige ehemalige Bundesligaprofi und zweifache Familienvater soll den Kraichgau-Klub in einen internationalen Wettbewerb führen. In den bisherigen drei Testspielen feierte Breitenreiter drei Siege und spricht während des Trainingslagers in Kitzbühel im Hoffenheimer Mannschaftshotel über die ersten Wochen in neuer Umgebung, seine Art der Menschenführung und warum er sich trotz anderer Angebote für die TSG entschieden hat.

André Breitenreiter, Sie sind in Hannover, Paderborn, auf Schalke und in der Schweiz gewesen. Wie fühlt es sich denn im Kraichgau an? Es geht hier ja, auch was den Medienrummel betrifft, eher beschaulich zu.

(lacht) Ach, ich habe in Zürich (Anm. d. Redaktion: Breitenreiter wurde im Mai mit dem FC Zürich Schweizer Meister) in der ersten Halbserie Pressekonferenzen gehabt, da haben wir dann Eins-zu-Eins-Interviews draus gemacht. Aber im Ernst: Ich habe mich in der Kürze der Zeit sehr gut eingelebt, habe sehr schnell Fuß gefasst. Verein, Spieler und Fans haben es mir leicht gemacht. Es hat bisher alles sehr gut gepasst in den ersten drei Wochen.

Wie sehen sie den Ist-Zustand des Kaders, wo sehen Sie noch Defizite?

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Ihlas Bebou hatte sich leider mit Knieproblemen schon aus dem Urlaub gemeldet und daraus hat sich nun eine Verletzung ergeben. Er geht jetzt zu seinem operierenden Arzt. Wir brauchen Klarheit. In der Innenverteidigung – und das ist ein offenes Geheimnis – werden wir schauen. Wir werden aber nicht aus Aktionismus heraus Transfers tätigen.

Sie haben davon gesprochen, das Maximum erreichen zu wollen. Das ist der Wunsch eines jeden Trainers. Was ist das Maximum für 1899 Hoffenheim?

Diese Frage habe ich natürlich erwartet (schmunzelt). Am Ende des Tages ist es müßig, über solche Sachen zu sprechen. Es müssen ganz viele Mosaiksteine dazu beitragen, dass man erfolgreich ist. Es ist die Qualität des Kaders, die die Basis schafft. Den maximalen Erfolg sollte jeder anstreben – und das tut auch jeder. Das wird aber manchmal, insbesondere in Deutschland, anders nach außen getragen. Man erhofft sich das und haut es sich dann später um die Ohren.

Der Saisonabschluss war für die TSG und ihre Fans unbefriedigend.

Hier war die Enttäuschung der letzten Spiele schon groß, auch im Umfeld. Deshalb waren die ersten Hebel, dafür zu sorgen, dass ein größeres Selbstwertgefühl der Beteiligten entsteht. Das ist uns, glaube ich, gelungen.

Oliver Baumann und andere Führungsspieler haben eine gewisse Bequemlichkeit angedeutet, gar eine mangelnde Professionalität.

Wenn der Oli das so bewertet, dann würde ich das so stehen lassen, weil es mir nicht zusteht, das zu beurteilen. Wir können schon ein bisschen mehr investieren und wenn Oli das so gesagt hat, sind wir da auf einem richtigen Weg.

David Raum wird vielleicht noch wechseln. Wie sehen Sie die Situation?

Wenn man den besten Spieler abgibt, werden wir sicher schauen, ob wir eine Option für diese Position bekommen. Ich halte mich da aber weitgehend raus. Ich arbeite mit den Jungs, die da sind und versuche sie, im besten Fall besser zu machen.

Letzte Saison hat die TSG keinen einzigen Elfmeter gekriegt. Ist das mangelnde Cleverness bei einer so offensiv ausgerichteten Mannschaft?

Echt? Das ist mir neu. Das lag bestimmt an den Schiedsrichtern. Spaß beiseite: Ich glaube schon, dass es Situationen gibt, wo es zwangsläufig Elfmeter gibt und ich werde diese Situationen einfordern. Wenn der Ball aber vorher ins Tor geht, brauchen wir die nicht.

Ist das 3-5-2-System in Stein gemeißelt?

Ich glaube nicht, dass das System das Allerwichtigste ist. Wer meine Stationen verfolgt hat, weiß, dass ich immer extrem variabel war. In Zürich habe ich einfach eine Mannschaft gefunden, das war eine 3-5-2-Mannschaft. Wir haben so jedes Spiel gespielt. Ich musste schmunzeln, das war eigentlich nichts für mich. Es geht aber niemals um mich und ich muss mich nicht selbst darstellen. Es geht am Ende darum, das zu finden, was zum Erfolg führt. Wir müssen die besten Spieler auf den Platz bringen und für sie die beste Position finden.

Was für ein Trainer sind Sie?

Ich möchte ein Trainer sein, wie ich ihn als Spieler gerne gehabt hätte.

Sind Sie deswegen ganz anders?

Ich weiß auf jeden Fall, was Spieler gebrauchen können und wann man mal aufpassen sollte. Mich hatte man gerne in der Mannschaft gehabt (lacht).

Was ist Ihnen am wichtigsten?

Fairness, Ehrlichkeit, klare Ansprachen. Ich fand Trainer gut, die mir ein klares Feedback gegeben haben, auch wenn ich dann mal schlucken musste. Ich habe nämlich ein oder zwei andere Trainer gehabt, ohne Namen zu nennen, die haben mir gesagt, ich sei der beste Spieler. Aber ich habe trotzdem nicht gespielt. Das würde ich nie machen.

Sondern?

Wenn ein Spieler kommt und fragt, warum er nicht spielt, kriegt er klare Aussagen. Aber eben auch Unterstützung und Hilfe, an was er arbeiten kann. Und dann bin ich auch jemand der belohnt, wenn ich sehe, dass er daran arbeitet.

Fiel Ihre Entscheidung für Hoffenheim leicht?

Meine Entscheidung ist, ohne mit der Wimper zu zucken, nach dem ersten Gespräch auf die TSG gefallen. Es gab andere Möglichkeiten, keine Frage nach einer Meisterschaft. Aber ich habe hier extrem Lust drauf, weil wie in Zürich über Fußball gesprochen wird. Wir hatten auf Schalke und in Hannover auch Erfolg, aber das hat keinen interessiert. Da wurde über andere Themen geredet.

Andere Möglichkeiten auch in Deutschland?

Das ist wurscht. Ich bin jetzt hier und darüber bin ich sehr glücklich. Ich habe mich mit keinem anderen getroffen. Aber ich weiß von meiner Agentur, dass es das ein oder andere Angebot gab.

Man hört und sieht immer nur den gut gelaunten André Breitenreiter, der immer lacht und optimistisch ist. Gibt’s auch einen anderen, wann wird der mal richtig ungemütlich?

Es besteht für mich kein Grund, mit einer ernsten Miene durch die Gegend zu laufen. Das ist natürlich auch darin begründet, dass wir letztes Jahr Meister geworden sind. Das war das erste Mal, das ist schon cool, da rum zu stehen und den Pokal hoch zu halten. Da möchte ich auch wieder haben. Ich bin auch zweimal in die Bundesliga aufgestiegen. Das sind Momente, die man sein Leben lang nicht vergisst. Das sind diese Visionen, die man sich schaffen muss, um dann auch alles dafür zu geben. Deshalb bin ich mit dieser Begeisterung hier, das ich extrem viel Potenzial sehe.

Was nervt Sie?

Wenn es Probleme mit der Einstellung und der Disziplin gibt. Wenn Spieler nicht alles dafür tun, um Ihr Bestes geben zu können. Das nervt mich, da knalle ich auch sofort dazwischen. Das wissen die Spieler auch jetzt schon.

Was erwarten Sie von der neuen Saison im Allgemeinen?

Das Prägnanteste wird der Cut im Winter sein. Dass man jetzt bis November durchzieht und dann eine lange Pause hat. Das wird spannend zu sehen sein, wie jeder Einzelne mit der Situation zurechtkommt, gerade auch bezüglich der Nationalspieler, die bei einer Weltmeisterschaft sind.

Sie sind schon auf den sozialen Kanälen unterwegs.

Das hält mich jung. Schon wegen meiner beiden Kinder, die sind 23 und 19 Jahre alt, muss ich das haben. Mal ab und zu gucken, was die da so treiben. Nein, so präsent bin ich auch nicht, eine gewisse Präsenz ist aber nicht schlimm. Ich mache das ausgewählt und nicht zu viel und poste nicht, was ich zu Mittag esse oder dass ich zum Schlafen ins Bett gehe.

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