"Da möchte man noch einmal Kind sein"
Stadträte erteilten Ganztagskonzepten für Albert-Schweitzer-Schule und Johann-Sebastian-Bach-Schule ihr Plazet

Von Philipp Weber
Weinheim. Als die einstimmige Mehrheit stand, ertönte Applaus in der Stadthalle. Die Fraktionen beklatschten sich dabei keineswegs selbst, sondern honorierten das knapp eineinhalb Jahrzehnte währende Engagement von Lehrern, Elternvertretern und weiteren Ehrenamtlichen. Denn nicht nur das Schulzentrum Weststadt nimmt Gestalt an: Dank des Votums am Mittwochabend ist nun auch der Weg frei für den verbindlichen Ganztag an der Albert-Schweitzer-Grundschule und für den Ganztag in Wahlform an der Johann-Sebastian-Bach-Förderschule.
Erinnerungen an Fiasko von 2016
Da sowohl der Kinder- und Jugendbeirat als auch der Schulbeirat einstimmige Beschlussempfehlungen abgegeben hatten, war der Ausgang der Abstimmung im Gemeinderat keine Überraschung. Dennoch nutzen die Fraktionssprecher die Gelegenheit, um die beiden Schulkonzepte und die Verzahnung der beiden Einrichtungen in den höchsten Tönen zu loben. "Man möchte noch einmal Kind sein, um diese Schule besuchen zu können", schloss Christina Eitenmüller (Freie Wähler), nachdem sie die Vorarbeit für die Mitte 2021 fertig werdende Doppeleinrichtung ebenso in den höchsten Tönen gelobt hatte wie das Weinheimer Rahmenkonzept für Ganztagsschulen.
Cornelia Münch-Schröder (GAL) sprach von einem "Leuchtturm für die Bildungshochburg Weinheim". Ihren Worten nach bekommt die Bach-Schule nun die "Lightversion" des Ganztags, während es diesen für die Albert-Schweitzer-Schule in der "All-inclusive"-Form geben werde. Grundschüler, deren Eltern das All-in-Paket nicht wollen, könnten den Schulbezirk wechseln. Da dies bei Einrichtungen wie der Bach-Schule nicht so einfach ist, blieb es bei der Wahlform. "Nach dem Fiasko um die Pestalozzischule ist heute ein guter Tag für die Schullandschaft in Weinheim", erinnerte Thomas Ott (CDU) daran, dass das Ganztagskonzept für diese Schule im Herbst 2016 im Gemeinderat gescheitert war. Wichtig sei der CDU, dass die Wahlfreiheit für Eltern gewahrt bleibt.
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Stella Kirgiane-Efremidou (SPD) ging zwar nicht als einzige, aber am ausführlichsten auf die Vorteile für die Familien der Schüler ein. Das gebundene Konzept an der Schweitzer-Schule sei ideal für Eltern, die Beruf und Familie verbinden wollen oder müssen. "Eltern und Kindern bleibt mehr Zeit miteinander, die unbelastet ist von Schulaufgaben", sagte sie. Laut Beschlussvorlage sieht das Konzept vor, dass die Grundschüler von Montag bis Donnerstag jeweils von 8 bis 15 Uhr in der Schule sind (freitags bis 12.35 Uhr). Während der Hort schließen soll, bleibt eine darüber hinaus gehende Grundschulbetreuung möglich. Derzeit zählt die Grundschule 245 Kinder, 50 davon haben einen Platz im Hort, weitere 66 besuchen die Grundschulbetreuung. Laut Verwaltung nutzen "viele weitere Kinder, meist aus sozial benachteiligten Familien" die kostenlosen Angebote von Stadtjugendring und Mehrgenerationenhaus.
Der nun fixierte Ausbau von Ganztagsangeboten sei überfällig, so Carsten Labudda (Die Linke). Ebenso wie Ott und Stella Kirgiane-Efremidou ("Es war mit dem damaligen Gemeinderat nicht möglich") erinnerte auch er an das Pestalozzi-Fiasko. Nach damaligen Verwaltungsangaben hätte die Stadt mit einem verbindlichen Ganztag in dieser Schule 200.000 Euro sparen können – strukturell, also Jahr für Jahr. Hintergrund ist, dass der ganztägige Unterricht vom Land finanziert wird und die Kinder somit weniger Zeit in kommunalen Betreuungseinrichtungen verbringen. Gerade in Coronazeiten sei es erfreulich, dass es dieses Mal anders kam.
Karl Bär (FDP) wäre der Ganztag in Wahlform lieber gewesen – für beide Schulen. Da Eltern aber die Option "Schulbezirkswechsel" bleibe und sich alle Gremien für die beiden vorhandenen Konzepte ausgesprochen hatten, stimmte auch er mit Ja.